Er spielt Gitarre fast wie Santana und versteht Angela Merkel.
Erst war Gurbanguly Berdimuhamedov Leibdentist von Saparmurat Niyazov, des Herrschers von Turkmenistan – der nannte sich Turkmenbashi, »Führer aller Turkmenen«. Und weil Berdimuhamedov ein guter Zahnarzt war, wurde er Leibarzt, und weil er ein guter Leibarzt war, Gesundheitsminister, und als guter Gesundheitsminister 2006 nach dem Tod Niyasovs Präsident?
So einfach ist das nicht. Die Verfassung sah den Parlamentspräsidenten als Übergangspräsidenten vor, doch der ging in den Knast, als der Turkmenbashi starb. Wie viele andere. Berdimuhamedov übernahm die Macht und gibt sie nicht mehr her. Er füllt Gefängnisse und lässt auch manchmal abstimmen. Sein Ergebnis bei den Wahlen 2017: 97,7 Prozent aller Stimmen.
Sylvia Reed Curran, damals höchste amerikanische Diplomatin im Land, mailte 2009 ins State Department, Berdimuhamedov sei ein »geübter Lügner« und ein »guter Schauspieler«. Weiter stand in der via Wikileaks enthüllten Mitteilung: »Berdimuhamedov mag keine Menschen, die klüger sind als er. Und da er kein besonders aufgeweckter Kerl ist, erregen ziemlich viele Menschen sein Misstrauen.«
Die Liebe des 61-Jährigen gilt der Musik und dem Sport. Oder vielleicht besser sich selbst. Regelmäßig veröffentlicht er Videos, die ihn beim Sport zeigen, immer allein: beim Hanteltraining, beim Kicken und Tischtennis gegen die Wand.
DIE GITARRE
Wenn Gurbanguly Berdimuhamedov auftritt, spielt er richtig gute Gitarrensoli, er kann das wirklich. Doch der Präsident ist auch Bandplayer und lässt andere Musiker glänzen. Vor allem der Schlagzeuger haut rein, als wäre er in der Muppet-Show. Die Auftritte werden auf allen Kanälen des Staatsfernsehens gezeigt. Zu sehen ist ein Herrscher, den Musik wirklich entspannt. Wenn er von Schönheit und Freude singt, gibt das dem Titel seiner Autobiografie »Vogel des Glücks« zusätzliche Bedeutung. Sein Gesicht, wenn er Saiten zupft, wirkt ekstatisch. Das kann man nicht spielen.
DIE STADT AM MEER
Die rege Bautätigkeit in Turkmenistan ist wegen des Leerstandes vielleicht nicht sinnvoll, aber sie schafft Arbeitsplätze. Berdimuhamedov ließ Avaza am Kaspischen Meer als Touristenmetropole hochziehen, doch die Hotels sind einsam. Die Freilichtbühne im Meer mit Blick zu den Tribünen am Ufer erinnert an die Bodenseebühne in Bregenz, hat eine Videoleinwand in Form eines Segels und Wasserfontänen, die die Sicht der Zuschauer zur Bühne behindern. Hier klatschte der Präsident begeistert, als Jennifer Lopez ihm 2013 ein Geburtstagsständchen sang. Für den Auftritt in Avaza mit acht muskulösen Tänzern bekam sie 1,4 Millionen US-Dollar. Sie war ein Geschenk der China National Petroleum Corporation an Berdimuhamedov. Nach Kritik von Human Rights Watch sagte J-Lo, sie wäre nie aufgetreten, hätte sie geahnt, wie Berdimuhamedov Menschenrechte verletze. Dabei hatte die Schauspielerin Tränen in den Augen.
DER ZUCKER
Sein Vorgänger war der Führer aller Turkmenen, auch Berdimuhamedov ließ sich einen Titel geben: »Arkadag«, der Beschützer. Häufig wird er gesehen, wie er gierig Cola aus der Flasche trinkt. Für einen Zahnarzt ist das kariesfördernde Getränk eigentlich unpassend. Doch der Herrscher ist Diabetiker und benötigt schnell Zucker im Blut, wenn er unterzuckert ist. Cola liefert. Regelmäßig kommt sein Vertrauter unangekündigt in die einzige zentralasiatische Coca-Cola-Abfüllanlage im Nachbarstaat Usbekistan und holt Hunderte kleine Flaschen ab. Die nimmt er nach dem Zufallsprinzip vom Band. Wohl aus Sicherheitsgründen. Der Arkadag will nur Glasflaschen, 0,33 Liter. Kein Plastik, keine Dosen!
