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Einstieg von Etihad bei Air Berlin

Kinnhaken aus Abu Dhabi

Feature

Aufholjagd oder Husarenstreich? Der Einstieg von Etihad bei Air Berlin hat viele Motive. Eines davon: Die Lufthansa angreifen, die damit kaum gerechnet hat.

»Was wollen die Super-Scheichs aus Abu Dhabi?« fragte Bild. Und Spiegel Online beruhigte: »Etihad hilft Air Berlin aus der Klemme«. Bei der Übernahme von 29,2 Prozent der Air-Berlin-Aktien durch die Airline Etihad aus Abu Dhabi entsteht vordergründig wieder einmal dieser Eindruck: Superreiche Scheichs kaufen sich in Deutschland eine Villa aus dem Katalog. Sie interessiert nicht wirklich, ob im Gemäuer der Schwamm steckt oder es in den Dachstuhl regnet.

 

Ein Risiko-Geschäft, das angesichts des dichten Streckennetzes von Air Berlin viel abwerfen, aber auch im Fiasko enden kann. Aber egal: Die Scheichs, so die landläufige Meinung, haben das Geld, und die klammen Deutschen nehmen es dankbar an. Tatsächlich bemühen sich die Verantwortlichen auf allen Seiten, diesen Schritt als beiderseitig profitable Partnerschaft darzustellen. Etihad war – allein schon in der Wahrnehmung europäischer Konsumenten – kaum bekannt und genoss eher den Ruf einer »Pseudo-Emirates«.

 

Das soll sich nun ändern, ähnlich wie Abu Dhabi, die Basis von Etihad, nicht mehr nur die Stadt neben Dubai ist – zumindest nicht mehr, seit das Emirat den verschuldeten Nachbarn in der Finanzkrise auslöste.

 

Abu Dhabi ist nicht mehr die Stadt neben Dubai

 

Aber neben Prestige und marktstrategischen Interessen steckt noch ein anderes Motiv dahinter: »Wir werden es der Lufthansa demnächst richtig zeigen« – diesen Satz hörte man schon vor Monaten von Airline-Managern in den Emiraten. Und wie genau diese Drohung zu verstehen war, ist nun deutlich geworden.

 

Freilich ist Politik im Spiel, wenngleich nicht alle Seiten,  diesen Einstieg Etihads bei Air Berlin auch als politische Geste wahrnehmen sollen: Es ist eine Kampfansage an die Lufthansa und die von ihr angeführte Star Alliance, wenn sich eine quasi-staatliche Airline mit dem einzigen halbwegs ernst zu nehmenden Konkurrenten auf dem deutschen Markt verbündet.

 

Bereits im Sommer kursierten in den Emiraten Gerüchte darüber, dass eine Airline aus den Golfstaaten bei Air Berlin einsteigen werde. »Jeden Tag eine andere Spekulation«, kommentierte damals ein hörbar genervter Air-Berlin-Sprecher eine diesbezügliche zenith-Anfrage.

 

Aus dem Emirates-Deal wurde nichts

 

Viele Beobachter hatten zunächst Emirates im Verdacht – seit Jahren versucht die Airline, mehr Landerechte in Deutschland und eine Konzession für Berlin zu bekommen. Als Air Berlin vor Monaten die Direktverbindung Berlin-Dubai ins Programm nahm, lag nahe, dass Emirates und Air Berlin ein Code Sharing für Verbindung von Deutschland über Dubai nach Asien anbieten würden.

 

Womöglich wäre das Air Berlin durchaus zu Pass gekommen, wenn Emirates einige Anteile übernommen hätte. Aber in Dubai fand man das offensichtlich zu riskant. Spätestens seit der Finanzkrise muss konsequent gewirtschaftet werden – politisches Backing für einen solchen Schritt konnte sich auch das Herrscherhaus nicht leisten, zumal es unter den kritischen Augen seiner Gläubiger agiert. »Zukäufe bringen nur Ärger« ließen Spitzenmanager von Emirates damals verlauten und verwiesen auf den Ausbau der eigenen Flotte.

 

Krieg mit Lufthansa wie eine »national cause«

 

Bemerkenswert war in den Emiraten zuletzt nicht nur das Interesse am deutschen Flugmarkt, sondern auch die immer offenere Feindseligkeit gegen die Lufthansa – und die kam nicht von ungefähr. Der Medien- und Lobby-Krieg, den sich Emirates mit dem deutschen Flagship-Carrier lieferte, nahm schon bizarre Züge an.

 

Lufthansa griff dabei zu besonders scharfen Worten – beging aber auch strategische Fehler: Ihre Manager und PR-Experten attackierten nicht nur Emirates, sondern die Golf-Airlines samt und sonders – vor allem mit dem Verweis, diese verzerrten den Wettbewerb durch ihre staatlichen Subventionen und gefährdeten damit deutsche Arbeitsplätze.

 

Der Verdacht liegt nahe, dass Lufthansa damit die Golf-Airlines, die sonst natürliche Rivalen sind, eher zusammenschweißte. Der Konkurrenzkampf mit Lufthansa und der von ihr angeführten Star Alliance wurde zumindest in den Emiraten fast eine »national cause«. Nun hat Etihad die Rolle des Frontmanns übernommen und den ersten Schlag platziert. Das Prinzip »Divide et Impera« hatten die Frankfurter vernachlässigt – spürbar, seit eine Annäherung zwischen Qatar Airways und der Star Alliance im Jahr 2008 gescheitert war.

 

»Wir züchten ein Monster!«

 

Die Golf-Airlines bleiben mächtige Rivalen, die sich aber wie Cousins benehmen. Sie lieben sich nicht sonderlich, greifen aber auch nicht gleich zu den Waffen, wenn sie Streit bekommen.

 

Wenn es um politisches Backing bei Streckenrechten geht, halten Etihad und Emirates auch mal zusammen. Das Thema Fusion ist noch nicht vollends vom Tisch – da beide Airlines derzeit eher erfolgreich sind, ist es jedoch vorerst in den Hintergrund gerückt. Also werden die Emirate also eines der wenigen Staaten mit zwei Flagship-Carriern bleiben.

 

Indes können sich Lufthansa und Emirates, die Erzrivalen, wohl weiter ungeniert um die prestigeträchtige Strecke Berlin-Dubai streiten. Emirates will sie, Lufthansa irgendwie nicht so richtig, da es ja die Verbindung über Frankfurt gibt. Der neue Berliner Flughafen BBI will wiederum Betrieb und Kundschaft – gleich wessen Flagship-Carrier hier die Passagiere bringt.

 

Immerhin hat Lufthansa im »Great Game« noch einen Verbündeten: Turkish Airlines kann – sofern dem zeitweise völlig überforderte Drehkreuz Istanbul nicht die Puste ausgeht – den Golf-Airlines bei Asien- und Nahost-Flügen Paroli bieten. Allerdings warnen einige Experten bei Lufthansa schon jetzt davor, dass man sich selbst ein Monster züchtet. Denn wenn »TK« weiter wächst und ihre Reichweite vergrößert, ist sie bald der größte Gegner – Star Alliance hin oder her.

Von: 
Daniel Gerlach

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