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Robert Baer über die amerikanische Position zu Syrien

»Die CIA hat keine Mitarbeiter in Syrien stationiert«

Interview

US-Autor und Ex-Geheimdienstler Robert Baer im Interview über die amerikanische Position zu Syrien – und warum die CIA kaum verwertbare Erkenntnisse für die Regierung Obama liefern kann.

zenith: In der Washington Post war neulich zu lesen, die CIA verfüge über keine Mitarbeiter in Syrien, der US-Geheimdienst bediene sich lediglich begrenzt jordanischer und türkischer Quellen. Ist das richtig?

Robert Baer: Absolut. Die CIA hat keine Mitarbeiter in Syrien stationiert, da die Lage dort zu gefährlich und zu unübersichtlich ist.

 

Was weiß denn die CIA über die Widerstandsbewegung gegen Assad?

So gut wie gar nichts. In diesem Zusammenhang sollte man sich daran erinnern, dass die CIA in der Vergangenheit eine eher unglückliche Rolle in Syrien spielte. In den 1960er Jahren, wurde ein CIA-Mitarbeiter in Damaskus gehängt, weil er beschuldigt wurde, an der Vorbereitung zu einem Putsch beteiligt zu sein. Nachdem das Baath-Regime vor 30 Jahren die Revolte von Hama blutig niedergeschlagen hatte, fand man in den Trümmern der Stadt die Bestandteile eines Radios, welches in den USA hergestellt wurde, worauf man fälschlicherweise die CIA beschuldigte, den dortigen Aufstand unterstützt zu haben. Im State Departement, wie auch bei der CIA, kam man daraufhin zu der Schlussfolgerung, der US-Geheimdienst solle seine Finger von der syrischen Opposition lassen, was man in den vergangenen drei Jahrzehnten auch so beibehalten hat. Aktuell ist die CIA also über die Opposition gegen das Regime nicht im Bilde.

 

Kam es dadurch zu außenpolitischen Fehleinschätzungen in Washington, bezüglich der Situation in Syrien?

Natürlich. Als der Aufstand in Syrien begann, hoffte man im Weißen Haus, Assad würde Syrien für demokratische Reformen öffnen. Was man dabei aber übersah: Das von den Alawiten geführte Minderheiten-Regime hatte gar keine andere Wahl, als dem Aufruhr von Anfang an mit unbarmherziger Härte zu begegnen, wenn es an der Macht bleiben wollte. Als sich der Aufstand verstärkte, ließ das Regime die so genannten Schabiha-Milizen, es handelt sich um paramilitärische Einheiten, die aus Christen und Alawiten bestehen, bewaffnen, um sunnitische Regionen zu kontrollieren. Allerdings gab es nicht genug loyale Einheiten, um das gesamte syrische Territorium zu kontrollieren. Immerhin stellen die Sunniten ja auch die große Mehrheit der Bevölkerung.

 

Hat die CIA denn Zugang zu saudischen Informationen? Immerhin unterstützt Saudi-Arabien ja die militantesten Elemente des Widerstandes.

Die militantesten islamistischen Elemente innerhalb des Widerstandes werden von Katar unterstützt, welche zuvor von den Saudis, das gilt speziell für die syrischen Muslimbrüder, finanziert wurden. Die Regierung Katars kennt die syrischen Muslimbrüder besser als Jeder andere. Was aber nicht heißt, dass man in Katar seine Informationen den Amerikanern zur Verfügung stellt. 

 

»Die Israelis haben in dieser Situation nichts zu gewinnen«

 

Sowohl der Westen, insbesondere Israel und die USA, wie auch Saudi-Arabien und Katar, haben ein starkes Interesse am Sturz des Assad-Regimes, dem engen Verbündeten Teherans. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen dem Mossad und dem saudischen Geheimdienst, bei dem angestrebtem Sturz von Assad?

Saudi-Arabien glaubt, wenn das Assad-Regime fällt, wäre das eine schwere Niederlage für den Iran und die Hizbullah. Die Saudis würden das als Erfolg verbuchen, als Kompensation für den verlorenen Einfluss im Irak. Die Israelis haben in dieser Situation nichts zu gewinnen, da ein radikalislamisches Regime in Damaskus die Stabilität an der Nordostgrenze bedroht.

 

Gibt es gemeinsame strategische Interessen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien bezüglich der Situation in Syrien?

Sowohl in der Türkei wie auch in Saudi-Arabien ist man daran interessiert, dass sich der Konflikt nicht ausweitet.

 

Die New York Times berichtete vor einigen Wochen, der CIA habe Mitarbeiter in der Türkei stationiert, um vor Ort zu überprüfen, welche syrischen Rebellen man bewaffnen sollte, und welche besser nicht.

Ich bin ziemlich sicher, innerhalb der Obama-Administration wünscht man sich, dass der Konflikt plötzlich beendet wird und Syrien zum Status Quo zurückkehrt. Denn soviel hat man in Washington inzwischen begriffen: Aus einem totalitärem Minderheiten-Regime – wie in Syrien – entsteht keine Demokratie durch eine Transformation der Machtverhältnisse. In der Zwischenzeit ist es ein kluger Schachtzug von Obama, sich auf die Seite der Türken zu begeben. Die Türken verstehen die innenpolitischen Probleme in Syrien wesentlich besser, als es die Vereinigten Staaten tun. Die Türken zögern nicht, der CIA vor Ort Grünes Licht zu geben, um mit den Rebellen zusammenzuarbeiten. Ich halte das für die einzige realistische Option zurzeit.


Robert Baer,59, arbeitete von 1976 bis 1997 für die CIA und ist heute als Kolumnist und Autor tätig. Seine Zeit beim amerikanischen Auslandsgeheimdienst verarbeitete Baer im Bestseller »See No Evil« (2003). Das Buch diente als Vorlage für den Spielfilm »Syriana« (2005), die Rolle des Bob Barnes (gespielt von George Clooney) basiert auf Robert Baer.

Von: 
Ramon Schack

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