An einem Tag im September kam Ulrich Kienzle (1936-2020) nach Beirut, um den Neuanfang zu filmen. Er glaubte damals, der Krieg sei nun zu Ende – und fand sich in einem Albtraum wieder.
Auf einer altersschwachen Fähre schipperten wir der Küste entgegen. Aus der Ferne zeichnete sich die hellblaue Silhouette des Libanongebirges ab. Mehr als 15 Stunden mühsamer Seefahrt lagen hinter uns. Es war aber kein Anfall romantischer Gefühle, der mich im September 1982 veranlasst hatte, die Route übers Meer zu wählen. Der Flughafen von Beirut war 1976 von der Artillerie der Phalangisten zerstört worden – wenn die Christen ihn schon nicht benutzen konnten, so sagten sie sich, sollte es auch den Muslimen nicht vergönnt sein.
Nun ging endgültig nichts mehr. Die libanesische Fluggesellschaft »Middle East Airlines« hatte ihre gesamte Flotte nach Zypern ausgeflogen, die letzten Boeings 747 waren unter Artilleriebeschuss gestartet, links und rechts der Runway hatten Granaten eingeschlagen. Beirut war nur noch über Damaskus erreichbar – oder über Zypern mit dem Schiff. Aber nicht nur der Flughafen, auch der Hafen der libanesischen Hauptstadt lag längst in Schutt und Asche. So hieß unser Zielhafen Jounieh, ein Ort nördlich von Beirut, Hochburg der christlichen Phalangisten.
Als wir uns der Küste näherten, tauchte am Horizont die Statue der »Notre Dame du Liban« auf, eine 15 Tonnen schwere bronzene Jungfrau Maria, die hoch oben auf einem der Hügel segnend ihre Hände über die Bucht von Jounieh hält. In Jounieh herrschte ganz normaler Alltag, sogar das »Casino du Liban« hatte geöffnet. Die Kugeln rollten wieder, Zeichen der Entspannung. Endlich schien es Frieden im Libanon zu geben.
Ich war zurück im Libanon. 1977 hatte ich das Bürgerkriegsland aus Sicherheitsgründen verlassen müssen, nachdem ich in einem Beitrag für den »Weltspiegel« aufgedeckt hatte, dass Israel maronitische Milizen im Südlibanon unterstützte. Es folgten drei Jahre erst als Korrespondent in Südafrika, dann als Chefredakteur bei Radio Bremen.
Im Südlibanon hatte die PLO in dieser Zeit eine schlagkräftige Operationsbasis gegen Israel aufgebaut. Regelmäßig griffen die Palästinenser von dort aus die Region Galiläa an, Israel reagierte mit Vergeltungsschlägen. 1978 drangen die Israelis schließlich in den Südlibanon ein und besetzten einen Grenzstreifen. Am 18. April 1979 etablierte Major Haddad mit Unterstützung der Israelis die »Republik Freier Libanon«. Doch diese sogenannte »Schutzzone« blieb wirkungslos – noch immer gelangen palästinensischen Kommandos gezielte Terrorschläge gegen die israelische Bevölkerung.
Im Juni 1982 eskalierte die Situation: Ariel Scharon, damals israelischer Verteidigungsminister, ließ seine Truppen auf breiter Front in den Libanon einmarschieren. Auslöser war ein Attentat auf den israelischen Botschafter in London, Ziel die Zerschlagung der PLO. Jetzt war die Stunde von Major Haddad und seiner von Israel unterstützten »Südlibanesischen Armee«, der SLA, gekommen. Mit Hilfe der SLA drangen die Israelis in die südlibanesischen Städte Tyros und Sidon vor, besetzten diese und machten erst wieder Halt, als sie die PLO in Westbeirut eingekesselt hatten.
Der Gipfel des libanesischen Wahnsinns war erreicht: Auf dem Territorium des Libanon führte Israel jetzt einen Krieg gegen die PLO, einen Krieg im Bürgerkrieg. Und weil jedes Gemetzel einen Namen braucht, nannte Scharon diesen fünften israelisch-arabischen Krieg Operation »Frieden für Galiläa«.
