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Öl in Äquatorialguinea

Fragwürdige Verheißungen

Analyse

Das an Öl reiche Äquatorialguinea will seine Wirtschaft diversifizieren. Doch der autokratische Staatschef verschreckt manchen Investor mit erratischen Entscheidungen und nutzt den Reichtum des Landes vor allem für Prestigeprojekte.

»Wir garantieren ein günstiges Investitionsklima in unserem Land, es gibt kein Risiko für ausländische Investoren«, warb Staatspräsident Teodoro Obiang Nguema Mbasogo persönlich. Die Beteiligung ausländischer Unternehmen sei wesentlich für die Verwirklichung des nationalen Industrialisierungsplans. Erklärtes Ziel des Plans ist es, bis zum Jahr 2020 vor allem mit Hilfe von Landwirtschaft, Tourismus, Bergbau und Gesundheit zum Schwellenland aufzusteigen. Konkrete Maßnahmen und Projekte würden in den nächsten Monaten entwickelt und der Öffentlichkeit präsentiert, kündigte der Präsident an. Große internationale Aufmerksamkeit erregten die erste Industrialisierungskonferenz Äquatorialguineas, bei der Obiang im Herbst so vehement um Direktinvestitionen warb, dennoch nicht.

 

Obiang ist nicht nur der dienstälteste, sondern auch einer der umstrittensten Herrscher Afrikas. Er hält sich an der Macht, seit er vor 33 Jahren gegen seinen Onkel Francisco Macías Nguema putschte, um dessen Schreckensherrschaft zu beenden. Fünf Mal wurde Obiang bereits gewählt, offiziell stets mit 95 Prozent oder mehr. Die Menschen auf den Straßen tragen T-Shirts mit seinem Konterfei.

 

»Die Straßen werden zwar jedes Jahr breiter und zahlreicher«, sagt ein westlicher Diplomat, der das Land seit Jahren kennt, »aber für die Bevölkerung hat sich nur wenig geändert.«  Menschenrechtsverletzungen, Folterungen, Korruption sind an der Tagesordnung. Die Bevölkerung lebt seit Jahrzehnten in ständiger Angst. Infolge mehrerer Mordversuche an Obiang gelten massive Sicherheitsvorkehrungen. Nachdem 2009 Bewaffnete beim Versuch festgenommen wurden, den Präsidentenpalast vom Meer aus zu stürmen, wurden sogar Motorboote vor der Küste verboten – mit der Folge dass selbst die Fischer kaum mehr Chancen auf ein ordentliches Auskommen haben.

 

In den USA wird gegen den Familienclan seit Jahren wegen Korruption ermittelt

 

Ausländische Investoren zeigen durchaus Interesse an dem zentralafrikanischen Land, denn Geld für eine Diversifizierung der Wirtschaft ist vorhanden, seit vor zwanzig Jahren der Erdöl-Export aufgenommen wurde. Damals lag das Pro-Kopf-Einkommen noch bei 300 US-Dollar. Inzwischen beträgt es das Fünfzigfache und ist mit Abstand das höchste im ganzen subsaharischen Afrika. Ein Großteil der Bevölkerung lebt dennoch weiter in absoluter Armut.

 

Die Öl-Einnahmen füllen indes die Taschen der Familie Obiang und einiger Regierungsmitglieder. Das Vermögen des 69-jährigen Präsidenten wird auf 700 Millionen US-Dollar geschätzt. Vergangenes Jahr ließ sich der für seine Luxus-Sucht bekannte Agrarminister und Präsidentensohn Teodoro – genannt Teodorín – von einer deutschen Werft eine 380 Millionen US-Dollar teure Yacht entwerfen. Es wäre die zweitgrößte gewesen, die jemals gebaut wurde. In einem Land, dessen Bevölkerung mehrheitlich in bitterer Armut lebt, sei das obszön, kritisierten Menschenrechtler. Regierungskreisen zufolge verlor Teodorín Obiang schließlich das Interesse an der Yacht und ließ sie deshalb doch nicht bauen.

 

In den USA wird gegen den Familienclan seit Jahren wegen Korruption ermittelt. Im November wurden Vermögenswerte von Obiang Junior für 70 Millionen US-Dollar beschlagnahmt. Dabei waren es gerade US-Firmen wie ExxonMobil und Hess, die den Öl-Boom in den 1990ern befördert haben und bis heute kräftig mitverdienen. Auf zwölf Milliarden US-Dollar sollen sich die US-Investitionen in Äquatorialguinea derzeit summieren. Selbst US-Präsident Barack Obama kam deshalb 2009 nicht umhin, Staatschef Obiang im Weißen Haus zu empfangen.

