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Wahlen im Senegal

Wade vor der Wahl

Analyse

Abdoulaye Wade hofft am 26. Februar auf seine Wiederwahl als Präsident des Senegal. Doch die Jugendbewegung, die Wade einst an die Macht brachte, verweigert ihm die Gefolgschaft. Der Amtsinhaber ist nervös.

Das westafrikanische Land Senegal gilt als ein Modell der Demokratie in Afrika, denn das bis 1976 bestehende Einparteiensystem, wurde schrittweise von einem funktionierten Mehrparteiensystem abgelöst.

 

Trotz der muslimischen Bevölkerungsmehrheit und ungeachtet der engen Kooperationen mit den Führern der muslimischen Bruderschaften zeichnet sich der senegalesische Staat durch sein säkulares System aus. Senegal gilt als Hort der Stabilität in Westafrika.

 

Und die nächste Wahl steht schon vor der Tür. Am 26. Februar sind die Senegalesen aufgerufen, ihren Präsidenten zu wählen. Amtsinhaber Abdoulaye Wade hofft auf eine dritte Amtszeit. Die Wahl Wades zum Präsidenten im Jahr 2000 gilt als Wendepunkt in der senegalesischen Politik. Zuvor war dem Amtsinhaber Abdou Diouf zunehmend Wahlfälschung vorgeworfen worden.

 

2001 änderte die Regierung Abdoulaye Wades die Verfassung. Die Legislaturperiode des Präsidenten wurde von sieben auf fünf Jahre verkürzt und das Parlament von 140 auf 120 Abgeordnete reduziert. Die Maßnahmen wurden als Schritte zur weiteren Demokratisierung gefeiert.

 

Aber die Zeiten haben sich geändert. Wades geplante dritte Wiederwahl ist verfassungsrechtlich umstritten und scheint nicht mehr gesichert. Das größte Problem für Wade sind aber nicht die Verfassung oder seine Gegenkandidaten. Es kriselt im Verhältnis zu einer seiner Hauptunterstützergruppen: der urbanen Jugend Dakars. Ohne diese wäre der politische Aufstieg Wades nicht möglich gewesen.

 

Alter Hase der senegalesischen Politik

 

Abdoulaye Wade war zur Zeit seiner Wahl im Jahr 2000 keine Neuling, sondern ein langjähriger Akteur der senegalesischen Politik. 1974 gründete er die Parti Démocratique Sénégalaise kurz PDS und trat 1978 zum ersten Mal bei den Präsidentschaftswahlen an. 1983 und 1988 erfolgten weitere Versuche. Trotz großer Hoffnungen für einen Machtwechsel verlor Wade die Wahlen.

 

Bereits bei diesen frühen Wahlkämpfen schaffte es Abdoulaye Wade jedoch, viele Jugendliche, die sich zunehmend von der Politik marginalisiert fühlten, für seine Partei und seine Ideen zu gewinnen. In einem Land, in dem heute 42 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre alt sind, ist die Jugend die Schlüsselgruppe von morgen.

 

Nachdem im Jahre 1994 eine massive Abwertung des CFA-Francs und die Forcierung der Privatisierung die Bevölkerung in eine massive finanzielle und soziale Krise stürzte, wurde der Ruf nach dem politischen Wechsel immer lauter. Mit seinem Wahlspruch »Sopi – Wechsel« schaffte es Wade, die frustrierten Jugendlichen für sich zu gewinnen und hinter sich zu vereinen.

 

Allianz mit der frustrierten Jugend

 

Wade erhielt immer mehr Zuspruch unter den Jugendlichen, was schließlich zu der Entstehung der »Sopi«-Bewegung führte, die sich hauptsächlich aus der urbanen Jugend zusammensetze. Wade konnte nun auf eine schlagkräftige politische Basis bauen. 

 

Sein Erfolg unter der städtischen Jugend verdankte er auch den jugendlichen Rappern, die der Regierung Diouf sehr kritisch gegenüber standen und in ihren Texten zur Teilnahme an den Wahlen und zum Wechsel aufriefen. Die Legalisierung privater Radiosender machte ihre Stimmung auch für breitere Schichten der Bevölkerung hörbar. 

 

Im Jahr 2000 war dann die Wechselstimmung am Höhepunkt. Der Ruf nach einer stärkeren Trennung von Religion und Politik wurde immer lauter, schließlich hatten zuvor die Wahlempfehlungen der muridischen Bruderschaften religiös verbindlichen Charakter – ein  Gefolgschafts- und Klientelsystem, das mit dem Wolof-Wort »Ndigël« gefasst wird. Abdoulaye Wade machte sich mit seiner »Sopi«-Bewegung die Krise der Wirtschaft und die Abwendung der Jugend vom »Ndigël«-Konformismus zunutze. Um den urbanen Jugendlichen näher zu kommen, bediente sich Wade grundsätzlich einer »jugendlichen« Sprache.

 

Wade siegte schließlich in den Präsidentschaftswahlen 2000 mit 58,68 Prozent der Stimmen gegen Abdou Diouf. Als Dank für die große Unterstützung der Jugendlichen bei seinem Wahlkampf versprach Wade, sich mehr für deren Belange einzusetzen.