Das passte zu Hafiz al-Assad: Die Zerschlagung der PLO war in seinem Sinn – der Libanon sollte schließlich syrisch werden. Die Drecksarbeit überließ er den Israelis. Nach wenigen Tagen glich die Umgebung der Palästinenserlager einem Trümmerfeld.
Die syrischen Truppen beobachteten das zerstörerische Treiben teilnahmslos. Das passte zu der Politik Hafiz al-Assads: Die Zerschlagung der PLO war durchaus in seinem Sinn – der Libanon sollte schließlich früher oder später syrisch werden. Die Drecksarbeit aber überließ er den Israelis. Schon nach wenigen Tagen glich die Region um die Beiruter Palästinenserlager einem Trümmerfeld. Die verheerenden Luft- und Artillerieangriffe Israels forderten Tausende Opfer in der Zivilbevölkerung. Israel setzte zum finalen Schlag gegen die libanesische Hauptstadt an.
In dieser Situation entschloss sich die US-Regierung zu einem völlig unerwarteten Schritt. Der damalige US-Außenminister Alexander Haig drängte Palästinenser-Chef Jassir Arafat in zahlreichen Verhandlungsrunden, das Feld zu räumen, und US-Präsident Ronald Reagan organisierte eine multinationale Schutztruppe, die den Abzug kontrollieren sollte. So kam nach einer fast elfwöchigen Belagerung und Bombardierung der Palästinenserlager für die völlig erschöpften Beiruter ein Ende des Schreckens in Sicht.
Unter Vermittlung der USA wurde ein 14-Punkte-Plan beschlossen, am 21. August 1982 verließen die ersten palästinensischen Kämpfer die libanesische Hauptstadt. Jassir Arafat hatte mit Unterstützung der Amerikaner seinen Kopf in letzter Sekunde aus der Schlinge gezogen. Und Ronald Reagan wurde zum Retter der PLO.
Zwei Tage nachdem der Abzug der PLO begonnen hatte, wurde im libanesischen Parlament Baschir Gemayel zum Präsidenten gewählt – gegen den Widerstand der Syrer und des Frangieh-Lagers, mit der Unterstützung aber von Jumblatts Drusen und einiger Muslime. »Es ist vorbei«, schrieb das Beiruter Magazin An-Nahar International. Die Welt ging davon aus, dass sich die Lage in dem vom Bürgerkrieg zerstörten Land endlich beruhigen und stabilisieren würde. Bereits am 10. September zogen auch die amerikanischen Schutztruppen wieder ab.
Für die ARD wollte ich einen Film über Neuanfang und Frieden im Libanon drehen. Dafür war ich eine Woche nach Gemayels Wahl nach Beirut gekommen. Ich war überrascht, wie viele Häuser noch standen. Nach den Fernsehbildern zu urteilen, die ich zu Hause gesehen hatte, hätte eigentlich ganz Beirut eine Trümmerwüste sein müssen.
Die zweite Überraschung bot die Hamra, die ehemalige Prachtstraße. Sie war zwar heruntergekommen, aber es gab fast nur Glasschäden. Die Nobelläden hatten geschlossen, auf den Gehsteigen entlang des Boulevards hatte sich ein arabischer Billigmarkt mit bunten Verkaufsständen etabliert. Im Hotelviertel sah es schlimmer aus. Das »Saint George«, das »Phoenicia« und das »Holiday Inn« waren Ruinen. Aber im noblen »Bristol« begann man bereits, die Zimmer zu restaurieren. Und einige halbzerschossene Hotels hatten schon erste Gäste.
Die Bodenpreise begannen in den geräumten Vierteln anzuziehen, besonders an der Corniche. Die Polizisten waren aus ihren Verstecken aufgetaucht und verteilten wieder Strafzettel. Und ein weiteres libanesisches Rätsel löste sich jetzt vor meinen Augen: Ich hatte mich immer gewundert, warum mitten im Krieg Hochhäuser hochgezogen wurden. Während des Bürgerkriegs hatten libanesische Bauherren Betongerippe, mit billigen syrischen Gastarbeitern und ohne Baugenehmigung, aus dem Boden gestampft – während Milizionäre andere Häuser in Schutt und Asche legten. Scheinbar sinnlos waren diese Rohbauten in der Gegend herumgestanden. Jetzt begann man mit dem Ausbau.
