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Libanons Übergangs-Premier Tammam Salam

Pausenfüller an der kurzen Leine

Portrait

Überraschend einhellig einigten sich die Parteien auf Tammam Salam als Übergangs-Premier für den Libanon – weil der Spross einer alteingesessenen Beiruter Familie den politischen Strippenziehern nicht gefährlich werden kann und will.

Am 22. März 2013 nahm der libanesische Regierungschef Najib Mikati nach knapp über zwei Jahren im Amt mit folgenden Worten seinen Hut: »Ich habe wirklich alles versucht, um den Libanon vor einem heftigen Sturm zu bewahren und das Gleichgewicht im Land zu halten«, und: »Meine Entscheidung zurückzutreten, beruht auf persönlichen Gründen und ich habe mich im Vorfeld mit keiner Seite besprochen.« Seit über einem Jahr fand das politische Ensemble im Libanon nicht mehr richtig zusammen.

 

Das Parteienbündnis des 8. März der christlichen Freien Patriotischen Bewegung, Hizbullah und der Amal-Bewegung hält zum syrischen Regime. Die Allianz des 14. März, darunter unter anderem die sunnitische Zukunfts-Bewegung sowie die christlichen Parteien Kata’ib und Lebanese Forces, steht gegen Assad. Auch Mikati pflegte weiterhin Kontakt zum syrischen Präsidenten. Mit seinem Koalitionspartner Hizbullah hingegen zerstritt sich der Premier, da er den sunnitischen Geheimdienstchef Aschraf Rifi als Stabilitätsgaranten bis zu den angesetzten Parlamentswahlen im Juni im Amt behalten wollte.

 

Hinzu kam, dass es dem Kabinett nicht möglich gewesen war, ein einheitliches Wahlgesetz zu verabschieden. Mikati und seine Regierung traten von der politischen Bühne ab und hinterließen einen leeren Raum. Dieses Machtvakuum hätte im Libanon verheerende Folgen haben können. Die langwierigen Kämpfe zwischen Sunniten und Alawiten in Tripoli, zwischen Hizbullah und den Anhängern des Salafisten-Predigers Ahmad al-Assir, der syrische Flüchtlingsstrom in den Libanon sowie das Bombenattentat auf den sunnitischen Sicherheitschef Wassim al-Hassan im September 2012: Die krisenhaften Momente im Libanon häufen sich und nehmen immer mehr an Fahrt auf.

 

Walid Jumblat hält das Plädoyer für Salam

 

Das Ensemble applaudierte am Freitag für den neuen Hauptdarsteller. Tammam Salam übernimmt die Regierungsgeschäfte bis zu den Wahlen im Juni. Der bis dahin eher wenig beachtete Mann der Stunde tritt nun endlich in die Fußstapfen seines berühmten Vaters. Saeb Salam war von 1952 bis 1972 sechsmal Premierminister. Sein Sohn ist ein Politiker der alten Notabeln-Schule und versuchte in der Vergangenheit mittels verschiedenster Allianzen, einen Platz im Parlament zu ergattern und die Position seiner Familie als führender sunnitischer Clan in Beirut zu behaupten.

 

1996 erhielt er ein Mandat als Kandidat auf Rafiq Hariris Liste – gegen den er vier Jahre später kandidierte. Doch nach dem Tod des zweimaligen Regierungschefs durch einen Bombenanschlag im Februar 2005 entwickelte sich das Verhältnis zu dessen Sohn positiv – nicht zuletzt weil Saad Hariri trotz grundsätzlich syrienkritischer Haltung als politischer Newcomer Verbündete und Salam einen Weg zurück in die erste Riege der Politik suchte. 2009 kandidierte Salam dann als unabhängiges Mitglied auf der Liste des Bündnisses des 14. März im Wahlkreis Beirut III und zog ins Parlament ein.

 

Meint man es wohlwollend mit ihm, kann man Salam als moderat und dialogbereit einschätzen. Letztlich ist es jedoch diese Profillosigkeit, die ihn in der Regierungskrise nun zum Kandidaten beförderte, auf den sich alle Beteiligten schnell einigen konnten. Bezeichnend, dass der Wendehals der libanesischen Politik, Walid Jumblat von der drusischen Progressiven Sozialistischen Partei (PSP) Salam Anfang April als neuen Regierungschef vorschlug.

 

Nachdem der designierte Premier in Riad Saad Hariri und den saudischen Geheimdienstchef Bandar Bin Sultan traf, hatte er das gesamte Bündnis des 14. März hinter sich. Am Freitag stimmte auch die Allianz des 8. März zu. Dem Vernehmen nach überzeugte Jumblat die eher widerwillige Hizbullah-Führung mit den Worten: »Salam stammt aus einer moderaten Familie und hat niemals ein böses Wort gegen den Widerstand verloren.« Salam zeigt keine Anzeichen, irgendeinem der politischen Schwergewichte gefährlich zu werden und versicherte umgehend: »Ich werde die Wahl nur akzeptieren, wenn das Parlament aus allen Parteien besteht.«

 

Nach drei Tagen der Kabinettzusammenstellung tritt der 68-jährige Tammam Salam nun am 8. April sein Amt an. Den »Grand Serail«, den Regierungssitz in Beirut, beschäftigt nun vor allem die Einigung auf ein Wahlgesetz. Verschiedene Vorschläge liegen auf dem Tisch. Zum einen der Entwurf der so genannten »Orthodoxen Versammlung«, der die Abschaffung von Wahlkreisen fordert und vorsieht, dass der Wähler nur den Kandidaten seiner Konfession bestimmen kann. Walid Jumblat sieht das Wahlgesetz aus dem Jahre 1960 noch so lange in Kraft, bis ein reines Mehrheitswahlrecht das bisherige Proporzsystem ablöst.

 

Fouad Saniora, Ex-Premier und Fraktionsvorsitzender der Zukunfts-Bewegung, deutete bereits einen Kompromiss an, der beide Wahlsysteme miteinander kombinieren soll. Neben dem Wahlgesetz warten auf Salam zwei weitere Baustellen: die tatsächliche Durchführung der Wahlen im Sommer und die Kontrolle über die Sicherheitslage. Noch bewegt er sich frei, aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Strippenzieher die Fäden in die Hände nehmen.

Von: 
Juliane Metzker

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