Lesezeit: 8 Minuten
Interview zu Israel, Ukraine und Russland

»Kein Druck, Waffen an die Ukraine zu liefern«

Interview
Interview zu Israel, Ukraine und Russland
UN Photo/Manuel Elías

Zwischen den USA als wichtigstem Verbündeten, Russland als mächtigem Nachbarn in Syrien und der Ukraine als bedrängtem Partner: Der israelische Russland-Experte Daniel Rakov ordnet ein, warum Israel sich nicht klar gegen Moskau positioniert.

zenith: Israel hat am 24. Februar gemeinsam mit den USA für eine Resolution gestimmt, die Russland nicht als den Aggressor im Ukraine-Krieg benennt. Bedeutete das Abstimmungsverhalten einen Wandel in Israels Außenpolitik?

Daniel Rakov: Die Trump-Administration hat Israel stark unter Druck gesetzt, um nicht isoliert dazustehen. Auf UN-Ebene hat Washington in der Vergangenheit bei Abstimmungen, die Israel ins Visier nahmen, sich an Israels Seite gestellt. Als die Amerikaner nun also an die israelische Delegation herantraten, gab es wenig Verhandlungsspielraum. Aber viele Israelis fühlen sich ganz gewiss nicht wohl dabei, gemeinsam mit Russland, Nordkorea und Belarus zu stimmen.

 

Und wo steht Israel nun außenpolitisch?

Außenminister Israel Katz erklärte direkt nach der Abstimmung, dass die USA um die gemeinsame Abstimmung baten, um Frieden zu schaffen. Israel unterstützt Frieden, erkennt Russland aber dennoch als den Aggressor im Konflikt an. Ich beobachte keine generelle Tendenz, von dieser Haltung Abstand zu nehmen. Die Abstimmung zeigt, dass Israel den USA sehr nahesteht – nicht, dass sich Israels Position grundlegend verändert hat. Aber natürlich hat sich Israels Strategie seit dem Amtsantritt der zweiten Trump-Regierung ein Stückweit verschoben: So stand die Regierung in den letzten Monaten in intensiverem Austausch mit Russland als zuvor.

 

Wie gestalteten sich Israels Beziehungen zur Ukraine und Russland vor der russischen Invasion 2022?

Israel pflegte gute Beziehungen zu Russland – insbesondere seitdem die Russen 2015 in den syrischen Bürgerkrieg eingriffen. Im militärischen Sinne waren sie Israels Nachbarn. Israelische Streitkräfte waren häufig im Einsatz gegen iranische Ziele auf syrischem Boden. Dabei galt es, einen Zusammenstoß mit russischen Kampfflugzeugen im syrischen Luftraum zu vermeiden. Dementsprechend eng war die politische Zusammenarbeit. Netanyahu galt als Meister im Umgang mit Putin.

 

»Auch Israel möchte die russischen Stützpunkte in Syrien erhalten«

 

Und wie veränderte sich diese Beziehung mit dem Krieg gegen die Ukraine?

Israel verurteilte den Angriff und stimmte dementsprechend in der UN-Generalversammlung. Aber intern zogen nicht alle am gleichen Strang. Tatsächlich bot sich die Regierung unter Naftali Bennett als Vermittler an – und löste damit in Moskau die Sorge aus, dass Israel sich auf die ukrainische Seite stellt und sich dem Westen in dieser Frage weiter annähert. Dieser Vorstoß versandete aber bald. Als Netanyahu 2023 wieder an die Macht kam, hatte sich allerdings wenig geändert und er konnte seinen Kurs mehr oder weniger so weiterführen. Das bedeutet auch, dass Israel keine Sanktionen gegen Russland verhängen wird.

 

Wie wirkt sich das auf die Frage nach israelischen Waffenlieferungen an die Ukraine aus?

Israel unterstützt die Ukraine, aber nicht mit tödlichen Waffen. Von 2022 bis 2024 bestand das Problem darin, dass Kiew die Lieferung genau jener Waffen oder Luftraumverteidigungssysteme erwartete, während Israel das ablehnte. Weil Israel diese Systeme selbst brauchte und zudem nicht mit den Russen in Syrien aneinandergeraten wollte. Israel setzte hier bewusst Prioritäten und auch derzeit besteht kein Druck, Waffen an die Ukraine zu liefern. Es scheint ja ohnehin so, als würden die Europäer diese Lücke schließen, nachdem die USA Kiew nicht mehr unterstützen. Aber: Israel hat sich zwar mit Waffenlieferungen an die Ukraine zurückgehalten, jedoch nicht mit Rüstungsexporten nach Europa, etwa an Rumänien. Hätte Israel Russland stärker in die Hände spielen wollen, würde es keine Verteidigungsgüter an die Ukraine oder andere Nachbarländer Russlands liefern.

 

Sind gute Beziehungen zu Moskau immer noch von derart strategischer Bedeutung? Schließlich ist das Assad-Regime gestürzt und die Hizbullah stark geschwächt.

Der Sturz des Assad-Regimes bedeutete für Russland einen erheblichen Prestigeverlust, da Syrien eine zentrale Schaltstelle der russischen Präsenz im Nahen Osten war. Die Russen kamen, um das Regime zu verteidigen, was ihnen eine Zeit gelang. Ich denke, dass die russische Stellung im Nahen Osten zwar geschwächt wurde, aber keinesfalls am Ende ist. Denn während des gesamten vergangenen Jahrzehnts konnte Moskau erfolgreich Beziehungen aufbauen, insbesondere mit der Türkei und den Golfstaaten. Als das Assad-Regime zusammenbrach, wandten sich die Russen also an Ankara, Riad, Doha und Abu Dhabi. Seitdem verhandeln sie über den Verbleib ihrer Militärstützpunkte in Syrien.

 

Was bedeutet das für Israel?

Auch Israel möchte die russischen Stützpunkte erhalten – nicht zuletzt, weil der Regimewechsel die Türkei stärkt und Ankara Israel gegenüber sehr feinselig eingestellt ist. Sollte die Türkei den syrischen Luftraum kontrollieren, schadet das Israels Position in der gesamten Region. Es liegt also im israelischen Interesse, dass es mit Russland ein Gegengewicht zur Türkei in Syrien gibt. Dann bietet sich Russland an, zumal Moskau infolge der geschwächten Position weit weniger Druck auf Israel ausüben kann. Dennoch bleiben grundlegende Differenzen, allen voran in Bezug auf Iran. In der Atomfrage etwa wird sich Russland nicht an die Seite der westlichen Staaten stellen. Russland ist kein Freund, aber ein Partner. Den würde Israel gern miteinbeziehen, insbesondere da die amerikanisch-russische Annäherung Russlands Position im Nahen Osten und weltweit stärkt.


Interview zu Israel, Ukraine und Russland

Daniel Rakov ist Experte für russische Politik im Nahen Osten und leitender Forscher am Elrom-Zentrum für Luft- und Raumfahrtstudien der Universität Tel Aviv sowie am Jerusalemer Institut für Strategie und Sicherheit. Über 20 Jahre diente Rakov im Militärgeheimdienst der israelischen Streitkräfte.

Von: 
Franziska Eiles

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.