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Profil: Rapper Thiat

Street Credibility

Portrait
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Foto: Andi Weiland / Heinrich-Böll Stiftung

Ausgerechnet ein Rapper verhalf Senegals Präsident zum Sieg. Das hat er jetzt davon.

Die Verlockung war groß. Botschafter hätte er werden können, vielleicht sogar Minister. »Die Posten hat uns Präsident Macky Sall angeboten«, erzählt Cheikh Oumar Cyrille Touré, den im Senegal alle unter seinem Künstlernamen Thiat kennen. Sall kam 2012 ins Amt und wusste, wem er seinen Wahlerfolg zu verdanken hatte: den Aktivisten der Protestbewegung »Y’en a marre – Uns reicht’s!« rund um den Rapper Thiat. Die hatten mit einer Kampagne dafür gesorgt, dass sich 200.000 Jungwähler für die Wahl registrierten und damit eine Wiederwahl des immer selbstherrlicher regierenden Präsidenten Abdoulaye Wade verhinderten. Der war damals 85 Jahre alt, und entgegen der Verfassung, die nur zwei Amtszeiten vorsieht, kandidierte er ein drittes Mal. Wade wurde abgewählt – ein großer Sieg für die senegalesische Demokratie und auch für »Y’en a marre«. Ein schicker Regierungsposten als Lohn hat Thiat aber nie gereizt: »Wir haben abgelehnt! Anders als viele Verleger und Vertreter von NGOs, die sich von Macky Sall haben kaufen lassen.« Thiat kritisiert die politische Viehwanderung, die sich häufig nach Machtwechseln in afrikanischen Staaten beobachten lässt. Weil Thiat und seine Mitstreiter standhaft blieben, wurde »Y’en a marre« zu einer der einflussreichsten Protestbewegungen Afrikas und zum Vorbild für ähnliche Gruppen in Burkina Faso oder im Kongo. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Zachariah Mampilly spricht von einer neuen Dimension des Protests: »Diese Bewegungen betonen, dass es nicht reicht, alle vier Jahre zu wählen und die Politiker an der Spitze auszutauschen.« 

»Hat der kein Hemd und keine Krawatte?« Kritik an seinem Aussehen kennt Thiat zur Genüge

Thiat, inzwischen 38 Jahre alt, hatte noch einen anderen Grund, den Fleischtöpfen der Macht zu widerstehen. Er wollte seine Rapper-Karriere vorantreiben. Seine Gruppe »Keur Gui« tritt nicht mehr nur im Senegal auf, sondern gibt auch Konzerte in Frankreich, den USA und Deutschland. Die Aufnahmen sind professioneller geworden, was geblieben ist, sind die politischen Texte und das Auftreten – die Hosen auf Halbmast und die Wollmütze mit Bommel, Thiats Markenzeichen. »Wie läuft der denn rum – hat der kein Hemd und keine Krawatte?«, musste er sich von etablierten Kräften der Zivilgesellschaft im Senegal anhören. Gleichzeitig verschafft Thiat sein Habitus als Rapper die nötige »Street Credibility« bei der jungen Bevölkerung in den Städten. Zuletzt rief »Y’en a marre« vor den Parlamentswahlen im Juli zu Protesten gegen die Regierung von Macky Sall auf. Thiat wirft dem Präsidenten Bereicherung und den Ausverkauf von Ressourcen vor. Die Regierung konterte mit Andeutungen, bei den Finanzen der Protestbewegung gehe nicht alles mit rechten Dingen zu. »Y’en a marre« erhält unter anderem Geld von der Hilfsorganisation Oxfam und der »Open Society Initiative for West Africa«, die vom Milliardär George Soros finanziert wird. Ironie der Geschichte: Den Protesten vor den Wahlen 2017 schlossen sich viele Anhänger von Ex-Präsident Wade an. Der bemüht sich übrigens, mit inzwischen 91 Jahren, um ein politisches Comeback im Senegal.

Von: 
Moritz Behrendt

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