Jede Woche fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der Arabischen Welt? Diese Woche antwortet Natalie Amiri, ARD-Korrespondentin in Teheran.
Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diese Woche: Natalie Amiri, ARD-Korrespondentin in Teheran.
- Geboren: 11. Juli 1978 München
- Wohnort: München/Teheran
- Ausbildung: Studium der Diplom-Orientalistik, Schwerpunkt Iranistik und Kommunikationswissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Auslandssemester in Teheran und Damaskus. Diplom-Abschluss 2005. Weiterbildung an der ARD-ZDF-Medienakademie.
- Karriere: Seit 2007 Auslandsberichterstattung aus den ARD-Studios Teheran, Istanbul, Athen, Rom für die Tagesschau, Tagesthemen, Weltspiegel. Seit 2015 Büroleiterin des ARD-Studios in Teheran. Moderatorin der Auslandsmagazine ARD-Weltspiegel und BR-Euroblick.
Wie kamen Sie dazu, Nahost-Journalistin zu werden?
Schon als Kind wollte ich aus Regionen berichten, die gezeichnet waren von Krieg und Krise. Schauten meine Eltern die Nachrichten mit den neuesten Informationen über den Golfkrieg, erklärte ich ihnen mit meinen drei Jahren: Ich gehe Kofferpacken, ich muss dorthin!
Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Farsi, Arabisch, Dari und Tadschikisch. Fließend feilschen und fluchen kann ich aber nur auf Farsi. Nach fünf Jahren als Journalistin in Iran bekommt man allein dadurch die richtig guten Geschichten.
Der Orient riecht nach ...
Zimt und Kardamom…. Dreck und Benzin…Safran und Minze…Ein Geruch wie eine Hassliebe – betörend und manchmal beißend…
Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Für mich lag der Orient in Syrien. Zumindest das Sinnbild dafür. Es fühlt sich heute an, als wäre mein Orient für immer zerstört.
Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten?
Laut Nase putzen bei einer Pressekonferenz in Teheran würde ich eher vermeiden, da es als extrem unhöflich gilt. Kurze Hosen sind auch nicht unbedingt gern gesehen. Und leider: Eine Frau sollte einem Mann in Iran nicht die Hand geben – verboten.
Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Es ging darum, ob wir Donnerstag oder Freitag von einer Ölplattform im Persischen Golf abreisen. Ich rief – als einzige Frau – laut auf in einer Runde von 30 Männern: »Nein, ich muss heute weg, es ist Donnerstagabend, ich habe noch etwas vor.« Unglücklicherweise wird dieser Ausdruck nur von Prostituierten benutzt.
Am meisten über den Orient gelernt habe ich ...
…auf den Straßen des Orients. In Damaskus im Minibus, in Kairo in Buchläden, in Teheran auf Lesezirkeln, in Istanbul bei den Fischhändlern, in Beirut in Clubs und in Kabul in den Kirschblütenhainen.
Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
»Iran: Die Revolution der Kinder«von Navid Kermani und »Wer den Wind sät« von Michael Lüders.
Peter Scholl-Latour war für mich ...
…derjenige, der vor 38 Jahren die Verfassung der Islamischen Republik in der Air-France-Maschine unterm Arm trug, die Ayatollah Khomeini in den Iran zurückbrachte.
Die Geschichte, die sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Die ich aber noch machen werde: Die Freundschaft zwischen Iranern und Israelis – zwischen Juden und Persern. Denn recherchiert man in der Geschichte ihre Verbindungen, waren sie länger Freunde als Feinde.