Auch der einst nach Monaco geflüchtete Hotelier Maschek war wieder in der Stadt. Mit dem Abzug der PLO war der Österreicher zurückgekehrt. Auch er rechnete jetzt fest mit einer Stabilisierung der Verhältnisse und war gerade im Begriff, ein neues Restaurant zu eröffnen. »Selbst frisches Tatar aus Paris bekommen wir wieder«, schwärmte er. »Man muss nur genügend Schekel auf den Tisch legen.« Die kulinarischen Versorgungswege nach Beirut liefen jetzt offensichtlich über Israel.
Der Libanon war auf einem guten Weg. In entspannter Atmosphäre saß ich am Nachmittag des 14. September 1982 im Hotel »Commodore« und trank Kaffee – als plötzlich eine ungeheure Detonation die Stadt erschütterte. Die Fensterscheiben klirrten. Das war keine normale Autobombe, das hatte sich nach etwas Größerem angehört. Nach wenigen Minuten hatte ich Klarheit. Ich rief sofort mein Team zusammen und wir fuhren zum Phalangisten Büro in den Stadtteil Ashrafiyeh.
Die Explosion hatte einen tiefen Krater in die Erde gerissen, überall lagen Verletzte und Tote.
Als wir ankamen, war an der Stelle, wo das Hauptquartier von Gemayels Phalange lag, die Hölle los. Die Explosion hatte einen tiefen Krater in die Erde gerissen, das Gebäude war weitgehend zerstört und drohte einzustürzen. Überall lagen Verletzte und Tote, hektisch rannten Sanitäter und Ärzte hin und her und versuchten, die Opfer zu bergen. Andere knieten in Verzweiflung nieder und beteten. Das Geheul der Krankenwagensirenen vermischte sich mit dem Geschrei der Verletzten. Bewaffnete Phalangisten irrten durch die Menge und schrien nach ihrem Oberbefehlshaber. Verzweifelte Menschen weinten und beteten. »Lieber Gott, lass ihn nicht sterben! Lass Baschir überleben!« Erschütternde Szenen.
Baschir Gemayel, der frisch gewählte Präsident des Libanon, war Opfer eines Bombenattentats geworden. Es war nicht sicher, ob er überlebt hatte. Nach quälend langen Minuten wurde er unter den Trümmern gefunden. Mit bloßen Händen buddelten sie ihn aus. Das Beten, Wimmern und Klagen verwandelte sich in einen einzigen Jubelschrei. Zu früh, wie sich bald herausstellte. Die Ambulanz hatte einen Leichnam ins Krankenhaus gefahren. Baschir Gemayel war tot. Und mit ihm 20 Mitarbeiter seiner Parteizentrale. Jetzt übernahmen Milizionäre das Kommando und versuchten, Ordnung in das Chaos zu bringen. Als sie unsere Kamera entdeckten, nahmen sie uns das Material ab. Protest war zwecklos. Niemand sollte die Verzweiflung der Phalangisten sehen.
Die Israelis nutzten das entstandene Chaos. Noch in der Nacht marschierten ihre Truppen in Westbeirut ein. Als ich früh am nächsten Morgen allein durch die Stadt fuhr, sah ich am Straßenrand völlig erschöpfte israelische Soldaten friedlich schlafen. Sie hatten sich einfach hingelegt. Ohne Deckung. In einer überstürzten nächtlichen Aktion waren sie ins Zentrum der Stadt vorgestoßen, um das pro-israelische Gemayel-Lager im Libanon zu stärken. Jetzt schliefen sie friedlich. Niemand kümmerte sich um mich. Niemand hinderte mich daran, die Straße zu passieren. Es war der 15. September 1982, es herrschte Ruhe in der Stadt. Den ganzen Tag lang. Die Ruhe vor dem Sturm.
Beirut war jetzt in den Händen der Israelis. Allein saß ich am nächsten Abend auf dem Balkon des »Concorde«, eine Flasche Ksara Rosé neben mir, und sinnierte über die weitere Entwicklung im Libanon. Ein solches Attentat würde nicht ohne Folgen bleiben. Wer waren die Täter? Hatten die Palästinenser eine letzte Botschaft hinterlassen? Oder waren es die Syrer?
