Die »Black Lives Matter«-Bewegung ist auch im Irak angekommen. Schon seit der Abbasidenzeit leben Schwarze im Zweistromland.
Jalal Dhiab ist nicht George Floyd. Seine Ermordung 2013 zog keine internationalen Proteste nach sich – selbst im Irak schlug die Tat keine allzu großen Wellen. »Ihr seid wütend über den Mord an einem schwarzen Amerikaner, aber schweigt bei der Ermordung eines schwarzen Bürgers von Basra« – unter diesem Titel veröffentlichte der irakische Journalist Ali Abdulameer Ejam Anfang Juni 2020 einen Video-Aufruf. Er wollte die breite Aufmerksamkeit für den antischwarzen Rassismus in den USA nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, dass Schwarze im Irak historisch und noch heute mit ähnlichen Diskriminierungen konfrontiert sind – nur dass es offenbar kaum jemanden interessiert.
Während die Berichterstattung über die Situation von Minderheiten im Irak sich meistens auf ethnische Minderheiten wie die Kurden oder religiöse Minderheiten wie Christen und Jesiden konzentriert, erfährt die Gemeinschaft schwarzer Iraker und Irakerinnen deutlich weniger Aufmerksamkeit. Dabei leben Schätzungen zufolge zwischen 1,5 und 2 Millionen Schwarze im Irak – das entspricht grob fünf Prozent der Bevölkerung. Offizielle, etwa durch einen Zensus erhobene demografische Zahlen liegen jedoch nicht vor.
Wie in den Vereinigten Staaten gelten die meisten Schwarzen im heutigen Irak als Nachfahren von in Afrika geborenen Versklavten. Historisch reicht die Institution der Sklaverei in der islamischen Welt jedoch deutlich weiter in die Vergangenheit zurück als in den USA.
Schon während des Abbasiden-Kalifats im 9. Jahrhundert wurden Menschen von der ostafrikanischen Küste und der Insel Sansibar versklavt und über den Seeweg in die südirakische Hafenstadt Basra verkauft. Sie wurden zu Tausenden in den Marschgebieten des Südirak eingesetzt: Sie mussten die dortigen Böden von dicken Salzschichten befreien, um die Flächen landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Die extrem harten Bedingungen der Zwangsarbeit führten dazu, dass der Irak zum Schauplatz eines der historisch größten Befreiungskämpfe von Versklavten wurde: der sogenannten Zanj-Rebellion – Zanj wurden die Schwarzen im Irak genannt, in Anlehnung an den Namen der Insel Sansibar.
Die meisten schwarzen Iraker leben heute im Süd- und Mittelirak, meist in den Außenbezirken der Städte.
Der Befreiungskampf in den Jahren 869 bis 883 richtete sich nicht nur gegen die Halter und Aufseher der Versklavten, sondern forderte gleich die Autorität des Abbasiden-Kalifats an sich heraus. So gelang es den nun Befreiten, mehrere gegen sie entsandte Armeen zu besiegen und selbst verwaltete staatliche Strukturen zu etablieren.