Lesezeit: 9 Minuten
Kurz Erklärt: USA und Israel, Donald Trump und Benyamin Netanyahu

Lässt Trump Netanyahu hängen?

Analyse
Kurz Erklärt: USA und Israel, Donald Trump und Benyamin Netanyahu
Official White House Photo by Joyce N. Boghosian

Donald Trump ließ bei seiner Reise in Nahen Osten Benyamin Netanyahu links liegen. Was das mit seiner Sicht auf die Golfstaaten und der US-amerikanischen Zoll- und Wirtschaftspolitik zu tun hat.

Was ist passiert?

Nach mehr als 19 Monaten in Gefangenschaft im Gazastreifen bedankte sich Edan Alexander nach seiner Freilassung Mitte Mai persönlich bei US-Präsident Donald Trump – allerdings nicht bei Benyamin Netanyahu. Schließlich hatten die Amerikaner auf eigene Faust an Israel vorbei mit der Hamas verhandelt. Auch die Waffenstillstandsvereinbarung mit den Huthis im Jemen Anfang Mai, die kurz vorher noch den Flughafen in Tel Aviv mit Raketen beschossen hatten, handelte Washington separat aus.

 

Netanyahu stellte die Freilassung von Edan Alexander als in einem öffentlichem Statement als Ergebnis des militärischen Drucks und diplomatischen Engagements Washingtons dar und dankte Trump. Der US-Präsident legte auf seiner Reise in den Nahen Osten trotz dieser Entwicklungen keinen Halt in Israel ein – weder vor noch nach den Visiten in Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). In Riad nannte Trump die diese Woche gestartete israelische Offensive im Gazastreifen dann ein »sinnloses Unterfangen«, das unnötig den Wiederaufbau erschwere.

 

Worum geht’s wirklich?

Das Verhältnis zwischen Donald Trump und Benyamin Netanyahu ist von Opportunismus geprägt – und bleibt damit zuweilen ebenso wechselhaft wie die öffentlichen Aussagen des US-Präsidenten zum Gaza-Krieg. Immerhin war Netanyahu der erste ausländische Staatschef, den Trump kurz nach Beginn seiner zweiten Amtszeit Anfang dieses Jahres im Weißen Haus empfing. Eben dort präsentierte der US-Präsident die Vision einer »Riviera des Nahen Ostens« und gab damit den Plänen der Regierung Netanyahu zur Zwangsvertreibung sämtlicher Einwohner des Gazastreifens Rückendeckung. Im gleichen Atemzug kündigte Trump dabei aber an, den Gazastreifen unter US-Kontrolle zu stellen – und eben nicht israelische. Auch wenn er seitdem diesen Anspruch weder untermauert noch wiederholt hat, war er mit den Israelis wohl nicht abgesprochen und dürfte die israelische Delegation in Washington zumindest überrascht haben.

 

Zu diesem Zeitpunkt war Netanyahu wieder enger an Trumps Seite gerückt. Denn nachdem beide während Trumps erster Amtszeit noch gemeinsam den Abschluss der Abraham-Abkommen präsentiert hatten, verschlechterte sich ihr Verhältnis in erster Linie aus einem Grund: Netanyahu hatte 2020 Joe Biden zur Wahl zum Präsidenten gratuliert. Doch der israelische Premier erkannte, dass Trumps Chancen auf eine Rückkehr ins Weiße Haus gut standen, stattete ihm im Juli 2024 einen Besuch in Mar-a-Lago ab und verschaffte sich durch die Loyalitätsbekundung einen vermeintlichen strategischen Vorteil.

 

Auch wenn Trump etwa der israelischen Kriegsführung in Gaza keinerlei Grenzen setzt und auch die jüngsten Rüstungslieferungen nicht an Bedingungen geknüpft hat, leistet er den Plänen der israelischen Regierung nicht zwingend immer Gefolgschaft. So etwa im Umgang mit Iran. Trump hat die Gespräche mit Teheran gegen den Willen Israels wieder aufnehmen lassen und den Israelis wohl auch signalisiert, dass die Amerikaner keine Waffenhilfe durch die am Golf stationierten US-Kräfte leisten werden, sollte die israelische Luftwaffe die iranischen Atomanlagen ins Visier nehmen. Tatsächlich nutzte Trump seine Reise an den Golf, um die vermeintliche Fortschritte in den Verhandlungen mit Iran zu vermelden – ohne Israel dabei zu erwähnen. Dagegen hoben die USA die Sanktionen gegen Syrien auf, ohne dass Übergangspräsident Ahmad Al-Sharaa sich dafür zum Beitritt zu den Abraham-Abkommen verpflichten musste.

 

Wie geht es weiter?

So erratisch Donalds Trump auch in seiner zweiten Amtszeit auftritt, so deutlicher wird, was dem US-Präsidenten im Nahen Osten wichtig ist: Ein Umfeld, dass es ihm erlaubt, sich zu bereichern und zugleich ein Geschäftsklima schafft, das Absatzmärkte für US-Unternehmen schafft und Investitionen ins eigene Land holt. Eben diese Vision verkauftem ihm auf der Nahostreise die Golfstaaten, verbunden mit dem Eindruck, dass die Voraussetzung für diese Geschäftsmöglichkeiten geopolitische Stabilität und Frieden sind. Selbst Iran, die Huthis und die Hamas sendeten entsprechende Signale an Trump. Der wiederum fand Anfang des Monats auch abermals lobende Worte für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

 

Allen gemein ist die Absicht, sich deutlich von Benyamin Netanyahu abzusetzen, der so nicht nur als destruktive Kraft in der Region dasteht, sondern als Hindernis für eben jene wirtschaftlichen Aussichten, auf die Trump auf seiner Reise an den Golf einen Vorgeschmack bekam. Zwar bemühte sich das Weiße Haus zu betonen, dass Trumps Nahostreise auch im Interesse Israels sei. Doch gerade die bevorzugte Behandlung beim Zugang zu Spitzentechnologie in der Rüstung, in der Fachsprache als Qualitative Military Edge bekannt, ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr.

 

Nicht zuletzt auch, weil die Golfstaaten auch bereit sind, dafür tief in die Tasche zu greifen. Zwar hat Trump mit Mike Huckabee einen zutiefst ideologisch motovierten Botschafter für Israel ernannt. Dennoch betrachtet er Israel eben auch explizit durch das Prisma des wirtschaftlichen Nutzens. Israel hat nun eine eigene und zunehmend exportorientierte Rüstungsindustrie aufgebaut. Dennoch ist man auf Waffenlieferungen aus den USA angewiesen – und ist damit aus Trumps Sicht ein Partner, der ständig bezuschusst werden muss und damit ein Minusgeschäft.

 

Gerade beim Thema Handel stieß auch Netanyahu zuletzt an seine Grenzen und konnte wenig Vorteil aus der Loyalität zu Trump schlagen: So war der israelische Premier im April nur wenige Tage nach Verkündung weltweiter Zollaufschläge abermals zu Gast in Washington. Obwohl der bilaterale Warenverkehr seit 1985 durch ein Freihandelsabkommen geregelt ist, verhängte Trump gegen Israel einen Importzuschlag von 17 Prozent und wies Netanyahu an, doch das Handelsdefizit mit den USA auszugleichen. Obwohl das Inkrafttreten der meisten Zölle erneut auf Juli verschoben wurde, ist Netanyahu in den Zollverhandlungen mit den USA noch kaum einen Schritt vorangekommen.

Von: 
Christina Hensel

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.