Im November steigt der nächste Weltklimagipfel in Kairo – 2023 sind dann die VAE an der Reihe. Insbesondere die Golfmonarchien wollen in der Nahost-Klimapolitik eine neue Ära einleiten. Ausdruck eines neuen Verantwortungsbewusstseins oder reine PR?
Lange Zeit war die Klimapolitik der öl- und gasfördernden Länder nicht nur kaum zu erkennen, sondern auch bewusst manipulativ und destruktiv. Während die Mitglieder der Arabischen Liga selten mit einheitlicher Stimme auf den Klimakonferenzen auftraten, verlagerte sich die globale Umweltagenda auf die »Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten« (OAPEC) und ihr einflussreichstes Mitglied: Saudi-Arabien.
Das saudische Königreich war häufig als einziger arabischer Staat mit einer großen, sehr gut vorbereiteten Delegation auf den Konferenzen vertreten. Riad setzte so seine Interessen auf Kosten der Bedürfnisse ressourcenschwacher arabischer Länder durch.
Unter dem Primat, den Stellenwert des Erdöls – und damit auch den des saudischen Königreichs – in der globalen Energiewirtschaft zu schützen, hat Saudi-Arabien auf diversen internationalen Konferenzen im ersten Jahrzehnt der 2000er-Jahre die Klimakatastrophe verleugnet und bewusst gegen die Erreichung von Klimazielen wie der 1,5-Grad-Marke gekämpft.
Riads Taktik und Verhalten auf der internationalen Klimabühne hat in der Forschung eine gewisse Aufmerksamkeit erhalten und lässt sich unter folgenden Strategien zusammenfassen: Leugnung des menschengemachten Klimawandels und Betonung der eigenen Opferrolle, mitsamt der Forderung nach Entschädigung für nachteilige Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf Saudi-Arabien. Und schließlich Vermeidung von Verpflichtungen. Um das zu erreichen, setzte Riad auf Verweigerung, Verschiebung oder Verzögerung von Entscheidungsprozessen.
In vielen Fällen hat Saudi-Arabien nach Bündnispartnern mit ähnlichen Interessen gesucht
Sobald sich abzeichnete, dass Klimavereinbarungen umgesetzt wurden, bestand eine weitere Taktik darin, Verfahren aktiv und bewusst zu manipulieren, wie Riad es beispielsweise probierte, nachdem es das Kyoto-Protokoll 2005 ratifiziert hatte.
In vielen Fällen hat Saudi-Arabien nach Bündnispartnern mit ähnlichen Interessen gesucht, um seine Position zu stärken und oft folgten die anderen Golfmonarchien dem großen Nachbarn. Seit Beginn des letzten Jahrzehnts veränderte sich dieses Bild allerdings merklich.
Bereits 2011 machte Katar auf sich aufmerksam, als es – für viele Beobachter überraschend – als Ausrichtungsort für die nächste Klimakonferenz benannt wurde. Der internationale Aufschrei war groß, dass dem Land mit dem weltweit größten ökologischen Fußabdruck diese Ehre zuteilwurde. Wie der Guardian es im Vorlauf formulierte, konnte »es sich nur um einen »Scherz handeln«. Angesichts der breiten Kritik sah sich das Land gezwungen, innerhalb kürzester Zeit eine glaubhafte Klimapolitik zu vermitteln.
Durch geschickte Lobbyarbeit, eine massive Aufstockung der Kapazitäten der nationalen Umweltbehörde und viele Großprojekte, die einen »grünen« Anstrich erhielten (allen voran die kommende Fußballweltmeisterschaft und mit ihr verbundene Urbanisierungsprojekte), gelang es dem Emirat, die Klimakonferenz 2012 als Erfolg zu verbuchen. Dieser Ausflug in die Welt der internationalen Klimadiplomatie war aber eher von kurzer Dauer.
Für die Länder am Golf ist es dabei kein Widerspruch, weiterhin Öl und Gas zu exportieren
Während sich Katar auf seine Rolle als Exporteur von emissionsärmerem Flüssiggas beschränkte, erkannten andere Nachbarländer das Potenzial einer aktiven Klimadiplomatie. So ist in den letzten Jahren insbesondere in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ein Politikwechsel zu beobachten. 2021 verkündeten die beiden Länder sowie Bahrain ehrgeizige Ziele: Bis 2050, beziehungsweise bis 2060, wollen sie klimaneutral werden – eine Ankündigung, die vor einigen Jahren undenkbar gewesen wäre.
Mit Abu Dhabis »Regionalem Klimadialog« im Frühjahr 2021 sowie der »Saudi and Middle East Green«-Initiative im Vorlauf der Klimakonferenz in Glasgow 2021 stellten die Golfländer zudem ihre eigenen regionalen Klimapläne vor und zementierten damit ihre regionale Vorreiterrolle. Auch die Ankündigung, dass die VAE die Klimakonferenz im Jahr 2023 ausrichten werden, untermauert den selbst gesetzten Anspruch der Herrschaftselite in Abu Dhabi.
