Frauen unterstützen aktiv Islamisten – das wissen inzwischen auch deutsche Behörden. Warum es so schwer ist, weibliche IS-Mitglieder zu verurteilen und wieso die Urteile den Fällen oft nicht gerecht werden, erklärt Extremismus-Expertin Sofia Koller.
zenith: Islamistischer Terror wird oft als männliches Phänomen wahrgenommen. Sie beschäftigen sich seit langem mit weiblichen IS-Mitgliedern. Welche Rolle wird diesen Frauen bei der Strafverfolgung beigemessen?
Sofia Koller: Immer noch hält sich im Umgang mit Terrorismus und Extremismus – sowohl auf Seite der Forschung als auch Behörden – das Stereotyp: Die Frau ist vielleicht dabei gewesen, hat aber keine wichtige Rolle gespielt oder keine aktive Entscheidung getroffen. Die Frauen, die sich dem IS anschlossen, waren aber keine Einzelfälle, sondern machten 10-15 Prozent der islamistischen Gruppierung aus. Deshalb stieg das Interesse: Warum ist das so? Was machen diese Frauen vor Ort und was für Profile haben sie? Gleichzeitig stellte sich die Frage: Sind diese Frauen ein Sicherheitsrisiko? Anfänglich erkannten die Strafverfolgungsbehörden zwar an, dass auch Frauen beim IS waren. Da Tätigkeiten wie Kochen, Kinder bekommen und den Haushalt führen, allerdings nicht als terroristische Aktivitäten verstanden wurden, wurden zurückkehrende Männer direkt festgenommen, Frauen hingegen fast immer entlassen.
2018 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Aufenthalt und die Reise in IS-Gebiete nicht ausreichen, um einer Person die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last zu legen. Was hat sich seitdem getan?
In meinem neuen Policy Paper skizziere ich die Entwicklung der Strafverfolgung von Rückkehrerinnen in Deutschland. Bis etwa 2018 waren diese Frauen nicht systematisch Gegenstand der deutschen Strafverfolgung. Dann versuchte die Bundesanwaltschaft erstmals, die IS Rückkehrerin Sibel H. für die Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung anzuklagen. Doch das lehnte der Bundesgerichtshof vorerst ab. Es hieß, diese Anklage könne nicht zugelassen werden, da der reine Aufenthalt im Gebiet des IS nicht dafür ausreiche. So mussten die Staatsanwälte die mitgliedschaftlichen Aktivitäten der IS-Anhängerin deutlicher herausstellen. Sie brauchten Beweise dafür, dass Frauen zum Beispiel durch Haushaltsführung und Kindererziehung, aber auch das Wohnen in besetzten Häusern das IS-System unterstützt hatten.
Das gab also den Anlass, die konkreten Tätigkeiten der Frauen strafrechtlich zu betrachten?
Genau, unter anderem damit hat sich zunehmend auch die öffentliche Wahrnehmung verändert. Die Männer haben eben oft gekämpft, aber bei Frauen rückte die Frage in den Fokus: Was genau haben deutsche Frauen vor Ort gemacht? Damit fanden sie als aktiv handelnde, mutmaßliche IS-Mitglieder Beachtung.
Und auf der Grundlage dieser Aktivitäten werden sie dann verurteilt?
Die Strafverfolgung von Rückkehrerinnen konzentriert sich seit 2018 auf folgende Aspekte: Zum einen wird versucht nachzuweisen, dass die Frau vor Ort durch eigentlich legale Tätigkeiten wie die Haushaltsführung und die Kindererziehung das IS-System unterstützt hat und somit tatsächlich Mitglied in einer terroristischen Vereinigung ist. Das ist in 25 Fällen der bisher 26 verurteilten Rückkehrerinnen gelungen. Außerdem wird nach Beweisen für weitere Verstöße gegen nationales oder internationales Recht gesucht. Bisher wurden 15 Rückkehrerinnen für Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, also zum Beispiel das Tragen einer Kalaschnikow, verurteilt. Und es war zwar schon länger bekannt, dass die IS-Familien in Häusern wohnten, deren ursprüngliche Bewohner vom IS vertrieben worden waren. Daraus leitet sich für die Strafverfolger das Argument ab, dass solche Wohnverhältnisse Plünderung darstellen. Die Aneignung von Sachen, die einer anderen Kriegspartei gehören, gilt nach Paragraf 9 des Völkerstrafgesetzbuchs als Straftat. Zehn Rückkehrerinnen wurden für dieses Kriegsverbrechen gegen das Eigentum verurteilt.