Der nächtliche Himmel über Beirut wurde immer wieder durch irritierende Leuchtfeuer erhellt. Irgendwann hörte ich vereinzelte Schüsse, irgendwo in der Ferne. Dann war alles wieder ruhig. Als ich zu Bett ging, hatte das Morden in den Palästinenserlagern Sabra und Schatila schon begonnen.
Am nächsten Morgen fuhren wir früh los. Ich wollte in Richtung Sabra und Schatila, dorthin, wo ich in der Nacht vom Balkon aus die Leuchtfeuer gesehen hatte. Vor dem Lager – Totenstille. Weit und breit kein Mensch. Keiner meiner Bremer Kollegen hatte Nahosterfahrung, wir waren eigentlich mit ganz anderen Erwartungen ins Land gekommen. Den Kollegen kam die Situation unheimlich vor. Sie hatten Angst. Langsam näherten wir uns.
Da kam ein kleiner Junge auf uns zu. Wortlos, mit ausdruckslosem Gesicht, machte er immer nur ein Zeichen – Komm mit! – und führte uns durch verworrene Gässchen, vielleicht hundert Meter in das Lager hinein. Dort sahen wir die ersten Leichen. Übereinandergestapelt, die Kehlen durchgeschnitten. 15 Tote vielleicht, nur junge Männer. Immer weiter führte uns der Junge, immer mehr Leichen, auch Frauen, Kinder. Immer auf Haufen gestapelt. Und immer erstochen, lautlose Morde. Eine unheimliche Szenerie. Die Bilder wurden immer unerträglicher, schließlich kehrten wir um und verließen das Lager.
Wir waren fassungslos. Ein alter Mann und eine alte Frau kamen Händchen haltend und aneinandergeklammert aus diesem Inferno heraus. »Gott schenke euch Gesundheit und Wohlergehen«, sagten sie leise. Und ohne stehenzubleiben gingen sie weiter, irgendwohin. Eines der schlimmsten Bilder, die ich gesehen habe. Ein altes Ehepaar, das direkt aus der Todeszone kam.
Was wir in diesem Augenblick noch nicht wussten: In der Nacht vom 16. auf den 17. September 1982 waren Phalangisten mit Unterstützung von Major Haddads »Südlibanesischer Armee« und unter der Führung von Elie Hobeika in die beiden Palästinenserlager eingedrungen. Hobeikas Verlobte war beim Angriff der Palästinenser in Damur einige Jahre zuvor ermordet worden, viele der maronitischen Mörder hatten damals Angehörige verloren. Jetzt war für sie die Stunde der Rache gekommen. 300 Mann durchkämmten zwei Nächte und einen Tag lang mordend die beiden Lager und töteten dabei Zivilisten – Frauen, Kinder und Alte.
Selbst jetzt, am Morgen, während wir in Schatila drehten, war die Aktion in den Gassen der Lager noch im Gange – geduldet von der israelischen Regierung, die eingeweiht war. Und beobachtet vom israelischen Militär, das die Lager während der Nacht mit Leuchtraketen erhellt und so den Mörderkommandos assistiert hatte. Beobachtet auch von den Syrern, die teilnahmslos zuschauten. Und beobachtet von den Schiiten. Das Gerücht, dass 2.000 PLO-Kämpfer in den Lagern zurückgeblieben waren, erwies sich als falsch. Und das Grauen für die hilflos Eingeschlossenen fand kein Ende. Erst am nächsten Morgen, am 18. September 1982, zogen die Mörder ab.