DIE PFERDE
Der Präsident ist Pferdenarr, reitet die Rennen seines Landes. Gewinnt alle, selbst wenn er vom Pferd fällt wie im Frühjahr 2013. Eigentlich fiel er nicht, vielmehr fiel das Pferd namens Berkar mit ihm darauf nach dem Zieleinlauf um. Sofort sammelte der Geheimdienst alle Handys der vielen Tausend Zuschauer ein und löschte Videos und Fotos. Dennoch landete der Pferdeunfall auf Youtube. Ein Bestseller des Herrschers heißt: »Akhal-teke« – Pferde: Unser Stolz und unsere Herrlichkeit«. Akhal-Tekes gelten als zäh. Ihr Fell glänzt metallisch gelb. Sie werden »Goldene Pferde« genannt. Die Goldenen Horden stürmten auf Akhal-Tekes aus Zentralasien nach Europa. Stalin versuchte die Rasse und damit den turkmenischen Nationalstolz auszurotten. Er befahl Massenschlachtungen. Doch die Turkmenen versteckten einige, und als 1960, nach Stalins Tod, bei den Olympischen Spielen in Rom der Russe Sergei Filatow die Dressur-Goldmedaille auf einem Akhal-Teke gewann, wurde die Rasse populär. Versandhändler Josef Neckermann aus Deutschland war in Rom Dritter geworden, dann kaufte er turkmenische Pferde und wurde schließlich doch noch Olympiasieger. Das Land feiert den »Tag des Turkmenischen Pferdes«. Es gibt ein eigenes Pferdeministerium. Anfang 2017 wurde die Zahl der Akhal-Tekes in staatlichen Gestüten auf 8.000 geschätzt.
DIE YACHT
Der Präsident wollte eine Yacht, größer als die von Roman Abramowitsch. Das war die Vorgabe. Eine russische Firma ließ ihm in Italien für 60 Millionen Euro eine bauen. Die Schiffsbauer musste ihm aber erst mal erklären, dass eine Yacht von mehr als 150 Metern Länge auf den Kanälen in Turkmenistan nicht fahren kann. So musste sich Berdimuhamedov mit 59 Metern begnügen. »Galkynysh« heißt das Boot – Wiedergeburt. Monatelang lag die Yacht in Turkmenistan und keiner konnte sie anlassen oder mit ihr losschippern. Also heuerte der Staat eine teure schwedische Mannschaft an, um den Präsidenten durch die Kanäle ins Kaspische Meer zu bringen.
DAS GELD
Die Deutsche Bank ist seit 1994 für den Staat aktiv, bekam auch die Konten der Zentralbank Turkmenistans. Oder anders: Die Deutsche Bank übernahm in Turkmenistan die Aufgaben, die in Deutschland die Bundesbank übernimmt. Das Geld auf den Konten war aber dem Staatshaushalt entzogen, es ist quasi Privatbesitz des Präsidenten. Wo die Milliarden herkamen, ist unklar. Nahe liegt, dass sie mit Erdgas verdient wurden. Der Deutschen Bank konnte offiziell kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Korruption und Geldwäsche hätten stattgefunden, bevor die Bank das Geld auf die Konten nahm, schrieb ein US-Diplomat.
DIE KANZLERIN
Gurbanguly Berdimuhamedov spricht kein Englisch. Aber Deutsch. Das macht es für deutsche Firmen aber nicht leichter. Ausnahme ist die Deutsche Bank. Einer Analyse eines Moskauer Thinktanks zufolge gilt das auch für Angela Merkel. Kurz bevor Berdimuhamedov 2018 nach Berlin zum Staatsbesuch kam, veröffentlichte er aber ein Video, in dem er auf Deutsch singt. Unter anderem: »Schöne Blumen überall – Lass uns leben heute Abend – Wie die Sonne und der Mond«. Dabei spielt er Piano und lächelt zuckersüß.