»Mandy B. wird auch vorgeworfen, ein Kind bekommen zu haben, um den IS mit Nachwuchs zu versorgen«
Ende August begann der Prozess gegen Mandy B. Sie reiste 2016 mit ihren zwei Söhnen ins Kriegsgebiet und bekam vor Ort ihr drittes Kind. Auch ihr wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen – ein exemplarischer Fall?
Beispielhaft ist, dass Mandy B. im Jahr 2016 ausreiste. 2012/2013 reisten noch weniger Frauen aus. Später hingegen – vor allem nach Ausrufung des Kalifats – veränderte sich das: Frauen sollten kommen, vor Ort leben und dabei helfen, den so genannten »Islamischen Staat« zu etablieren. Auch die Ausreise mit kleinen Kindern ist gängig – oft gegen den Willen des Kindsvaters. Außerdem bekamen viele Frauen vor Ort mindestens ein weiteres Kind. Mandy B. wird auch vorgeworfen, nicht nur Kinder zum IS gebracht, sondern zudem ein weiteres Kind bekommen zu haben, um den IS mit Nachwuchs zu versorgen.
Ihr wird ja auch die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht Minderjähriger vorgeworfen.
Auch das ist ein wichtiger Aspekt der Strafverfolgung, bisher wurden acht Rückkehrerinnen gemäß Paragraf 171 des Strafgesetzbuchs verurteilt. Hier geht es oft um Eltern, die Kinder in ein Kriegsgebiet mitnehmen und durch die Erziehung nach IS-Ideologie Entwicklungsstörungen in Kauf nehmen. Im Fall Mandy B. waren ihre Kinder laut Anklage Zeuge von Bombenangriffen und Gewalttaten. Ihre beiden Söhnen seien durch diese Erfahrungen traumatisiert worden.
Auch der Vorwurf der Steuerhinterziehung ist für die Justiz nichts Neues.
Steuerhinterziehung war im Fall von Nadia B. bereits Thema. Sie wurde unter anderem verurteilt, weil sie unberechtigterweise weiterhin Sozialleistungen und Kindergeld bezogen hatte. Das ist im Fall von Mandy B. auch relevant: Sie hatte laut Anklage Kindergeld beantragt, obwohl sie sich nicht mehr in Deutschland aufhielt, und hatte mit dem Geld die Ausreise ihres Mannes zum IS finanziert.
Mandy B. blieb auch nach dem Fall des Kalifats dem IS treu. Aus dem Gefangenenlager Al-Hol in Nordostsyrien heraus verbreitete sie dschihadistische Propaganda auf Telegram und rief zum Spenden für Islamistinnen auf. Inwieweit können auch diese Aktivitäten strafrechtlich relevant sein?
Das ist tatsächlich sehr interessant. Es geht in ihrer Anklage auch um diese Aktivitäten in dem kurdischen Lager. Das ist ein eher neuer Aspekt. Seit einiger Zeit interessiert sich die Bundesanwaltschaft auch dafür, inwieweit es möglich ist, Aktivitäten der Frauen in den Lagern strafrechtlich zu verfolgen. Einerseits geht es dabei um Finanzierung. Inwieweit haben die Frauen versucht, Geld für die eigene Flucht oder für ihre »Schwestern« einzutreiben? Das einzuschätzen und nachzuweisen, gestaltet sich jedoch schwierig. Die Frage ist auch, ob und in welcher Zwangssituation sich die Frauen vor Ort befinden.
Dass Frauen vermeintlich zu Handlungen gezwungen werden, betrifft ja nicht nur die Zeit in den Lagern, sondern ist auch bei der Betrachtung der Zeit davor immer wieder Thema.