Die Hintergründe dieses Umdenkens sind vielschichtig und müssen in ökonomischen, aber auch politischen Dimensionen betrachtet werden. Grundsätzlich sehen die ölreichen Golfmonarchien ihren ökonomischen Wohlstand, aber auch ihre politische Stabilität in einer zunehmend klimabewussten Welt gefährdet. Für die Länder am Golf ist es dabei kein Widerspruch, weiterhin Öl und Gas zu exportieren, weshalb auch die Förderkapazitäten stetig erhöht werden.
Das Problem, so der Gedanke der Herrschaftselite, seien nicht die fossilen Energieträger, sondern die mit ihrer Produktion entstandenen Emissionen, die minimiert werden müssen. Es geht also eher darum, die Öl- und Gasproduktion »sauber« zu machen, als sich von ihr zu verabschieden. Zusätzlich werden erneuerbare Energiequellen staatlich gefördert, um den nationalen Energiebedarf zu befriedigen und gleichzeitig mehr konventionellen Brennstoff zu exportieren – zumindest, solange es noch möglich und finanziell rentabel ist. Neben diesen sozioökonomischen Interessen spielen auch politische Erwägungen eine Rolle.
Mit dem steigenden Interesse und einem globalen Bewusstsein haben die Golfländer auch erkannt, dass sie ihre internationale Reputation durch ein grünes, oder zumindest grüneres, Image verbessern können. Im besten Fall kann man sogar von Vergehen wie der Invasion im Jemen oder der Ermordung von politischen Dissidenten in ausländischen Botschaften ablenken und sich stattdessen als verlässlicher Partner der internationalen Staatengemeinschaft im Kampf gegen den Klimawandel präsentieren. Dass beide Länder in ihren sehr ähnlichen Klimamaßnahmen und -zielen kaum kooperieren, offenbart ferner, dass Klimapolitik als ein weiteres Feld einer Konkurrenz um regionale Vormachtstellung betrachtet werden sollte.
Damit es nicht nur bei einer »grünen Propaganda« im Rahmen internationaler Klimakonferenzen bleibt
Bisher blieb es vor allem bei ambitionierten Zielen und pressewirksamen Ankündigungen. In internationalen Indexen wie dem »Climate Action Tracker« schneiden die Golfmonarchien nach wie vor schlecht ab. Obwohl sie sich vor allem die Reduktion ihrer Emissionen auf die Fahne geschrieben haben, sind diese – wie überall auf der Welt – stetig gestiegen. Umweltregularien sind zwar in vielen Staaten am Golf gesetzlich festgeschrieben, deren Umsetzung wird aber häufig wenig Beachtung geschenkt – insbesondere, wenn dadurch ökonomische Interessen gefährdet werden. So bleiben etwa Ölverschmutzungen durch die großen staatlichen Energieunternehmen meistens ungeahndet.
Um die Versprechen, die über die letzten Monate auf der internationalen Klimabühne ausgesprochen wurden, auch umzusetzen, müssen die Golfstaaten noch einen langen und steinigen Weg gehen. Der Reformprozess muss dabei vor allem innerhalb dieser Länder vollzogen werden: So müssten die nationalen Umweltinstitutionen gestärkt und die auf dem Papier wohlklingenden Umweltgesetze und -regularien auch strikter umgesetzt werden.
Zudem müssten politische Entscheidungsträger in den Golfstaaten einen ganzheitlichen Ansatz hinsichtlich einer nachhaltigen Transformation verfolgen: Bisher beruht der Gedanke vor allem darauf, das bisherige sozioökonomische Modell aufrechtzuerhalten. Weiterhin gilt, möglichst viel Profit aus der Energiewende zu schlagen, um damit nicht nur Wirtschaftswachstum zu sichern, sondern auch politische Stabilität zu erkaufen.
Stattdessen müssten Reformen noch tiefer greifen als bislang, die Subventionen im Energiebereich radikal gekürzt und Mechanismen wie eine CO2-Preisbesteuerung eingeführt werden, um Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien zu schaffen. Anstelle des bisherigen zentralisierten und staatlich kontrollierten Ansatzes einer nachhaltigen Entwicklung, muss der Privatsektor gestärkt und als Teil der Lösung betrachtet werden.
Zwar wäre die internationale Staatengemeinschaft gut beraten, die von einigen Golfstaaten proklamierten Schritte zu begrüßen. Umso mehr sollte sie aber auch auf deren Umsetzung pochen. Damit es nicht nur bei einer »grünen Propaganda« im Rahmen internationaler Klimakonferenzen bleibt.
Dr. Tobias Zumbrägel arbeitet seit November 2019 als Researcher beim Bonner Thinktank CARPO (Center for Applied Research in Partnership with the Orient). Zuvor studierte er Islamwissenschaft, Geschichte und Politikwissenschaft an den Universitäten Köln, Tübingen und Kairo. Er wurde zum Thema Umweltpolitik als Legitimationsstrategie in den ölreichen Golfmonarchien promoviert.