Auch der französische Schriftsteller Jean Genet war in diesen Tagen in Beirut. In seinem Essay »Quatre Heures à Chatila« hat er die Ereignisse festgehalten: »Die palästinensische Frau lag ausgestreckt auf dem Rücken; auf Bruchsteinen, Ziegeln und verbogenen Eisenträgern war sie hilflos abgesetzt oder liegen gelassen worden. Das schwarze und aufgedunsene Gesicht, das gen Himmel gewandt war, ließ einen offenen Mund erkennen, der von Fliegen schwarz war, mit Zähnen, die mir sehr weiß vorkamen; es war ein Gesicht, das ohne einen Muskel auch nur zu verziehen, entweder zu grinsen oder zu lächeln oder mit einem stillen Schrei zu schreien schien.«
Am Morgen des 18. September fuhren wir nochmals nach Schatila. Jetzt erwartete uns ein vollkommen anderes Bild. Wir kamen nicht weit. Die libanesische Armee hatte alles abgesperrt. Wie üblich: Sobald alles vorbei war, tauchten Polizei und Armee auf. Der Einmarsch der Israelis in den Libanon 1982 hatte die ganze politische, wirtschaftliche und militärische Ohnmacht der Araber deutlich gemacht: Israel wollte die PLO zerschlagen – und kein arabisches Land war in der Lage, das zu verhindern. Die Massaker von Sabra und Schatila waren ein Schock für die Welt. Aber niemand in der Arabischen Welt protestierte. In Israel dagegen waren 400.000 Menschen auf die Straße gegangen und forderten, die Verantwortlichen zu bestrafen.
US-Präsident Reagan beschloss unter dem Eindruck der Massaker, die US-Marines erneut nach Beirut zu schicken. Am 27. September trafen die Soldaten zur Sicherheit der in den Lagern zurückgebliebenen und nach dem Abzug der PLO schutzlosen Palästinenser in Beirut ein.
Von der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurden die Massaker von Sabra und Schatila am 16. Dezember 1982 als Völkermord eingestuft. Ariel Scharon musste 1983 nach einem mehrwöchigen Prozess als Verteidigungsminister zurücktreten. Für Scharon war das Libanon-Abenteuer ein persönliches, aber auch ein politisches Desaster: Israel war politisch isoliert, die PLO aber nicht zerschlagen. Zwischen Israel und dem Libanon gab es nicht den erhofften Friedensvertrag. Es zeigte sich: Das Palästinenserproblem war mit Gewalt nicht zu lösen. Auch der Terrorismus war nicht besiegt.
Schon nach kurzer Zeit wurde der Mörder von Präsident Gemayel verhaftet. Kein Palästinenser, sondern ein libanesischer Christ. Habib Tanious Chartouni wurde des Mordes an Baschir Gemayel überführt und verurteilt. Vor Gericht warf er dem Gemayel-Clan vor, den Libanon an die Israelis zu verschachern. Er wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, konnte aber nach sieben Jahren aus dem Gefängnis entkommen.
Das machte eine Verwicklung der Syrer wahrscheinlich. Bislang war Assad der direkten Konfrontation mit den Israelis ausgewichen. Militärisch sah er keine Chance. Er setzte auf Terrorismus. Israel zog seine Truppen aus Beirut ab und richtete sich im Südlibanon ein. 1.000 israelische Soldaten und die von Israel finanzierte »Südlibanesische Armee« von Major Haddad waren jetzt dort stationiert.
Die Hoffnung auf Frieden im Libanon hatte sich als trügerisch erwiesen, der Bürgerkrieg ging in seine nächste Runde. Zurück in Bremen begann ich, das Material zu einem 45-Minuten Feature zu schneiden. Der Film, der eigentlich von Frieden und Wiederaufbau erzählen wollte, trug jetzt den Titel »Blutiger Sommer«.
Ulrich Kienzle (1936-2020), beschäftigte sich im Laufe seiner beruflichen Karriere immer wieder mit dem Nahen Osten. Für den SDR berichtete der 1936 in Neckargröningen geborene Fernsehjournalist in den 1970er Jahren aus Beirut und Kairo; später kehrte er oft in die Region zurück, etwa 1990 für sein Interview mit Saddam Hussein. Bekannt wurde der »linke« Kienzle auch durch die ZDF-Sendung »Frontal«, die er gemeinsam mit dem »rechten« Bodo Hauser moderierte. Er war bekennender Schwabe und Vizepräsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Der abgedruckte Text entstammt seinem Buch »Abschied von 1001 Nacht«, das 2011 bei sagas. edition erschienen ist (350 Seiten, 19,90 Euro).