Die SPD wirft der Regierung Versäumnisse in Syrien vor. Nun meldet sich ein FDP-Mann zu Wort, der sich in der Außenpolitik bisher eher zurückhielt: Wolfgang Kubicki.
Wolfgang Kubicki, Landesbaron der FDP in Schleswig-Holstein, will am 22. September 2013 für die Liberalen in den Bundestag einziehen – und bereitet seinen Wechsel nach Berlin vor. Am vergangenen Mittwoch äußerte sich Kubicki unter anderem zur deutschen Haltung in der Syrienfrage, zu Rüstungsexporten und der europäischen Flüchtlingspolitik. Gastgeberin dieses Treffens, dem neben einer Handvoll Journalisten auch der deutsch-syrische Arzt und Unternehmer Bassam Helou und die FDP-Europaabgeordnete Alexandra Thein beiwohnten, war die Deutsch-Arabische Gesellschaft in Berlin.
Kubicki kritisierte dabei besonders die sogenannte Drittstaatenregelung, nach der Flüchtlinge und Asylbewerber in dem EU-Land verbleiben müssen, in dem sie erstmalig europäischen Boden betreten haben. »Ich halte die Drittstaatenregelung für dringend reformbedürftig«, sagte Kubicki. Die Flüchtlinge sollten »die Möglichkeit haben, innerhalb Europas weiterzureisen, und nicht in Südeuropa bleiben müssen«. Durch eine Reform der Drittstaatenregelung würde die Zahl der Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, zwar massiv steigen.
Aktuelle Forderungen aber, mehr als das von der Bundesregierung beschlossene Aufnahmekontingent von 5.000 syrischen Flüchtlingen aufzunehmen, nannte Kubicki »menschlich nachvollziehbar«, jedoch »unrealistisch«: »Man muss immer die Aufnahmekapazitäten im Blick haben. In Schleswig-Holstein haben wir keine Kapazitäten mehr.« Es sei niemandem geholfen, »wenn wir in Deutschland Zeltstädte errichten«, so Kubicki. Besser solle man die Nachbarländer Syriens finanziell unterstützen, damit sie die Belastung schultern könnten.
Offener zeigt sich Kubicki gegenüber der Aufnahme geflohener syrischer Christen, die sich derzeit in Ägypten aufhalten und nach Medienberichten auch dort drangsaliert wurden: »Das ist ein besonderer Fall. Die religiös motivierte Verfolgung ist enorm und die Menschen können kein politisches Asyl beantragen«, sagte er. Deshalb halte er es für wichtig, dass Deutschland Visa-Erleichterungen für diese Menschen schaffe: »Wir können das rechtlich Mögliche nicht überschreiten, aber voll ausschöpfen.«
5 Tote für 35 Kilogramm Brot
Mehr als zwei Millionen Menschen hat der syrische Konflikt bereits aus dem Land getrieben – die Zahl der sogenannten Binnenflüchtlinge liegt um ein Vielfaches höher. Der aus Syrien stammende Arzt und DAG-Vizepräsident Bassam Helou beklagte im Gespräch mit Kubicki Versäumnisse in der humanitären Hilfe: Viele Menschen seien auch vor der wirtschaftlichen Not geflohen. Die internationale Gemeinschaft habe es versäumt, zu Beginn des Krieges auf die Konfliktparteien einzuwirken, damit diese humanitäre Hilfe zulassen.
»Der Preis der Hilfe sind heute Menschenleben«, erklärte Helou, der sich auch humanitär in Syrien engagiert. »In einem Fall sollten 35 Kilogramm Brot in eine umkämpfte Enklave in Zentralsyrien geliefert werden. Der Transport hatte fünf Tote zur Folge, weil die Kämpfe nicht unterbrochen wurden.« Dass diese Fragen in den Wochen vor der Bundestagswahl die deutschen Wähler beschäftigen, bezweifelt Kubicki: »Weder Syrien noch die Flüchtlingspolitik werden den deutschen Wahlkampf zentral beeinflussen. Ich glaube nicht, dass diese Themen entscheidungsrelevant sind«, sagte der FDP-Mann.
Ob die Opposition das anders sieht? In einem Gastbeitrag auf Spiegel Online warf SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Bundesregierung vor, der Syrien-Krise diplomatisch nicht gewachsen zu sein: Man müsse vor allem anders auf Russland zugehen. FDP-Außenminister Guido Westerwelle wehrte sich im Tagesspiegel-Interview gegen die Vorwürfe der Opposition: »Leisetreterei« werde den russischen Präsidenten »sicher nicht beeindrucken«.
»Waffenexport in den Nahen Osten nicht genehmigen«
Kubicki unterstützte in Berlin zwar die Haltung seines Parteifreundes und Außenministers in der Syrienfrage, äußerte sich allerdings kritisch zur deutschen Rüstungsexportpolitik: »Ich finde es grundsätzlich problematisch, Waffen in Nicht-Nato-Länder zu exportieren. Die ganze Nahostregion ist instabil, das gilt auch für Saudi-Arabien«.
Nicht nur angesichts der aktuellen Unruhen in der Region, sondern auch mit Blick auf die unsichere Zukunft des Nahen Ostens, sagte Kubicki: »Wenn ich in der Position wäre, darüber zu entscheiden, würde ich gegenwärtig keine Exportgenehmigungen dafür erteilen«, sagte er. Im Fall einer Lieferung von in Deutschland gebauten U-Booten, deren Export ursprünglich genehmigt, dann aber 2012 wegen politischer Bedenken gestoppt wurde, sieht Kubicki die Bundesregierung in der Pflicht: »Sie muss für den Schaden der Unternehmen aufkommen, wenn sie ihre Politik ändert.«