Ja, beim Blick auf die Urteile gegen IS-Rückkehrerinnen sieht man aber deutlich die Bandbreite an aktiven und passiven Rollen und verschiedenen Profilen und wie schwierig es ist, das jeweils nachzuweisen. Kann die Angeklagte zum Beispiel belegen, dass sie sich von der Ideologie abgewendet hat, bestimmte Dinge aber aus Angst, gefoltert oder getötet zu werden, trotzdem getan hat? Kann sie nachweisen, dass sie versucht hat, aus dem Gebiet des IS zu fliehen? Da geht es dann auch um den wichtigen Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Im Lager sieht die Situation noch einmal anders aus.
Einige Personen haben sich vielleicht im Vorfeld bereits vom IS distanziert, wurden dann aber gefangengenommen und müssen in einem Lager leben, über die die Sicherheitskräfte teilweise sehr wenig Kontrolle haben. Gerade im Lager Al-Hol finden sich Abschnitte, in denen IS-Frauen das Sagen haben. Präsentiert sich dort eine Person als distanziert vom islamistischen Gedankengut, kann sie in Lebensgefahr geraten. Da stellt sich für die Anklage die Frage, wie eine Person mit der Situation umgegangen ist und zu was genau sie gezwungen wurde.
Einen Telegram-Kanal zu bespielen, klingt erstmal nach einer aktiven Handlung.
Laut Anklage hat Mandy B. weiterhin dschihadistisches Gedankengut verbreitet sowie für Spenden für den IS geworben. Egal aus welcher Motivation heraus, ist dieser Anklagepunkt ein neuer Aspekt und eines der ersten Male, dass so eine Handlung in der Strafverfolgung von IS-Rückkehrerinnen thematisiert wird. Es ist ein weiterer Hinweis darauf, dass einige Frauen in den Camps weiterhin radikalisiert sind und sich für den IS einsetzen. Der IS selbst begreift die Lager als Teil des Kalifats, in denen Frauen das Kalifat aufrechterhalten. Ich bin gespannt, wie die Aktivitäten von Mandy B. vom Gericht beurteilt werden.
»Wie kann eine deutsche Behörde nachweisen, dass in einem Kriegsgebiet vor fünf Jahren eine Person an einem bestimmten Ort war?«
Inwieweit hat die freiwillige Rückkehr einen Einfluss auf Strafverminderung?
Seit dem Fall des IS gibt es eigentlich keine freiwillige Rückkehr, weil sich die ehemaligen Mitglieder in kurdischer Gefangenschaft befinden. Aber einige versuchen zu fliehen, schaffen es in die Türkei, werden abgeschoben und dann in Deutschland direkt am Flughafen von Sicherheitsbehörden in Empfang genommen. In den letzten Jahren haben vor allem die Rückführungen eine Rolle spielt. Die Kategorien freiwillig und unfreiwillig existieren dabei nur insofern, als dass sich Frauen im Camp freiwillig als Deutsche zu erkennen geben können.
Was ist mit deutschen Staatsbürgerinnen, die einen Anspruch auf Rückführung nach Deutschland haben, ihre Identität aber verschleiern?
Al-Hol ist ein riesiges Lager, da kann man durchaus unentdeckt bleiben. Rückgeführt aber wurden bisher diejenigen Frauen und Kinder, die sich zu erkennen geben und damit sagen: Ja, ich möchte zurückgeführt werden. Für das Strafmaß sind die Dauer des Aufenthaltes in den Camps sowie ein Geständnis, das Zeigen von Reue oder die Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm relevant.
Das heißt, die Frauen wollen zurück nach Deutschland?
Laut Auswärtigem Amt befindet sich noch eine mittlere zweistellige Zahl von Frauen und Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit in Nordosten Syriens, nur sehr wenige wünschen sich anscheinend aber noch eine Rückkehr nach Deutschland. Bisherige Rückführungen haben nicht unbedingt mit einer Distanzierung zu tun, sondern vor allem mit dem Wunsch der Mütter, ihre Kinder nach Deutschland zu bringen. Denn gerade für kleine Kinder sind die Umstände vor Ort so schlecht, dass sie einen längeren Aufenthalt wahrscheinlich schlicht nicht überleben würden.
