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Präsident Anwar al-Sadat von Ägypten

Vom Volkshelden zum »Verräter«

Portrait

Kriegsherr, Friedensnobelpreisträger, Pharao – der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat besaß viele Gesichter. Er setzte Akzente in Wirtschaft und Außenpolitik. Dass er radikale Islamisten gewähren ließ, wurde ihm zum Verhängnis.

Sein Grab liegt an einer Ausfallstraße Kairos, gegenüber der Stelle, an der er am 6. Oktober 1981 erschossen wurde. Der »Pharao«, wie Anwar al-Sadat oft genannt wurde, fand seine letzte Ruhe unter einer riesigen stilisierten Pyramide. Für die Ägypter war Sadat ein Held, nachdem er 1973 in einem Überraschungsangriff ägyptische Truppen auf das von Israel gehaltene Ostufer des Suezkanals hatte übersetzen und in den Sinai vorstoßen lassen.

 

Ausgerechnet bei einer Gedenkfeier für den »Yom-Kippur-Krieg« wurde er von militanten Islamisten getötet. »Das ist unvorstellbar«, soll er ausgerufen haben, als drei bewaffnete Soldaten – sie gehörten der Dschihad-Gruppe an – während der Parade aus einem Wagen sprangen, auf die Tribüne zustürmten und das Feuer eröffneten. Dabei wusste der Präsident, wie umstritten seine Politik war. Sadat wurde 1918 in einem Dorf im Nildelta geboren.

 

Nach Ägyptens Unabhängigkeit gehörte er zum engsten Kreis um Gamal Abdel Nasser und übernahm nach dessen Tod 1970 die Präsidentschaft. Bald verließ Sadat jedoch dessen Pfad des »arabischen Sozialismus«, im Mai 1971 schaltete er in der »Korrektiv-Revolution« Widersacher innerhalb des Regimes aus. Sadat verband seine »Infitah«-Politik der wirtschaftlichen »Öffnung« mit einem prowestlichen Kurs. 1977 sandte der Ägypter Schockwellen durch die arabische Welt, als er verkündete, für den Frieden würde er selbst nach Israel gehen.

 

Auf Einladung von Menachem Begin hielt er daraufhin am 20. November 1977 seine historische Rede vor der Knesset in Jerusalem. Das Palästinaproblem blieb zwar ungelöst, dennoch schloss Ägypten 1979 als erstes arabisches Land Frieden mit dem bis dahin verfemten Kriegsgegner. Oppositionsgruppen warfen Sadat Verrat vor, während die anderen arabischen Staaten die einstige Führungsmacht Ägypten politisch isolierten.

 

Auch innenpolitisch wuchs die Unzufriedenheit, da Sadats Politik das Los der unteren Schichten nicht zu bessern vermochte – ganz im Gegenteil brachte die wirtschaftliche Liberalisierung lediglich eine kleine Schicht von Neureichen hervor. Sadat reagierte auf die Kritik, indem er gerade gewährte demokratische Freiheiten teilweise wieder zurücknahm. Im September 1981 ließ er mehr als 1.500 Oppositionelle, Intellektuelle und Religionsgelehrte verhaften.

 

Unter den von ihm lange Zeit tolerierten Islamisten waren da jedoch bereits militante Gruppen entstanden, die dem Präsidenten nach dem Leben trachteten. Im Westen galt der elegante Anwar al-Sadat als Friedensheld. »Time« kürte ihn 1977 zum »Mann des Jahres«, 1978 erhielt er gemeinsam mit Begin den Friedensnobelpreis. Libyen und der Irak feierten hingegen seinen Tod, in Iran war lange Zeit sogar eine Straße nach dem 1982 hingerichteten Attentäter Khaled al-Islambuli benannt. 13 Jahre später scheiterte dessen jüngerer Bruder daran, Sadats Nachfolger Hosni Mubarak zu ermorden.

Von: 
Christian Meier

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