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Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung und der »Israel Summit 2025«

Felix Klein will doch nicht

Feature
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung und der »Israel Summit 2025«
Henning Schacht / BMI

Die »Christen an der Seite Israels« laden mit mehr oder weniger prominenten Rednern zu einem Gipfel in Berlin. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung hat indes seine Schirmherrschaft gekündigt. Warum?

Sie wollen sein, wo Gott ist, und der wohnt offenbar in Israel. Die »Christen an der Seite Israels« (CIS) wollen deutschen Christen das Gelobte Land näherbringen. Dafür sammelt die vor einem Vierteljahrhundert im Raum Kassel gegründete Organisation Spenden, organisiert Gruppenreisen, betreibt eine »Israel-Akademie« und unterhält eine eigene Jugendorganisation. Sitz des Vereins ist das schwäbische Städtchen Herrenberg im Landkreis Böblingen; CSI-Vorstandschef Luca-Elias Hezel und sein »Bereichsleiter für Politik und Gesellschaft« Josias Terschüren treffen nach eigenen Angaben aber regelmäßig hochrangige Politiker, Journalisten und Diplomaten in Berlin und bereiten in diesen Tagen in der Hauptstadt den »Israel Summit 2025« vor.

 

Dort wollen Hezel und Terschüren laut Programm »ehrliche Fragen zur Zweistaatenlösung« stellen. Laut Tobias Krämer, Leiter der CSI-Israel-Akademie, ist schon klar, was dabei herauskäme: »Diese Lösung wäre eine Sache auf Zeit. Denn wenn der Messias kommt, wird er die Ordnung Gottes herstellen, und die sieht anders aus«, schrieb er in einem Beitrag für die CSI-Website. Auf der Seite heißt es ferner, dass die »Wiederherstellung Israels« Teil der biblischen Prophezeiung sei. Diese orientiere sich an den biblischen Grenzen: »Im Westen ist das Mittelmeer, im Osten der Jordan«.

 

Für 249,- Euro kann man nun am 11. und 12. Mai am »Israel Summit« teilnehmen und den Vorträgen und Podiumsdiskussionen lauschen; der Veranstaltungsort wird – vermutlich aus Sicherheitsgründen – erst nach erfolgreicher Registrierung mitgeteilt. Als Sprecher angekündigt sind unter anderem der israelische Botschafter in Deutschland und Schirmherr, Ron Prosor, der ehemalige Grünen-Abgeordnete und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck sowie der Herausgeber der Welt-Gruppe, Ulf Poschardt.

 

Von der Zweistaatenlösung will CSI nichts wissen: Der Messias wäre wohl ebenfalls dagegen

 

Botschafter Prosor verbleibt somit als einziger Schirmherr für den »Israel Summit«, der zum zweiten Mal stattfinden soll und zuletzt 2023 rund 170 Besucher zählte. Denn der ursprünglich verpflichtete Patron des Gipfels, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte an einem Freitagmittag des 21. März 2025 seine Schirmherrschaft gekündigt. »Wir können eins und eins zusammenzählen«, teilte um 18 Uhr 25 mit herzlichen Grüßen, aber sichtlich entnervt, das »CSI Team« der zenith-Redaktion mit. Man bitte, von weiteren Presseanfragen abzusehen. Was war geschehen?   

 

2024 sammelte CSI Spenden in Höhe von 1,3 Millionen Euro für Projekte in Israel. Unterstützt werden nach Angaben des Vereins Holocaust-Überlebende und Babypatenschaften, aber auch »Israel im Krieg« und das Projekt »Lebensschutz«. Seit mehreren Jahren unterstützt CSI auch das Spendenprojekt »Judäa und Samaria«. Es läuft über die Organisation »Christian Friends of Israeli Communities Heartland« (CFOIC Heartland), die Vorhaben in israelischen Siedlungen im Westjordanland fördert, also einem Gebiet, das laut Ansicht des UN-Sicherheitsrats und des Internationalen Gerichtshofs völkerrechtswidrig von Israel besetzt gehalten wird. Diese Haltung teilt auch die Bundesregierung, deren Vertreter Felix Klein ist und nach dem Willen von Bundeskanzler Friedrich Merz auch bleiben soll. Seine Position ist eine der wenigen Sonderbeauftragtenstellen, die vom Sparprogramm der Koalition verschont bleiben sollen.

 

Die Internetseite von CFOIC Heartland gibt preis, dass die Zuwendungen für »Judäa und Samaria« in Spielplätze, Wasserversorgung und Bibliotheken, aber auch die Anschaffung von Sicherheitsausrüstung, Zäunen und Überwachungskameras investiert werden. Was mit »Sicherheitsausrüstung« genau gemeint ist, bleibt dabei vage.

 

Die Hilfe wird mit der Gefahr gerechtfertigt, der die jüdischen Siedler durch die umliegenden palästinensischen Dörfer ausgesetzt sind. Allein im März 2025 dokumentierte die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem 36 Angriffe israelischer Siedler auf palästinensische Dorfgemeinschaften. Allein 2024 zählten die Vereinten Nationen rund 1.400 solcher Angriffe.

 

Die Organisation sammelte Spenden für jüdische Siedlungen im Westjordanland, mit denen auch »Sicherheitsausrüstung« gekauft wurde

 

Avigayil, eine ebenfalls von CFOIC Heartland unterstützte Siedlung, liegt in den südlichen Hügeln der palästinensischen Stadt Hebron. 2003 unter dem damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon wurde die Siedlung als illegaler Außenposten markiert und zur Räumung freigegeben. Die Siedler aber blieben und beteiligen sich laut palästinensischen Angaben an Vandalismus gegen Olivenplantagen, mit dem Ziel, die wirtschaftliche Grundlage der Palästinenser zu zerstören. Im Sommer 2023 erklärte die mit Rechtsextremen und der Siedlerbewegung koalierende Regierung Netanyahu Avigayil für legal. In der Nähe liegt Masafer Yatta – jene palästinensische Dorfgemeinschaft aus dem im März mit einem Oscar prämierten Dokumentarfilm »No Other Land«, aus der viele Einheimische sukzessive vertrieben und Opfer von Siedlergewalt werden.

 

Nach Angaben von CIS gilt ihr Engagement allein den humanitären Bedürfnissen der Menschen vor Ort, auch außerhalb des anerkannten israelischen Staatsgebiets. Das »Judäa und Samaria«-Projekt sei 2023 seitens CSI eingestellt worden, bereits im Juli 2022 habe CFOIC Heartland die letzte CSI-Spende erhalten, teilt die Organisation zenith mit. Im CSI-Jahresbericht 2023 tauchen noch Spenden in Höhe von 20.000 Euro für das Projekt »Judäa und Samaria« auf. Die genaue Höhe der Spenden aus den Vorjahren ist nicht einsehbar und wird von CSI nicht mitgeteilt.

 

Auf die Anfrage von zenith an die Pressestelle des Antisemitismusbeauftragten, ob ihm dieser Sachverhalt bekannt sei, lässt Felix Klein am 21. März mitteilen, dass er die Schirmherrschaft für den »Israel Summit« bereits abgegeben habe. Zu den Gründen wolle er sich nicht äußern. Offenbar zeitgleich teilte Klein auch den Veranstaltern seine Entscheidung mit.

Von: 
Franziska Eiles

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