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Hyper, hyper!

Hyper, hyper!

Feature

Der syrische Musiker Omar Souleyman hat den Dabke-Sound seiner Heimat ins 21. Jahrhundert gehoben. Jetzt wird man auch in Europa auf ihn aufmerksam.

Für die einen ist er eine altbekannte Koryphäe der syrisch-nahöstlichen Dabke-Tanzmusik, für viele andere ist er der neue Shootingstar der Weltmusik-Szene. Europa entdeckt in diesen Tagen die ausgeflippte Welt des Omar Souleyman und langsam erobert seine Musik die trendigen Plattenläden der Bundeshauptstadt. Auf seiner Europa-Tournee bespielte er im Dezember und Januar die bekannte Berliner Kulturbrauerei, wie auch kurdische Hochzeitsgesellschaften im beschaulichen Hildesheim.

 

Sein Auftreten hat Wiedererkennungswert – stets mit roter Kuffiya, langem Gewand, Schnauzer und dunkler Sonnenbrille heizt er mit ungelenken, fast schüchternen Bewegungen und dröhnender Stimme dem Partyvolk ein. Er ist Profi, hat hunderte Livemitschnitte veröffentlicht und ist doch kein ausgebildeter Musiker. Seine Lieder greifen heitere, mal belanglose, mal lyrische Themen und Aspekte verschiedenster Kulturen Nordsyriens auf. Sie sind sowohl in kurdischer als auch in arabischer Sprache verfasst, ohne dass dies für ihn ein Bekenntnis darstellen würde.

 

Selbst in diesen Monaten sei Politik kein Bestandteil seiner Kunst – in Interviews darauf angesprochen reagierte er stets zugeknöpft. Kritik am Assad-Clan ist von ihm nicht zu hören, was jedoch auch nicht seine Ausgabe sei, gibt er wiederholt zu bedenken. Eine Figur des Widerstandes ist Omar Souleyman nicht.

 

Orientalische Fantasien der Feuilleton-Redaktionen

 

Es ist nicht das einzige Missverständnis, dass er mit seiner neuen europäischen Fangemeinde zu haben scheint. Verzückt von der letztjährigen Kooperation mit der isländischen Sängerin Björk, porträtierten Souleyman unzählige Feuilleton-Redaktionen und Fernsehmagazine. Darüber, dass er sich selbst in vielen Darstellungen nicht mehr wiederfand, ihm die Deutungshoheit über sein Werk zu entgleiten schien, beklagte er sich zunehmend.

 

Als ihm ein deutsches Musikmagazin Religiosität attestierte, reagierte er mit Unverständnis. Auch den vielfach beschriebenen Brückenschlag zwischen orientalischer Folklore und europäischer Technobewegung, den er in Syrien erreicht haben soll, habe er nie nachvollziehen können. Für ihn entspringt auch seine elektronische Begleitung mit all ihren tonalen Vertracktheiten der orientalischen Musiktradition.

 

Jahrelang war er nicht mehr als eine lokale Berühmtheit, von Freunden und Bekannten überredet, auf deren Hochzeiten aufzutreten. Seinen Aufstieg zum gefragten Künstler von internationalem Rang hat er dem US-amerikanischen Produzenten Mark Gergis zu verdanken, dessen Weltmusik-Label Sublime Frequencies eine angesehene Adresse für unbekannte und vergessene Musikschätze aus entlegenen Ecken ist.

 

Mit »Highway to Hassake« brachte Gergis 2007 eine erste Kompilation von Souleymans Live-Auftritten außerhalb Syriens auf den Markt – und die Mischung aus Percussion, treibendem Sprechgesang und Synthesizerbegleitung, die billiger klingt, als sie tatsächlich zu spielen ist, schlug ein. Sein Erfolgsgeheimnis sei es, eine »Street Credibility zu haben, für die mancher Rapper töten würde«, wie ein Magazin schrieb. Starrsinnig genug, um sich aus all der Berichterstattung nichts zu machen, ist Souleyman. Gut so.

Von: 
Nils Metzger

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