Seit Jahrzehnten kämpft Laila Soueif für ein besseres Ägypten – die Regime von Sadat bis Sisi rächten sich dafür an ihrer Familie.
Im April 2020 wartet Laila Soueif, eine Frau mit zerzausten grauen Haaren, auf einer Bordsteinkante vor dem Tora-Gefängnis in Kairo. Dort sitzt ihr ältester Sohn Alaa Abd Al-Fattah ein. Auf ihrem Schoß eine Serviette mit den Worten: »Ich will eine Antwort« – seit Monaten hatte sie nichts von Alaa gehört. Obwohl sie zusammengeschlagen wurde, blieb Soueif sitzen – bis sie einen Brief von ihrem Sohn erhielt, der bestätigte, dass er gesund und am Leben war. Wenig später verhafteten die Sicherheitsbehörden ihre Tochter Sanaa. Der Vorwurf: Terrorismus und Verbreitung von Fake News.
Seit über vier Jahrzehnten kämpft die ägyptische Aktivistin Laila Soueif für Gerechtigkeit in Ägypten – und für die Freiheit diverser Mitglieder ihrer eigenen Familie, die jahrelang hinter Gittern verbrachten. Soueif wurde 1956 in London geboren und wuchs in einer Akademikerfamilie auf: Ihr Vater war Psychologe und übersetzte die Werke von Sigmund Freud ins Arabische, während ihre Mutter als Professorin für Englische Literatur Naguib Mahfouz ins Englische übertrug.
Laila studierte Mathematik und wurde 1990 als Professorin an die Universität Kairo berufen. Schon früh begann ihr Leben als Aktivistin: Als 1972 ein Protestmarsch gegen Sadats Israel-Politik an ihrer Schule vorbeizog, stürmte die 16-Jährige aus dem Klassenraum und schloss sich den Demonstrationen an. Sechs Jahre später heiratete sie den Anwalt und Kommunisten Ahmed Seif Al-Islam.
Der Aktivismus ergriff auch Soueifs Familie, ihre Kinder wurden zu bekannten Streitern für soziale Gerechtigkeit.
Während des Notstands, den Präsident Mubarak 1983 nach Sadats Ermordung ausgerufen hatte, wurde Seif Al-Islam verhaftet und gefoltert. Später wurde er wegen illegalen Waffenbesitzes zu fünf Jahren Haft verurteilt. In dieser Zeit musste Soueif ihre beiden Kinder alleine großziehen. Im Licht der Erfahrungen ihres Mannes gründete sie im Jahr 2003 den »Ägyptischen Verein gegen Folter«.
»Nieder mit Hosni Mubarak«, einer der Slogans der ägyptischen Revolution, wurde bereits 2004 bei Protesten vor der Staatsanwaltschaft skandiert, organisiert von der »Ägyptischen Bewegung für Wandel« – besser bekannt als »Kefaya«, Arabisch für »Genug«. Soueif war eine der 300 Intellektuellen, die sich dieser Bürgerinitiative anschlossen. Es war der Beginn des Endes von Mubarak.
Der Aktivismus ergriff auch Soueifs Familie, ihre Kinder wurden zu bekannten Streitern für soziale Gerechtigkeit. Ihr Ältester, Alaa Abd Al-Fattah, wurde 2011 zur Protestikone, war aber als Pionier der Blogszene schon seit 2005 bekannt.
Im September 2019 rief er zu Protesten gegen das Sisi-Regime auf – und sitzt seitdem im Gefängnis. Mona Seif, die Zweitälteste, ist Mitgründerin der Initiative »Kein Militärgericht für Zivilisten«. Ihre Schwester Sanaa Seif gründete die Zeitung Gornal, die über den Arabischen Frühling und seine Folgen berichtet. Laila Soueif ließ sich nicht einschüchtern, trotz allem, was mehrere ägyptische Regierungen ihr und ihrer Familie angetan haben. Gemeinsam mit ihrer Tochter Mona schloss sie sich der #MeToo-Bewegung im Land an und unterstützt Opfer sexueller Gewalt.