In jeder Ausgabe fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der arabischen Welt? In dieser Ausgabe antwortet: Anita Bünter Nahost-Korrespondentin beim Schweizer Fernsehen.
Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe.
- Geboren: 1987
- Wohnort: Amman, Jordanien
- Ausbildung: Ethnologie, Publizistik und Islamwissenschaft an der Universität Zürich. Auslandaufenthalte in Kairo und Beirut. Trimedialer Stage beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF.
- Karriere: Während des Studiums: Freelancerin für diverse Schweizer Tageszeitungen, danach Produzentin beim Tages-Anzeiger. Seit 2015 beim Schweizer Fernsehen SRF tätig: Zuerst Stage, ab 2017 Redaktorin bei der Tagesschau, ab 2019 Auslandredaktorin und Sonderkorrespondentin. Ab 2020 Produzentin Nachrichtenmagazin »10vor10«. Nahost-Korrespondentin seit Sommer 2021.
Wie kamen Sie dazu, Nahostjournalist zu werden?
Mein Interesse für den Nahen Osten wurde kurz vor dem Arabischen Frühling geweckt. Ich begann Arabisch zu lernen, unternahm diverse Reisen in die Region, war als Sonderkorrespondentin unterwegs. Seit Sommer 2021 bin ich nun, im Jobsharing mit meinem Mann, in Amman stationiert.
Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Straßen-Arabisch, etwas Türkisch und ein paar Brocken Farsi. Wenn es gar nicht geht, hilft eigentlich immer Verständigung mit Händen und Füssen – und ein Lächeln.
Der Orient riecht nach ...
Benzin geschwängerter Luft, abgestandenem Wasser und Abfall an der einen Straßenecke. An der nächsten Ecke nach warmem Brot, Falafel und türkischem Kaffee. Und zwischendurch auch nach Zitronen, Safran und Rosenwasser.
Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Es gibt ihn nicht, den einen »Orient«. Gefühlt ist der deutsche »Nahe Osten« kleiner als der englische »Middle East«. Für mich das verbindende Element: die Gastfreundschaft, die man überall in der Region antrifft.
Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten.
Zu schnell mit dem Interview beginnen anstatt erst Tee zu trinken. Die eigene Meinung in den Vordergrund stellen. Interviewpartnern bei langen Antworten ins Wort fallen (und den Tee nicht austrinken).
Ihr grösster journalistischer Fauxpas?
Bei einem spontanen Dreh mit Falkenzüchtern in der Wüste Katars habe ich Fragen auf Arabisch gestellt, habe aber – angesichts des katarischen Dialekts und des Fachjargons – kaum etwas von den Antworten verstanden. Bei der anschließenden Übersetzung des Interviews wurde dann klar, dass ich offenbar dauernd Fragen gestellt habe, die längst beantwortet waren.
Am meisten über den Orient gelernt habe ich...
…unterwegs mit Zug, Bus und Taxi. Auf langen Fahrten lernt man die Menschen und ihre Geschichten viel tiefer kennen als bei einem TV-Interview.
Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
Kein Roman, aber trotzdem lesenswert: »Sex and the Citadel« von Shereen El Feki.
Peter Scholl-Latour war für mich ...
…ein Autor, der mir als Schweizerin bis zur zenith-Interviewanfrage nicht geläufig war.
Die Geschichte, die Sie schon immer machen wollten, zu der sie aber nie kamen.
Einen Roadtrip über die arabische Halbinsel. Dafür muss ich aber noch ein wenig besser meine Fahr-Skills den lokalen Verhältnisse anpassen.