Tamim Ibn Hamad Al Thani soll das Erbe des rasanten Aufschwungs in Katar sichern. Der anstehende Machtwechsel auf den 33-Jährigen Thronfolger wird das politische System und die Außenpolitik des Golfstaates allerdings kaum ändern.
Wer im Emirat Katar an die Macht kommen will, der muss den Mumm haben, ein eigenes Familienmitglied vom Thron zu putschen. Der in das seidene Gewand eines Emirs gehüllte gegenwärtige Diktator, Hamad Ibn Khalifa Al Thani, entmachtete seinen Vater Khalifa bin Hamad Al Thani, als der 1995 zur Sommerfrische im mondänen Genf weilte. Khalifa bin Hamad Al Thani indes hatte sich 1972 – ein Jahr, nachdem man die Unabhängigkeit von England erhalten hatte – an die Macht geputscht, indem er seinen Cousin Ahmad bin Ali bin Abdullah bin Jassim bin Mohammed Al Thani absetzte, während der mit seinen Lieblingsfalken im Iran Urlaub machte. Heute, so scheint es, sitzt Hamad Ibn Khalifa Al Thani fest im Sattel. Der Mann von drei Frauen, Vater von 27 Kindern und autoritärer Herrscher über den Kleinstaat Katar, der halb so groß wie Hessen und größter Flüssiggaslieferant der Welt ist. Seine Schatztruhen öffnet der Emir mit Vorliebe für Prestigeprojekte wie die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2022 oder Al-Jazeera; wenngleich der Nimbus des Satellitensenders im Zuge der einseitigen Berichterstattung im Zuge des Syrien-Konfliktes gebrochen ist.
Antagonistische Außenpolitik
Daneben beteiligt sich das wahhabitische Herrscherhaus – das Israel ein Büro eröffnen ließ, Haaretz-Journalisten zu Symposien einlädt und mit der »Al-Udeid US Air Force Base« über die längste Landebahn der arabischen Welt verfügt – einerseits an Nato-Einsätzen, wie jenem in Libyen, als eine katarische Spezialeinheit Muammar al-Gaddafis zentrales Palastareal Bab al-Aziziya im Zentrum von Tripolis stürmte, und bietet andererseits einem Hassprediger wie Youssef al-Qaradawi nicht nur ein luxuriöses Exil, sondern auch die Möglichkeit, seinen Sermon allwöchentlich über Al-Jazeera zu verbreiten. Kurzum: Das steinreiche Katar spielt auf allen Spiel- und Schlachtfeldern mit und avisiert mittelfristig eine Rolle als diplomatische Hegemonialmacht der arabischen Welt, die durch die zahlreichen Vermittlungsmissionen zwischen Sanaa und Beirut eindrucksvoll untermauert wird. Maßgeblich verantwortlich für die antagonistische Außenpolitik ist Hamad Ibn Khalifa al-Thani, der dadurch sicherlich auch den »großen Bruder« Saudi-Arabien ärgern möchte, in dessen Schatten man lange Zeit stand, zumal Riad auch noch nach dem geglückten Coup d'État von 1995 an seinem Vater festhielt.
Kehrt Frieden ein in die Putschistenfamilie?
Nach einem Bericht des Economist scheint sich nun aber eine Sensation anzubahnen. Nicht nur, dass erstmals Kritik an der wenig sinnhaften Syrien-Politik des Emirs »laut« wird oder an seiner Unterstützung für die Muslimbruderschaft am Nil, sowie dem repressiven Regime insgesamt, das weder Parteien noch Demonstrationen zulässt, von denen man mit Al-Jazeera andernorts ausführlich berichtet. Nein, das britische Blatt will erfahren haben, dass der Emir Überlegungen nachhängt, einem seiner Söhne die Macht zu übergeben – und damit abzudanken. Der Name: Tamim Ibn Hamad Al Thani, zweiter Sohn seiner zweiten Frau Mozah bint Nasser Al Misned, die im Ausland das »moderne Gesicht« dieses archaischen Herrschers geben darf.
Tamim Ibn Hamad Al Thani ist erst 33 Jahre alt, hat angeblich eine Vorliebe für Tennis und Alt-Persisch, ging in England zur Schule und anschließend als Kadett an die Militärakademie Sandhurst. Weniger modern und weltgewandt mutet indes das Familienleben des Prinzen und potentiellen Thronfolgers an. Mit seiner Frau teilt sich der vierfache Vater den eigenen Ur-Großvater. Ob Tamim Ibn Hamad al-Thani wirklich auf seinen Vater folgt, oder ob nicht doch dessen Cousin, Hamad Ibn Jassim Al Thani, der gegenwärtig Premier- und Außenminister ist, die Geschicke am Hofe von Katar übernimmt, weiß mit Sicherheit nur der Emir selbst, der für einen friedlichen Machtwechsel innerhalb der Putschistenfamilie sorgen könnte.
Auf den Punkt gebracht: Prinz Charming würde zwar als junges Gesicht international für Aufsehen sorgen, im Gegensatz zu Hamad Ibn Jassim Al Thani ist er indes kein Polit-Schwergewicht. Bislang hat er kaum Handfestes vorzuweisen: Er setzte Arabisch als erste Lehrsprache vor Englisch an den staatlichen Universitäten Katars durch und gilt als Unterstützer der libyschen Sektion der Muslimbruderschaft. Damit dürfte zumindest auch klar sein, dass Katar bei einem etwaigen Machtwechsel vom Vater zum Sohn keine Demokratie wird. Denn eines ist sicher: Nam quod in iuventus non discitur, in matura aetate nescitur.