Abdul-Malik Al-Huthi machte aus der jemenitischen Rebellengruppe eine Macht, die heute in Abu Dhabi und Dschidda zuschlägt. Doch die größte Bedrohung für den Anführer der Huthis lauert in den eigenen Reihen.
Abdul-Malik Al-Huthi steht an der Spitze der längsten Rebellion in der jüngeren Geschichte Jemens. Der Aufstand in der Peripherie hat sich zu einer selbst ausgerufenen »Revolution« gewandelt und das Land in einen Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran gestürzt.
Der Führer der Huthi-Regierung in Sana'a ist ein Überlebenskünstler. Abdul-Malik Badr Al-Din Al-Huthi, angeblich irgendwann zwischen 1979 und 1982 in Sa'dah im Nordjemen geboren, ist seit dem Tod seines Bruders Hussein Ende 2004 das Gesicht der »Gläubigen Jugend« (Schabab al-Mu'minin), aus der später die Huthis hervorgehen sollten. Obwohl seine Stellung als Oberhaupt des Huthi-Clans schon früh intern umstritten war, gelang es ihm, seine Rolle unter den wichtigsten Zaiditen-Familien und einem Teil der jemenitischen Bevölkerung zu festigen. Die Zaiditen bilden innerhalb des Islams einen Zweig der Schiiten.
Die skeptischen Familienmitglieder bekleiden inzwischen selber einflussreiche Posten in der Regierung, die international nur von Teheran anerkannt wird. Onkel Abdul-Karim ist Innenminister, die Brüder Yahya und Abdul-Khaleq Bildungsminister beziehungsweise Armeechef. Dennoch bleiben Abdul-Maliks Ambitionen im Dunklen: Ist er eine Marionette der wahren Anführer der Huthis? Oder bringt er sich in Stellung als Staatsoberhaupt für die Zeit nach dem Krieg?
Abdul-Malik stellte für die Anführer der Rebellengruppe keine langfristige Bedrohung dar
In den 1990er Jahren war Abdul-Maliks Bruder Hussein noch in der »Partei der Wahrheit« engagiert, einer islamistisch orientierten Plattform der Zaiditen. Im Sommer 1994 schloss er sich Präsident Ali Abdullah Saleh im Kampf gegen Separatisten im Südjemen an. Bereits 1992 hatten Hussein und sein Vater Badr Al-Din Al-Huthi die »Gläubige Jugend« gegründet. Die Bewegung hatte ihren Sitz in Sa'dah, dem historischen Zentrum des ersten zaiditischen Imamats, wo sie Bildungszentren für zaiditische Kinder eröffnete. Zu dieser Zeit gewannen die politischen Gegner der Huthis, salafistische Gruppen und sunnitisch-islamistische Parteien wie Al-Islah, die mit der Muslimbruderschaft verbündet waren, in der Hauptstadt Sana'a an Stärke und Einfluss.
Hussein Al-Huthi war auch maßgeblich an den Verhandlungen über den Grenzvertrag zwischen Saudi-Arabien und Jemen im Jahr 2000 beteiligt. Er positionierte sich und seine Familie als Machtbroker bei den Stämmen von Sa'dah bis Al-Jawf. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York agitierte Hussein gegen die Rolle der USA im Jemen, insbesondere gegen den Ausbau der militärischen Beziehungen zwischen Sana'a und Washington.
Der Konflikt zwischen den Huthis und Salehs Regime eskalierte 2004 und führte zu einem sechs Jahre andauernden, verheerenden Krieg in Sa'dah. Hussein Al-Huthi wurde im September 2004 getötet, und während der Streit um seine Nachfolge zunächst die Einheit des Clans in Frage stellte, kristallisierte sich der bis dato weithin unbekannte Abdul-Malik als Kompromisskandidat heraus: Abdul-Malik stellte für die Anführer der Rebellengruppe keine langfristige Bedrohung dar – anders als sein Onkel Abdul-Karim.
Unter Abdul-Malik hat die »Revolution« der Huthis einen Wandel vollzogen
Während Hussein als charismatischer Intellektueller und fähiger Kommandant galt, betrat Abdul-Malik als zurückgezogene Galionsfigur die politische Bühne. Ein Blick auf frühe öffentliche oder im Fernsehen übertragene Reden zeigt, dass er nur langsam in seine neue Rolle hineinfand. In den letzten Jahren scheint er sich bei seinen Auftritten wohler zu fühlen und hat eine weitaus tiefere Verbindung zu den Anhängern.
Während die Rebellengruppe unter Abdul-Malik als stärkste Fraktion im Jemens Machtkampf aufstieg, haben sieben Jahre Krieg seit 2015 auch ihren regionalen Wirkungsradius expandieren lassen. Das Bündnis mit Iran hat den Huthis bessere Waffen beschert, die es ermöglichten, Angriffe tief in saudischem Territorium durchzuführen. Im Januar 2022 drangen die Drohnen gar bis in die Vereinigten Arabischen Emirate vor und griffen ein Öldepot in Abu Dhabi an. Unter Abdul-Malik hat die »Revolution« der Huthis einen Wandel vollzogen: von einer innerstaatlichen Umstrukturierung des politischen Systems hin zu einer gemeinsamen Agenda an der Seite Irans, der Hizbullah, Syriens und der Hamas als Teil der »Achse des Widerstands«.
Die meisten politischen Beobachter im Jemen sehen Abdul-Malik Al-Huthi dennoch weder als potenziellen Staatschef noch als Königsmacher. Er unterhält weder direkten Kontakt zu Stammesführern noch zur Bevölkerung im Nordjemen. Sein Onkel hingegen ist zwar weitaus weniger charismatisch, kontrolliert dafür aber das Machtzentrum der Huthis. Abdul-Karim Al-Huthi steht nicht nur an der Spitze der militärischen Entscheidungsgewalt, sondern wacht auch über das Wirtschaftsnetzwerk der Huthis und die Beziehungen zu Iran.
So steht trotz des Aufstiegs der Huthis unter Anführer Abdul-Malik dessen Zukunft auf tönernen Füßen: Nicht nur weil seine prominente Rolle ihn zur Zielscheibe für Saudi-Arabien werden ließ, sondern vor allem, weil er von einer Reihe ehrgeiziger Kontrahenten mit starkem Rückhalt bei Jemens Stämmen umgeben ist. Sobald ein Friedensabkommen mit Saudi-Arabien auf dem Tisch liegt, wird der ältere Huthi die tatsächliche Macht übernehmen. Das aber setzt voraus, dass keine größere militärische Niederlage den Ambitionen der Huthis einen Strich durch die Rechnung macht.