Lesezeit: 6 Minuten
Hamid Karzai und Korruption in Afghanistan

Held der Korruption

Feature

Wieder einmal steht Hamid Karzai wegen der grassierenden Korruption in seinem Land am Pranger, die den afghanischen Präsidenten nun zur Gegenwehr zwingt – nicht zuletzt wegen der anstehenden Geberkonferenz.

Am vergangenen Samstag, dem 23. Juni 2012, lud Hamid Karzai den US-amerikanischen und den britischen Botschafter überraschend zu einem Gespräch ein. Entgegen anfänglicher Spekulationen war das Hauptanliegen der Zusammenkunft nicht der Abzug der ISAF-Truppen 2014, sondern die Anti-Korruptionskampagne in den westlichen Medien gegen den Präsidenten. Afghanistan verfügt bisher noch nicht über die Mittel, seine Bodenschätze eigenverantwortlich zu fördern.

 

Deshalb schloss das Land einen Kooperationsvertrag mit dem staatlichen Unternehmen China National Petroleum Company. Darin verspricht das chinesische Staatsunternehmen, sämtliche Bergungs- und Produktionsarbeiten mithilfe einer ansässigen Gesellschaft umzusetzen und binnen 25 Jahren das afghanische Partnerunternehmen mit den erforderlichen Kompetenzen und Mitteln zur selbstständigen Ressourcennutzung auszubilden. Im Gegenzug erhält China National Petroleum Company den Zugriff zu schätzungsweise 160 Millionen Barrel Öl aus drei Feldern im Norden Afghanistans an der Grenze zu Usbekistan.

 

Auftragsvergabe an Karzais Cousins

 

Die Vergabe des 3 Milliarden US-Dollar umfassenden Öl-Deals an das afghanische Partnerunternehmen erfolgte an die Watan Oil and Gas Company. Die Gesellschaft steht unter der Leitung der berüchtigten Cousins des Präsidenten, Rashid und Rateb Popal. In den westlichen Medien wurde diese Vergabe im wahrsten Sinne des Wortes als Vetternwirtschaft angeklagt, da die Watan Oil Company von Anti-Korruptions-Aktivisten und Diplomaten als vertrauensunwürdig angesehen wird: Karzais Cousins werden beschuldigt, in der Vergangenheit Gelder des US-Fonds zur Bezahlung von Taliban-Kommandeuren missbraucht zu haben.

 

Zudem werden Rashid Popal Drogen-Geschäfte nachgesagt, weswegen er in den 1990er Jahren fast neun Jahre in einem New Yorker Gefängnis gesessen hat. Auch Hamid Karzais strategische Verbündete im Land kritisieren die Auswahl des Partnerunternehmens. Der berüchtigte usbekische General Rashid Dostum beklagt, dass die Projektleitung an Paschtunen aus dem südlichen Kandahar anstatt den in der Region ansässigen Usbeken vergeben wurde.

 

In Tokio muss Karzai Ergebnisse liefern

 

Die Negativschlagzeilen zwingen Karzai zur Stellungnahme: Bereits in der Sondersitzung des afghanischen Parlaments und des Justizministeriums im Juni 2012 sprach Karzai offensiv über radikale Reformen zur Bekämpfung von Korruption, Nepotismus und Stammeskonflikten. Auch in dem Gespräch am vergangenen Samstag versuchte Karzai die Wogen zu glätten und forderte indirekt das Ende der Anti-Korruptionskampagne in der britischen und amerikanischen Presse.

 

Vor allem angesichts der bevorstehenden internationalen Konferenz am 8. Juli in Tokio zur langfristigen zivilen sowie finanziellen Unterstützung der Staatengemeinschaft für Afghanistan drängt es den Präsidenten, den Image-Schaden zu korrigieren. Für die Fortsetzung der internationalen Entwicklungshilfe ist die afghanische Regierung verpflichtet, ihre Reformen mit konkreten Ergebnissen zu untermauern. Karzais kurzfristige Bestrebungen sind ein Versuch, eben diese Anforderungen zu erfüllen – und im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2013 seine Reputation wiederherzustellen.

Von: 
Moshtari Hilal und Johanna Mayrshofer

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.