Beweise für die Straftaten zu finden, gestaltet sich nicht einfach bei Ermittlungsverfahren im Ausland. Inwieweit arbeiten die Deutschen dabei mit ausländischen Behörden zusammen?
Wie kann eine deutsche Behörde zum Beispiel nachweisen, dass in einem Kriegsgebiet vor fünf Jahren eine Person an einem bestimmten Ort war und was sie dort gemacht hat? Das ist nicht einfach. Zum einen kann man in Syrien und im Irak nicht so einfach eine Anfrage an eine Behörde stellen, zum Beispiel weil es in Syrien keine konsularische Vertretung mehr gibt und die kurdischen Gebiete kein anerkannter Staat sind. Die Wege behördlicher internationaler Kooperation sind in diesem Kontext sehr kompliziert und auch politisch schwierig. Nicht zuletzt, weil es um Sachverhalte geht, die Jahre zurückliegen.
Wie läuft die Beweisführung dann ab?
Programme und Organisationen, wie UNITAD – die UN-Behörde zur Aufklärung von IS-Verbrechen –, sammeln vor Ort Beweise aus einem Kriegsgebiet, um Straftaten des IS nachzuweisen. Diese stellen sie auch deutschen Behörden zur Verfügung. UNITAD hat beispielsweise bereits versichert, dass klare und überzeugende Beweise dafür vorliegen, dass die Verbrechen des IS gegen die Jesidinnen einen Völkermord darstellen.
Beweise sind also vorhanden.
Ja, aber es geht für deutsche Behörden darum, an diese Beweise heranzukommen und sie auszuwerten. Das gestaltet die Prozesse der Beweisführung langwierig und schwierig. Außerdem ist es eine Frage der Ressourcen. Auch sprachliche Schwierigkeiten bei den auf Arabisch verfassten Dokumenten spielen eine Rolle. Aber auch Beweisdaten wie Ein- und Ausreisen aus der Türkei. Handydaten und Telefongespräche mit der Familie können bei der Beweisführung hilfreich sein.
Auch persönliche Zeugenaussagen werden herangezogen.
Das ist eine weitere relevante Beweisquelle. Unter anderem in Deutschland leben inzwischen viele Jesidinnen, die sich zu verschiedenen Fällen von IS-Rückkehrenden äußern könnten. Aber auch hier treten sprachliche und kulturelle Schwierigkeiten zutage. Es wäre wichtig, die Zusammenarbeit mit jesidischen Gemeinschaften und NGOs zu verstärken, um Zeuginnen und Nebenklägerinnen ausfindig zu machen und diese bei den Prozessen zu begleiten.
»Das kalkulierte Risiko durch die Rückführung muss eingegangen werden, weil alles andere noch viel schlimmer ist«
Die IS-Anhängerin Jalda A. wurde im Juli 2022 wegen »Beihilfe zum Völkermord« verurteilt. Damit ist sie die erste und die bisher einzige der deutschen Rückkehrerinnen, die für den Völkermord an den Jesidinnen mitverantwortlich gemacht wird. Welche Auswirkungen hätte darüber hinaus eine Anerkennung des Völkermords auf politischer Ebene auf die Strafverfolgung von IS-Rückkehrerinnen?
Bei der Verfolgung von Verbrechen gegen Jesidinnen geht es nicht nur um »Beihilfe zum Völkermord«, sondern auch um »Kriegsverbrechen an Personen« und »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«. Sicherlich ist die Anerkennung des Völkermords sehr wichtig, aber es stehen auch andere Mittel zur Verfügung, um diese Verbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Doch wenn Deutschland den Völkermord auch offiziell anerkennen würde – wie in der vom Bundestag im Juli angenommenen Petition angekündigt – dann wäre das ein wichtiges politisches Signal und wird voraussichtlich auch die Strafverfolgung erleichtern.
