Saudi-Arabien möchte den Krieg im Jemen hinter sich lassen. Doch die Angriffe der Huthis im Roten Meer drohen die Friedensgespräche auszuhebeln.
Der Konflikt im Jemen begann offiziell im Jahr 2015 und wird oft als ein von Iran angeheizter Stellvertreterkrieg angesehen. Doch diese Sichtweise überdeckt die mannigfaltigen Gesprächskanäle zwischen Saudi-Arabien und den Huthis, die schon seit Ausbruch der Feindseligkeiten bestehen. Allerdings gestalten sich die Friedensverhandlungen seit dem 7. Oktober immer komplizierter. Vor allem Saudi-Arabien muss seinen Kurs sorgfältig austarieren: Riad muss angesichts der Huthi-Angriffe im Roten Meer neben der Lage an der eigenen Südflanke nun auch die regionale Sicherheitsarchitektur in den Blick nehmen.
Trotz erster Hoffnungsschimmer seit Eintreten des Waffenstillstands 2021 sind die Friedensgespräche zwischen Saudi-Arabien und den Huthis im Jemen ins Stocken geraten. Die jüngsten Angriffe der Miliz im Roten Meer haben den Optimismus hinsichtlich eines dauerhaften Abkommens gedämpft. Diese Wendung der Ereignisse hat die saudische Position verhärtet und ihr Verständnis für die Huthi-Strategien gestärkt. In einer Pressemitteilung unterstrich der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman (MBS) die Warnungen Riads an Washington vor der Bedrohung durch die Huthis und drückte seine Frustration über den Mangel an robuster amerikanischer Unterstützung in früheren Phasen des Konflikts aus.
Auf den ersten Blick erscheinen die Huthi-Angriffe im Roten Meer irrational
Obwohl MBS weitere US-Operationen gegen die Huthis nicht ausschließt, warnt er vor Handlungen, die die Sicherheit Saudi-Arabiens gefährden oder den Friedensprozess gefährden könnten. Riads aktueller Fokus liegt auf dem Rückzug aus dem Jemen-Konflikt – ein Schritt, der nach Jahren des Krieges die erzielten Fortschritte bewahren soll. Das Königreich möchte sich nicht ohne Not in einen weiteren unlösbaren Konflikt mit den Huthis hineinziehen lassen.
Auf den ersten Blick erscheinen die Huthi-Angriffe im Roten Meer irrational. Denn die Miliz untergräbt so die Bestrebungen, auf Grundlage der Friedensverhandlungen mit Saudi-Arabien auf diplomatischem Parkett weiter um Anerkennung als legitime Regierung des Jemen zu werben. Doch der israelisch-palästinensische Konflikt bleibt ein äußerst wichtiges Thema im globalen Süden – auch im Jemen, wo regelmäßig Solidaritätskundgebungen abgehalten werden. Trotz der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage in den von den Huthi kontrollierten Gebieten demonstrieren viele Jemeniten weiterhin Unterstützung für Palästina. Aus diesem Grund haben die Huthis die Friedensverhandlungen aufs Spiel gesetzt: Um die Rückendeckung im Innern zu stärken und in der Region an Profil zu gewinnen.
Trotz dieser Entwicklungen der vergangenen Monate hat Saudi-Arabien sich dafür entschieden, zu den Angriffen weitgehend zu schweigen – vielleicht, weil man immer noch auf eine Einigung mit den Huthis hofft. Eine wichtige, aber dennoch überraschende Kontaktperson in diesem Zusammenhang ist Muhammad Abd Al-Salam, der offizielle Sprecher der Huthis. Abd Al-Salams Vater war ein bekannter jemenitischer Gelehrter, dessen Status als religiöse Autorität eine Vertrauensbasis für informelle Gespräche mit Saudi-Arabien begründet.
Der Jemen-Krieg bindet aus Riads Sicht zu viele Ressourcen und läuft den langfristigen Zielen des Königreichs entgegen
Seit 2015 führen Saudi-Arabien und die Huthis über Muhammad Abd Al-Salam und andere Hinterzimmerkanäle sporadisch Friedensgespräche. Diese Bemühungen wurden jedoch mehrfach untergraben: erst durch das Bündnis der Huthis mit Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh (das Saudi-Arabien ablehnte), dann durch den Einfluss Irans auf die Huthis. Tatsächlich waren die Huthis damals politisch weit verwundbarer als heute. Auch aus diesem Grund stimmten sie im zweitem Kriegsjahr einem Waffenstillstand zu, von dem sich die von Saudi-Arabien geführte Koalition wohl ein schnelles Ende des Kriegs erhofft hatte.
Doch in der Folge kippte das Kräfteverhältnis: Finanzielle, militärische und nachrichtendienstliche Unterstützung durch Iran eröffneten den Huthis neue Möglichkeiten. Diese Kapazitäten halfen der Miliz dabei, umfangreich zu rekrutieren und so erhebliche Geländegewinne zu verzeichnen. Mittlerweile haben sich die Huthis in einem Maße professionalisiert, dass sie ihre Operationen mit minimaler Unterstützung aus Iran durchführen. Diese Schlagkräftigkeit veranlasste Saudi-Arabien dann auch dazu, Schritte in Richtung Friedensgespräche zu unternehmen.
Tatsächlich bestehen für die Huthis kaum Anreize, aus ihrer Position der Stärke sich auf Konzessionen in Verhandlungen mit Saudi-Arabien einzulassen. Das Königreich wiederum hat seinen strategischen Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verlagert. Die »Vision 2030« braucht geopolitische Stabilität, nicht zuletzt um Investitionen aus dem Ausland anzuziehen. Der Jemen-Krieg bindet aus Riads Sicht zu viele Ressourcen und läuft den langfristigen Zielen des Königreichs entgegen.
Iran ist sich des strategischen Vorteils bewusst: Im Gegensatz zu Saudi-Arabien spielt die Zeit Teheran in die Hände
Ein weiterer wichtiger Faktor, der Saudi-Arabien dazu veranlasst, seine Rolle im Jemen zu überdenken, ist die Unzuverlässigkeit seiner jemenitischen Verbündeten, insbesondere der Islah-Partei, des Ablegers der Muslimbruderschaft im Jemen. Im Gegensatz dazu haben der von den VAE unterstützte »Übergangsrat des Südens« (STC) und die Amaliqah-Brigaden größere Erfolge im Kampf gegen die Huthis vorzuweisen. Dieses Ungleichgewicht sowie die Erfolge der Huthis auf dem Schlachtfeld haben dazu geführt, dass Saudi-Arabien seine Position als Führungsmacht der Koalition neu bewertet.
Die bilateralen Friedensbemühungen nahmen ab 2021 an Fahrt auf, wenn auch hinter verschlossenen Türen. Dass sie durch ein Datenleck ans Licht kamen, sorgte beim Hardliner-Flügel der Huthis ebenso für Unmut wie bei den Vereinigten Arabischen Emiraten – die bei den Geheimverhandlungen außen vor geblieben waren.
Iran und die Huthis verbindet in strategischer Hinsicht weiterhin das Ziel, den Nordwesten Jemens vollständig unter Kontrolle zu bringen. Iran begrüßt grundsätzlich erfolgreiche Verhandlungen – solange die im Einklang mit den eigenen Interessen stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird Teheran die Huthis dazu drängen, bei ihren Forderungen standhaft zu bleiben. Iran ist sich des strategischen Vorteils bewusst: Im Gegensatz zu Saudi-Arabien spielt die Zeit Teheran in die Hände.