Die Hetze des tunesischen Präsidenten hat handfeste Folgen. Nun melden sich die Opfer rassistischer Verfolgung in Tunesien zu Wort.
Hunderte schwarze Menschen verharren seit Februar vor der dem Büro der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Geschäftsviertel »Lac 1« am Rand von Tunis. Gewalttätige Übergriffe, Jugendliche, die mit Steinen auf sie werfen sowie willkürliche Polizeikontrollen sind zum Alltag vieler Immigranten in dem nordafrikanischen Land geworden. Von der IOM erhoffen sie sich Hilfe.
Vor dem Hintergrund der dramatischen wirtschaftlichen Lage erstarkt der Rassismus innerhalb der Gesellschaft. Präsident Kais Saied reagiert auf die Probleme seines Landes mit populistischer Stimmungsmache. Ende Februar warnte er gar vor einer Verschwörung oppositioneller Kräfte, die eine Afrikanisierung des islamisch-arabischen Tunesiens voranzutreiben versuchen. Es ist eine Rhetorik, die nicht folgenlos bleibt.
Eine neue Verordnung untersagt es mittlerweile, Menschen ohne Aufenthaltstitel eine Wohnung zu vermieten. So werden Migranten aus dem subsaharischen Afrika auf die Straße gedrängt – doch auch dort wird es zunehmend gefährlich. Viele haben innerhalb kurzer Zeit sowohl Arbeit als auch Wohnung verloren und erleben rassistisch motivierte Gewalt. Einige afrikanische Staaten reagierten und flogen ihre Bürger aus, darunter die Elfenbeinküste, Guinea oder Mali. Doch für viele bleibt dieser Ausweg versperrt.
Sie verharren schutz- und perspektivlos in Tunesien, sind angewiesen auf die Solidarität tunesischer Aktivisten. Die Helfer organisieren sich privat und versorgen die Betroffenen mit dem Nötigsten. Dazu gehören auch Hausbesuche bei denjenigen, die zwar noch eine Wohnung haben, sich angesichts der zunehmenden Gewalt aber nicht mehr auf die Straße trauen.
Auch die Aktivistinnen und Aktivisten sind darauf bedacht, sich zu schützen. Sie wollen anonym bleiben, befürchten, ansonsten ebenfalls von den staatlichen Repressionen erfasst zu werden. Seit Beginn des Jahres sind zahlreiche Oppositionelle festgenommen worden. Die Verhaftung von Noureddine Boutar, dem CEO des größten privaten Radiosenders des Landes Mosaïque FM, war ein Alarmsignal für alle kritischen Journalisten im Land.