In jeder Ausgabe fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der arabischen Welt? In dieser Ausgabe antwortet Benjamin Hammer, Korrespondent im ARD-Hörfunkstudio in Tel Aviv
Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe.
- Geboren: 1983 in Köln
- Wohnort: Tel Aviv
- Ausbildung: Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft, Studium der Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Uni Köln und am Trinity College Dublin, Volontariat bei der Deutschen Welle
- Karriere: Zunächst Reporter bei der Deutschen Welle, 2011-2016 Redakteur in der Abteilung Wirtschaft und Gesellschaft beim Deutschlandfunk in Köln, danach auch für die Abteilung Aktuelles tätig. Seit 2017 Korrespondent im ARD-Hörfunkstudio in Tel Aviv
Wie kamen Sie dazu, Nahostjournalist zu werden?
Mein Interesse an Israel war schon als Jugendlicher groß. Auch vor dem Hintergrund des Holocaust und den Versuchen der Aussöhnung. Nach dem Zivildienst lebte ich für ein halbes Jahr in Israel. Ich fuhr auch in die palästinensischen Gebiete und merkte, wie wichtig es ist, die Dinge aus mehreren Perspektiven zu betrachten. Später organisierte ich Studienreisen in die Region mit dem Ziel, möglichst viele Blickwinkel abzubilden. Das versuche ich jetzt als Korrespondent.
Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Ich spreche etwas Hebräisch und kann mich im Alltag verständigen. Für ein komplexes Interview reicht das aber nicht.
Der Orient riecht nach ...
…palästinsischem Za'tar, den wir auf dem Markt von Nablus kaufen. Einer Stadt, die viel mehr Besucher verdient hätte.
Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Im Gazastreifen! Der Himmel ist wunderschön und sieht einfach anders aus. Die Nähe zu Ägypten ist spürbar. Heute weitgehend abgeriegelt, kann man Gazas historische Lage an der Gewürzroute immer noch schmecken: Bis heute gibt es hier das beste scharfe Essen in Israel / Palästina.
Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten.
Zu schnell mit dem Interview beginnen anstatt erst Tee zu trinken. Die eigene Meinung in den Vordergrund stellen. Interviewpartnern bei langen Antworten ins Wort fallen (und den Tee nicht austrinken).
Ihr grösster journalistischer Fauxpas?
Während der letzten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas waren die Nächte kurz. Eine Leitung für ein Live-Gespräch in mein Heimbüro stand bereits. Ich war so müde, dass ich das Gespräch verpasste. Dafür waren meine Kinder zu hören, die durch die Wohnung sprangen. Die Regie in Deutschland spielte aber einen Beitrag, und die Kinderklänge gingen nicht auf Sendung.
Am meisten über den Orient gelernt habe ich...
... von den Menschen auf der Straße. Es macht mir große Freude, mit ihnen zu reden, weil sie offen sind und etwas zu sagen haben. Egal, ob sie moderat oder extremer sind, säkular oder religiös, christlich, jüdisch oder muslimisch.
Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
»Zweite Person Singular« von Sayed Kashua sowie »Eine Geschichte von Liebe und Finsternis« von Amos Oz.
Peter Scholl-Latour war für mich ...
... ein Mann, der – wie andere – über den Afghanistan-Einsatz der Nato schon vor Jahren Dinge sagte, die im Sommer eintrafen.
Die Geschichte, die Sie schon immer machen wollten, zu der sie aber nie kamen.
Mit einem Scharfschützen der israelischen Armee am Gazastreifen sprechen. Was empfindet er, wenn er sich (un)bewaffneten Palästinensern gegenübersieht? Auf der anderen Seite des Grenzzaunes – im Gazastreifen – konnte ich bereits recherchieren.