Lesezeit: 7 Minuten
Rckgabe gesperrter Gelder in der Schweiz

Das Erbe der Sparfüchse

Reportage

Nach dem Sturz der Machthaber in Nordafrika sperrte die Schweiz mehr als eine Milliarde Franken. Die libyschen Gelder sind schrittweise freigegeben worden, doch die Vermögen aus Tunesien und Ägypten warten noch auf ihre Rückgabe.

Die arabischen Umstürze des vergangenen Jahres haben auch in der Schweiz politisch etwas in Bewegung gebracht. Am 19. Januar 2011 – wenige Tage nach dem Rücktritt des tunesischen Machthabers Zine el-Abidine Ben Ali – sperrte der Bundesrat, die Schweizer Regierung, rund 60 Millionen Schweizer Franken des gestürzten Präsidenten und seiner Entourage. Auf gleiche Weise wurde drei Wochen später, am 11. Februar, gleich nach dem Sturz Hosni Mubaraks verfahren.

 

Um mit Bezug auf Ägypten die Veruntreuung in der Schweiz deponierter staatlicher Gelder zu verhindern, ließ der Bundesrat 410 Millionen Franken blockieren, die von dem ehemaligen Präsidenten und seinem engsten privaten und politischen Umfeld stammten.

 

Banken, die Vermögenswerte der Betroffenen hielten oder verwalteten, mussten die Gelder damit wie auch im Fall Tunesiens dem Außenministerium in Bern melden, das für den Vollzug dieser Verordnungen zuständig ist. Außerdem waren sie verpflichtet, die Vermögenswerte für sämtliche Transaktionen zu sperren. Beide Blockadeanweisungen gelten für drei Jahre, um den neuen Regierungen der Revolutionsländer Zeit zu geben, Rechtshilfegesuche mit dem Ziel der Rückerstattung der Gelder zu stellen. Denn die Beweisschuld, die unrechtmäßige Herkunft der blockierten Vermögenswerte in einem Strafverfahren nachzuweisen und damit deren Rückführung zu ermöglichen, liegt bei den betroffenen Staaten.

 

Allerdings können sich die neuen Regierungen dabei auf Auskünfte der Schweizer Behörden stützen, wenn sie entsprechende Rechtshilfegesuche einreichen. Sowohl Ägypten als auch Tunesien haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Am 17. August stellte Ägypten ein entsprechendes Gesuch, am 18. Oktober folgte Tunesien. Seitdem ermittelt die Bundesanwaltschaft, um die Herkunft der Gelder zu klären. Im Dezember sei zudem ein zweites Rechtshilfegesuch aus Ägypten zum Vollzug an die Schweizer Ermittlungsbehörde delegiert worden, erklärt deren Sprecherin Jeanette Balmer.

 

»Es ist schwierig zu evaluieren, wie lange die Rückführung an die Herkunftsländer dauern wird«

 

Neben diesem Weg verfügt die Schweiz mit dem Geldwäschegesetz auch über ein nationales Instrument, um gegen die Anlage unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte vorzugehen. Es verpflichtet die Finanzinstitute, beim Eingang von Geldern politisch exponierter Persönlichkeiten eine Reihe von Fragen zu Herkunft und Verwendung der Mittel zu stellen. So müssen die Banken Herkunft und Ursprung des Vermögens, Hintergründe und Plausibilität größerer Zahlungseingänge sowie den Verwendungszweck abgezogener Gelder abklären. Ergibt sich dabei ein Verdacht auf eine Unregelmäßigkeit, müssen die Institute die Meldestelle für Geldwäsche einschalten.

 

Sowohl zu tunesischen als auch zu ägyptischen Geldern gingen dort im Januar und Februar 2011 entsprechende Mitteilungen von Banken ein. Deshalb ermittelt die Bundesanwaltschaft nun nicht nur aufgrund der Rechtshilfegesuche, sondern auch im Rahmen nationaler Gesetze gegen Verdächtige aus dem Umfeld Ben Alis und Mubaraks. Mittlerweile wurden diese Ermittlungen in beiden Fällen von der Geldwäsche auf den Tatbestand der Unterstützung einer kriminellen Organisation ausgeweitet.