 

Genau nach solchen Momenten trachte Teodoro Obiang, glaubt Fritz Kronenberger, der für die deutschen Marseille-Kliniken AG mehrere Monate in Äquatorialguinea arbeitete. Die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft sei einem autokratischen Machthaber wie Obiang am wichtigsten. Auch der Industrialisierungsplan diene eher der internationalen Aufwertung des Landes als dem Wohle der Bevölkerung.

 

»Der Flughafen wurde mitten in den Tropenwald gebaut«

 

Die Präsenz internationaler Marken und Unternehmen wie Hilton, Sofitel, PricewaterhouseCoopers und Société Generale fördert das internationale Ansehen des Landes. Auch China ist ein wichtiger Partner, seit einigen Jahren intensivieren sich die Beziehungen beider Länder massiv: Besonders im Hoch- und Tiefbau sind – wie überall in Afrika – chinesische Firmen aktiv. »Die Chinesen arbeiten schnell und billig und stellen keine Fragen nach Menschenrechten«, sagt der landeskundige Diplomat.

 

Als viertgrößter Erdöl-Exporteur Afrikas taucht Äquatorialguinea auch in der deutschen Rohstoffstrategie auf. 2009 beteiligte sich E.ON Ruhrgas als Investor an einer Flüssiggasanlage, ein Jahr darauf wurde eine deutsche Botschaft in der Hauptstadt Malabo eröffnet. Mittlerweile hat sich E.ON-Ruhrgas wieder aus dem Land zurückgezogen.

 

Auch für die Marseille-Kliniken war das Äquatorialguinea-Engagement von kurzer Dauer. Unternehmensgründer Ulrich Marseille hatte eigentlich schon einen Auftrag für den Betrieb der Privatklinik »Centro Medico la Paz« in der Tasche. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher, ein FDP-Parteifreund des Unternehmers, hatte ihn dem Präsidenten auf dessen Geburtstagsfeier vorgestellt. Nach Darstellung des Unternehmens war der Aufbau des Gesundheitswesens im ganzen Land vorgesehen. Doch die Regierung habe sich über den Tisch gezogen gefühlt und den Vertrag nach einigen Monaten wieder gekündigt, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter der Marseille-Kliniken. Das Unternehmen selbst äußert sich zu dem Vorgang nicht.

 

Für den jährlichen AU-Gipfel ließ der Präsident eine ganze Stadt aus dem Boden stampfen

 

Erfolgreicher war Dywidag International, eine Tochter des Kölner Baukonzerns Strabag, die seit 2006 im Osten des Landes für rund 270 Millionen Euro einen internationalen Flughafen errichtet. »Der Flughafen wurde mitten in den Tropenwald gebaut«, sagt Robert Wagner, der als Ingenieur  eines deutschen Subunternehmens vor Ort war. Grund für die Wahl des ungewöhnlichen Standorts sei die Nähe zum Geburtsort des Präsidenten gewesen. Ob jemals internationale Flüge hier landen werden, sei unklar. Dywidag brüstet sich dennoch damit, dass Obiang persönlich den Grundstein für den Airport gelegt habe.

 

Auch sonst mangelt es nicht an Großinvestitionen. Für den jährlichen Gipfel der Afrikanischen Union, deren Vorsitz Obiang 2011 ausübte, ließ er eine neue Stadt aus dem Boden stampfen – mit Konferenzzentrum, Luxus-Chalet für jeden der 52 afrikanischen Präsidenten und dem ersten Golfplatz des Landes. Im Januar wurde der Africa-Cup in zwei nagelneuen Stadien ausgetragen. Für den erwünschten Überraschungserfolg der heimischen Fußballmannschaft sorgten Millionen-Boni und die kurzfristige Einbürgerung fast der kompletten Mannschaft.

 

Der deutsche Kreditversicherer Euler Hermes glaubt den Verheißungen Obiangs trotzdem nicht und bleibt bei seiner Einschätzung: Kategorie D, hohes Investitionsrisiko – die schlecht möglichste Bewertung. Die festgefügten politischen Strukturen Äquatorialguineas werden sich auch durch die Verfassungsänderung vom November kaum ändern. Der Präsident darf demnach nur noch zwei Amtszeiten lang im Amt bleiben. Für Obiang gilt die Regelung aber erst ab der nächsten Wahlperiode; er kann deshalb noch bis 2030 weiterregieren.

Von: 
Romy Rösner

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