Die afghanischen Taliban kündigen an, ein politisches Büro in Katar einrichten zu wollen – ein wichtiger Schritt hin zu Friedensverhandlungen oder nur strategische Absicherung für die Zeit nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte?
Es ist ein unerwartetes Geschenk zum Jahresbeginn: Am 3. Januar kündigten die afghanischen Taliban über ihren Sprecher Zabiullah Mujahid öffentlich an, ein Verbindungsbüro in der katarischen Hauptstadt Doha einrichten zu wollen. Details über einen Zeitplan wurden nicht genannt. Im Austausch erwarte man die Freilassung aller im Gefangenenlager Guantanamo festgehaltenen islamistischen Kämpfer, so ein Statement auf dem Internetauftritt des »Islamischen Emirats Afghanistan«.
Die New York Times zitierte daraufhin einen anonymen westlichen Diplomaten mit den Worten, man hätte »nicht um eine deutlichere Bekräftigung des Friedensprozesses bei der Gegenseite bitten können«, gleichwohl es noch ein langer Schritt bis hin zu einer Übereinkunft mit den Taliban sei. Bis zuletzt hatten die militanten Islamisten stets verneint, an dieser Art von Verhandlungen beteiligt zu sein.
Bereits über die vergangenen zehn Monate hinweg hatten amerikanische und deutsche Unterhändler die politischen Rahmenbedingungen für den jetzt angekündigten Schritt vorbereitet. Entscheidend war dabei der Kontakt zu Tayeb Agha, einem engen Vertrauten von Taliban-Chef Mullah Omar. Über den tatsächlichen Fortschritt der Verhandlungen herrschte bis zuletzt Stillschweigen. Allen Parteien war bewusst, welche politischen Folgen solch eine Kooperation für die eigene Machtbasis haben könnte.
Auch die afghanische Regierung wurde nicht informiert. Von der Involvierung Katars sichtlich verärgert, zog der afghanische Präsident Hamid Karzai Mitte Dezember seinen Botschafter aus Doha ab. Kaum etwas bereitet dem Machtpolitiker mehr Unbehagen als eine Zementierung der Taliban als politisch anerkannte Fraktion. Nach dem geplanten Abzug der NATO-Truppen 2014 fürchtet er, von den Islamisten vom Hof gejagt zu werden.
Die USA nutzen interne Konflikte der Taliban
Für das Militärbündnis ist die Ankündigung der Taliban ein wichtiger diplomatischer Erfolg. Zu oft war man in den vergangenen Jahren Schwindlern aufgesessen, die sich als Taliban-Repräsentanten ausgaben, in vielen Fällen jedoch Attentäter waren. Zuletzt fiel Ex-Präsident Burhanuddin Rabbani im September 2011 einem solchen Komplott zum Opfer.
In den vergangenen Monaten hatten die USA den Taliban mehrfach über Mittelsmänner signalisiert, sich über die Einrichtung von Waffenstillstandszonen in Afghanistan zu beraten, so die New York Times. In diesen würden NATO-Truppen darauf verzichten, gegen Taliban vorzugehen, solange diese ebenfalls alle Kampfhandlungen gegen die Zivilbevölkerung einstellten. Das Nachbarland Pakistan konnte mit einer ähnlichen Strategie die Opferzahlen in einigen Provinzen deutlich reduzieren, während die Konflikte zwischen einzelnen, von Waffenstillständen profitierenden Stämmen, deutlich zugenommen haben. Es scheint, als konzentrierten sich diverse Milizen in Nord- und Süd-Waziristan aktuell auf interne Konflikte.
Diesen Effekt möchten die Amerikaner gerne auch in Afghanistan nutzen, auch um die politische Bande zwischen afghanischen und pakistanischen Taliban zu kappen. Gegenwärtig wird ein Großteil der Taliban-Führungsriege in Pakistan vermutet. Während pakistanische Zeitungen in den vergangenen Wochen von einem Zerwürfnis der einflussreichen Clan-Chefs Hakimullah Mehsud und Wali-ur-Rehman, beide zentrale Personen innerhalb der Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP) berichten, scheint sich die strategische Lage für die afghanischen Exil-Jihadisten nicht positiv zu entwickeln.
Die Vermutung verschiedener Analysten, der Druck einzelner Gruppierungen innerhalb der TTP, die eigene Aufmerksamkeit mehr auf den Kampf gegen den pakistanischen Staat zu lenken, während sich Andere dem Kampf gegen Indien oder die USA verschrieben haben, könne den afghanischen Taliban ein Nachwuchsproblem beschert haben, scheint noch sehr hypothetisch. Doch ist es nicht zu auszuschließen, dass Doha als neutrales Territorium für die wohlmöglich schon in wenigen Jahren anstehende Taliban-Regierung deutlich an Attraktivität gewinnt.