Ägyptens Präsident geht auf außenpolitischen Konfrontationskurs: Nach den Drohungen gegen Äthiopien in der Nilwasserfrage ruft Muhammad Mursi zum Dschihad in Syrien auf und eine Konferenz ein – und verprellt die eigenen Diplomaten.
Während im Westen über Pro und Contra von Waffenlieferungen an die Rebellen im syrischen Bürgerkriegsland nach 93.000 Toten gestritten wird, konzentrieren sich die Betrachtungen zur arabischen Position auf den Konflikt meist auf die Golfstaaten. Bekannt sind die Waffenlieferungen und finanziellen Unterstützungen Katars oder Saudi-Arabiens, kaum zu überhören war jedoch bisher vor allem das beharrliche Schweigen der Nachbarländer und der Schwergewichte in der Arabischen Liga. Doch nun prescht Ägypten mit einer eigenen Version einer Syrien-Konferenz vor. Islamistische politische und religiöse Kräfte luden am vergangenen Samstag in das 20.000 Leute fassende Kairoer Stadion zur Konferenz unter dem Titel »Unterstützung der syrischen Revolution«.
Vor vollbesetzten Rängen verschrieb sich Präsident Muhammad Mursi der Solidarität mit Syrien: »Das ägyptische Volk und seine Armee werden die Syrer nicht alleine lassen, solange ihre Rechte nicht gesichert sind und bis eine neue politische Führung gewählt worden ist«, so Mursi. Und dann legte er das gesamte außenpolitische Repertoire nach: Abzug des ägyptischen Botschafters aus Damaskus, Schließung der syrischen Botschaft in Kairo, Abbruch aller diplomatischen Beziehungen mit Syrien, Aufruf zu einer Notfallsitzung der Arabischen Liga. Doch Mursi ging sogar noch weiter. Einen Tag nachdem die USA eine Flugverbotszone in die Diskussion gebracht hatten, appellierte der Präsident nun an die Weltmächte, wie in Libyen eine solche Zone einzurichten. Kleiner Widerspruch: Er sprach sich vehement gegen ausländische Intervention in Syrien aus – meinte damit wohl aber nur eine schiitische Intervention.
Populistisches Kalkül statt regionaler Konfliktlösung
An diesem Punkt setzt die ideologische Unterfütterung an, die die Konferenz gleich mitlieferte. Scheich Mohammed Hassan und Scheich Mohammed Abdel-Maqsud riefen alle Sunniten zum »Dschihad gegen die Ungläubigen und Schiiten in Syrien« auf. Assad und seine schiitischen Verbündeten schlachteten Sunniten ab, daher sei es notwendig, den Dschihad auszurufen und alle jungen Männer aufzufordern, nach Syrien in den Krieg zu ziehen. Ähnlich äußerte sich auch einer der einflussreichsten Geistlichen Ägyptens mit bekannter Show auf Al-Jazeera, Scheich Jusef Al-Qaradawi: »Wie können 100 Millionen Schiiten weltweit 1,7 Milliarden Sunniten besiegen? Nur weil die Sunniten schwach sind.« Deshalb müsse man nun die Sunniten gegen den »Satan Iran« verteidigen. Damit wäre dann der regionale Diskurs von Schiiten gegen Sunniten perfekt.
Mursi steigt also ein in das Konzert vom großen Krieg der Schiiten und Sunniten – und schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits stellt er sich direkt hinter Saudi-Arabien, das den Syrienkonflikt von Anfang an als schiitisch-sunnitischen Konflikt gesehen hat, um die Rivalität mit Iran darauf zu projizieren. Andererseits stimmt Mursi einen Tag, nachdem Obama Waffenlieferungen an die syrische Opposition beschlossen hat, in die Kriegserklärung an Baschar Al-Assad mit ein – und versucht mit der Forderung nach einer Flugverbotszone die USA noch zu übertreffen. Doch offensichtlich geht Mursis sehr simple Art von außenpolitischem Populismus nicht auf. Die Opposition kritisierte den offensichtlichen Versuch, durch Aufruf zum Dschihad gegen Schiiten und Solidaritätsbekundungen mit Syrien auf Stimmenfang zu gehen – und von den angekündigten Protesten anlässlich seines einjährigen Dienstjubiläums am 30. Juni abzulenken.
Andere kritisieren sein Anbiedern an die USA durch die Übernahme der amerikanischen Positionen in Punkto Syrien. Und auch in den eigenen Reihen stößt der Präsident auf Kritik. Offenbar hatte Mursi die pompös ausgerufene Syrien-Konferenz nicht mit seinem außenpolitischen Stab abgesprochen. Ägyptische Diplomaten sollen vor Wut gekocht haben, als sie erfuhren, dass Mursi die Beziehungen zu Syrien abbricht und gegen Schiiten und den Iran hetzt. Mühsam hatte man doch erst im vergangenen Jahr den »Vier-Länder-Mechanismus«, bestehend aus Iran, Saudi-Arabien, Türkei und Ägypten, ins Leben gerufen, um so eine stabile Lösung für Syrien auszuhandeln. Weil Mursi sich nun verspricht, die Unterstützung aus Washington zu sichern, werden die wichtigen Beziehungen zu Iran leichtfertig aufs Spiel gesetzt.