 

Beschuldigte aus beiden betroffenen Ländern haben beim Bundesverwaltungsgericht in Bellinzona Beschwerde gegen die Untersuchungen eingereicht. Um wen es sich dabei handelt und welchen genauen Inhalt die Ermittlungen haben, lässt die Bundesanwaltschaft unbeantwortet.

 

Auch infolge der Einsprüche konnten die Strafermittlungen noch nicht abgeschlossen werden. Ebenso ist über die Rechtshilfegesuche aus den beiden Ländern noch nicht entschieden worden. Bis heute konnte deshalb kein Geld an Ägypten oder Tunesien zurückerstattet werden. »Es ist schwierig zu evaluieren, wie lange die Rückführung von unrechtmäßig erworbenen Vermögenswerten an die Herkunftsländer dauern wird«, sagt dazu Außenamtssprecherin Carole Wälti.

 

»Dies wird in erster Linie davon abhängen, wie schnell die unrechtmäßige Herkunft von den Ursprungsländern nachgewiesen werden kann.« Um solche Prozesse in Zukunft zu beschleunigen, werde die Schweiz an tragfähigen Rechtshilfebeziehungen arbeiten und habe dabei seit dem vergangenen Jahr schon wichtige Fortschritte erzielt.

 

Ein Geldwäschegesetz und offene Fragen

 

Zudem hat die Schweiz als erster Staat der Welt ein Gesetz über die Rückerstattung unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte verabschiedet. Diese Regelung ermöglicht eine Rückerstattung selbst dann, wenn die Rechtshilfegesuche der Ursprungsländer wegen Versagens der staatlichen Strukturen zu keinem Ergebnis führen. Auf politischer Ebene gibt man sich also Mühe, dem Bankenplatz Schweiz nicht den Ruf eines Gelddepots für Diktatoren anhaften zu lassen. Ungeklärt bleibt allerdings, ob die Banken nicht schon vor den Umstürzen genug Anlass gehabt hätten, Meldungen im Rahmen des Geldwäschegesetzes zu erstatten.

 

Ganz anders stellt sich die Lage hinsichtlich der Gelder aus Libyen dar. Zwar sperrte der Bundesrat im Februar 2011 auch libysche Vermögenswerte, aber er ersetzte diese Verordnung bald darauf durch eine neue, um die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Finanzsanktionen gegen Libyen umzusetzen. Grundlage dieses neuen Beschlusses war das Embargogesetz, weshalb er in die Zuständigkeit des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) fällt. Zudem betraf die Sperrung anders als in den Fällen Ägypten und Tunesien vor allem Gelder staatlicher Organisationen; sie summierten sich zunächst auf 650 Millionen Schweizer Franken.

 

Im Zuge der Anpassungen des UN-Sanktionsregimes an die Entwicklung in Libyen lockerte auch der Bundesrat seine Verordnung wiederholt und gab mehrfach Vermögenswerte frei, so am 23. Dezember rund 165 Millionen Schweizer Franken der libyschen Zentral- und Auslandsbank. Damit befinden sich diese Gelder wieder unter voller Verfügungsgewalt der jeweiligen Unternehmen – einschließlich der Möglichkeit eines erneuten Missbrauchs. Aus Libyen seien nun nur noch rund 100 Millionen Schweizer Franken eingefroren, ließ SECO- Sprecherin Antje Baertschi wissen.

 

Auch aus Syrien liegen noch gesperrte Vermögenswerte auf Schweizer Bankkonten, die ebenfalls im Rahmen des Embargogesetzes nach Maßgabe der UN-Sanktionen blockiert wurden. Was mit diesen Geldern geschieht, ist einstweilen ebenso offen wie der Ausgang der Proteste gegen Baschar al-Assad.

Von: 
Simona Pfister

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.