Inwiefern ist das Urteil von Jalda A. ein Präzedenzfall?
Als Zeichen nach außen, an die jesidische Gemeinschaft und generell die Opfer des IS. Der Fall Jalda A. ist aber tatsächlich etwas komplizierter. Auch wenn sie als Erste wegen Beihilfe am Völkermord verurteilt wurde, handelt es sich nicht um einen eindeutigen Fall. Sie selbst hat sich beispielsweise nicht so ideologisiert präsentiert, wie man das laut Anklage hätte erwarten können. Das Urteil ist vor allem auch noch nicht rechtskräftig.
Der Fall ist also nicht so eindeutig, wie es das derzeitige Urteil vermuten lässt?
In dem Fall ging es um einen Zeitraum von drei Wochen. Das Urteil gegen sie wurde an drei verschiedenen Situationen festgemacht, in denen sie die Slavinnen geschlagen und misshandelt hat. Ich finde das bezeichnend, weil es im Gesamtkontext ein so kurzer Zeitraum ist. Möglicherweise hat sie noch ganz andere Sachen gemacht, doch mehr kann eben nicht nachgewiesen werden. Es kommt leider selten zu einem umfassenden Urteil, denn auf Grund fehlender Beweise können die Fälle oft nicht in ihrer Komplexität behandelt werden. Deshalb sollte das Ziel nicht nur die exemplarische Anklage und Verurteilung von Einzelpersonen sein, sondern eine strategische Verfolgung des kollektiven Unrechtsverhaltens des IS.
Noch immer sitzen in Nordostsyrien mindestens neun deutsche Frauen mit über 20 Kindern fest. Zunehmende türkische Angriffe auf die Region sorgen für Instabilität. Ist Deutschland völkerrechtlich dazu verpflichtet, angesichts der Sicherheitslage diese Menschen zurückzunehmen?
Die Frage der rechtlichen Verpflichtung lässt sich bisher nicht eindeutig beantworten. Es läuft beispielsweise ein Prozess gegen Frankreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Darin geht es um die Frage, ob das Land rechtlich dazu verpflichtet ist, seine Staatsbürger, vor allem Kinder, aus Nordostsyrien zurückzuholen. Die Meinung der Völkerrechtsexperten geht in diesem Punkt auseinander.
Was denken Sie?
Mein Eindruck ist, dass die Mehrheit der Menschen, die sich beruflich mit Extremismus und Terrorismus beschäftigen, sich einig ist, dass die Rückführung die beste beziehungsweise einzige Option ist. Nur so kann proaktiv mit dem Problem umgegangen werden. Sie ist notwendig für die Strafverfolgung, für die Rehabilitierung, für die Reintegration und für die Distanzierungsarbeit. Dieses kalkulierte Risiko durch die Rückführung muss eingegangen werden, weil alles andere noch viel schlimmer ist – sowohl aus humanitärer als auch aus sicherheitspolitischer Sicht.
Die rechtlichen Fragen lassen sich aber nicht so eindeutig beantworten.
Vielleicht nicht, aber letztlich geht es hier um eine politische Entscheidung. So musste auch die Bundesregierung erst zu Rückführungen von deutschen Kindern und deren Müttern durch Gerichtsbeschlüsse gezwungen werden. Andere Länder sperren sich komplett und entziehen lieber die Staatsbürgerschaft, wie Großbritannien oder Australien. Dadurch verweigern sich Staaten ihrer Verantwortung, lassen die Kurden und Iraker mit dem Problem der IS-Kämpfer allein. In Zukunft werden wir sehr wahrscheinlich die negativen Konsequenzen dieser kurzsichtigen Vermeidungshaltung ausbaden müssen.
Sofia Koller ist Senior Research Analyst beim Berliner Büro des »Counter Extremism Project« (CEP) und Expertin für den juristischen Umgang mit islamistischem Extremismus. Derzeit leitet sie ein Projekt, das sich mit der Strafverfolgung, Rehabilitierung und Reintegration von Rückkehrenden aus Syrien und dem Irak beschäftigt.