 

Denn was mit zu Wechselstimmung beitrug, waren die unerfüllten Versprechen des damaligen Amtsinhabers Diouf. Dieser hatte vorausgesagt, dass im Jahr 2000 endlich Wohlstand, Gleichheit und Demokratie im Senegal herrschen würde. Halten konnte er sein Versprechen nicht.

 

Die Geschichte könnte sich im Senegal jetzt wiederholen. Denn auch Wade steht als Symbol für enttäuschte Versprechen. In seinen 12 Jahren Amtszeit schaffte es der Präsident nicht, die Jugendarbeitslosigkeit signifikant zu bekämpfen. Stattdessen erreichte unter seiner Regierungszeit die illegale Migration nach Europa einen Höhepunkt.

 

Eine Präsidentschaft in Stein gemeißelt

 

Längst steht die Regierungszeit Wades nicht mehr für einen jugendlichen Aufbruch sondern für steinerne Fassaden. Aufgrund der unzähligen neu entstandenen Gebäude, Umgehungsautobahnen und Fünfsterne-Hotels in Dakar wird Wade als der »Pharao Senegals« bezeichnet. Allein 2011 wurde in Dakar ein gigantisches Einkaufszentrum und ein weiteres Fünfsterne-Hotel errichtet. Die Krönung des Wadeischen Bauwahns stellt jedoch das »Monument de la renaissance africaine« dar, eine 30 Millionen Euro teure Statue, die 2010 in Dakar errichtet wurde. Das Denkmal soll die Rückkehr Afrikas auf die große Bühne der avantgardistischen Projekte markieren und zugleich an die Periode des Sklavenhandels erinnern.

 

Viele Einwohner Dakars fühlen sich jedoch regelmäßig an den Größenwahn erinnert, den immer mehr Menschen Wade unterstellen. Denn die zahlreichen Baumaßnahmen verschlingen Unsummen – und es versickern mutmaßlich große Geldmengen in den falschen Taschen.

 

Die Frage bleibt offen, wer vom Bauwahn des Präsidenten profitieren soll. Die Jugend scheint es nicht zu sein, auf dem nur langsam wachsenden Arbeitsmarkt hat sie kaum Aussichten auf Beschäftigung. Stattdessen wird an fast allen öffentlichen Universitäten gestreikt. Viele Kinder und Jugendliche kommen mit ihrer Ausbildung nicht mehr nach.

 

Der Unmut über Wade verschaffte sich 2011 Gehör. Gemeinsam mit Journalisten starteten senegalesische Rapper die Bewegung »Yen a marre – Wir  haben keinen Bock mehr«, die gegen Korruption, die steigenden Lebensunterhaltskosten sowie gegen soziale Ungerechtigkeit aufbegehrt.

 

Die ersten Protestkundgebungen fanden am 18. Januar 2011 auf den Straßen von Dakar statt. Um das Bewusstsein der Bevölkerung gegenüber der sozialen Ungerechtigkeit im Land zu erhöhen, organisierte die neu entstandene Bewegung in unterschiedlichen Stadtteilen von Dakar eine Reihe von kostenlosen Konzerten. Das Ziel war nie, eine Art afrikanischen Frühling zu starten. Aber dennoch erwuchs Wade im Jahr 2011 eine lautstarke Opposition.

 

Am 19. März fand auf dem »Place de l`Indépendence« eine Großkundgebung gegen die Regierung Wade statt, auf der tausende Jugendliche ihren Groll und ihre Enttäuschung zeigten. Das Datum hätte kaum symbolträchtiger sein können. Am 19. März 2000 war Wade das erste Mal zum Präsidenten gewählt worden. Gerade an diesem Tag drückten viele Jugendlichen ihre Enttäuschung über Wades Politik aus. Die Botschaft kam an – und die Nervosität des Präsidenten vor den Wahlen am 26. Februar 2012 scheint stetig zu wachsen.

 

So versuchte Wade mit Tonor Dieng und Moustapha Niasse wichtige Konkurrenten im Vorfeld der Wahlen durch versprochene Posten in seinem Kabinett einzubinden. Im Gegenzug sollten diese mit ihm zusammenarbeiten. Beide lehnten die Offerten Wades jedoch ab. So muss der 85-jährige Präsident trotz großer Konkurrenz den Weg in die nächsten Präsidentschaftswahlen allein beschreiten.

 

Die Wahlen versprechen daher spannend zu werden. Wades Popularität ist definitiv stark zurückgegangen. Die wirtschaftliche Lage scheint bei einem Wachstum von 4 Prozent zu stagnieren und ist weiterhin anfällig, von einer globalen Rezession erfasst zu werden. Die Massenarbeitslosigkeit ist noch immer ein drängendes Problem.

 

Entscheidend für den Ausgang der Wahlen wird jedoch sein, ob es einem Gegenkandidaten Wades gelingt, den Unmut der Straße zu kanalisieren. Wenn es nicht zu einem vergleichbaren Bündnis kommt, das Wade 2000 an die Macht brachte, könnte der amtierende Präsident mit einem blauen Auge davonkommen.

Von: 
Funda Yatman und Björn Zimprich

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