Auch in Pakistan ist die existentielle Bedrohung durch den Klimawandel akuter denn je – das haben die Überschwemmungen deutlich gemacht. Taten statt Worte fordert die Journalistin Anam Gill von der Klimakonferenz COP 27 in Ägypten.
Die schwersten Überschwemmungen der jüngeren Geschichte Pakistans werden das Land noch lange prägen. Im Sommer 2022 hat der Monsun ganze Dörfer weggeschwemmt und 20.000 Todesopfer gefordert – nicht nur infolge der Überschwemmungen selbst, sondern auch wegen der katastrophalen Hygienebedingungen, die für die Menschen tödliche Konsequenzen hatte.
Die Ereignisse riefen bei mir Erinnerungen hoch. Im Zuge etlicher Klimakonferenzen über Bonn bis nach Brasilien, globalen Veranstaltungen, an welchen ich teilnahm, wurde mir klar: Was wir brauchen, sind keine seichte Versprechungen, keine umfangreichen, ausgefallene Berichte in eifrig-emsigen Jargon, sondern klare Taten! Taten und Entscheidungen über die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere jetzt nach einem Jahr geopolitischer und wirtschaftlicher Turbulenzen.
So erinnere ich mich beispielsweise an ein Treffen mit Severn Cullis Suzuki am UN-Erdgipfel in Brasilien im Jahr 2012. Die Umweltaktivistin wurde mit ihrer Rede auf dem Weltklimagipfel in Rio im Jahre 1992 weltberühmt. »Wenn ihr nicht wisst, wie man es repariert, dann hört bitte auf, es kaputt zu machen!« Ihre Worte sind so deutlich, und hallen immer noch nach.
Doch es scheint, als habe die internationale Gesellschaft immer noch nicht verstanden, was eigentlich auf dem Spiel steht: unser eigenes Überleben. So deutlich es ist, dass die vom Menschen verursachten Klimaschäden irreparabel sind, so laut auch die Klimaaktivisten seit langer Zeit auf den Straßen präsent sind, so ignorant gibt sich die Politik dennoch. Es ist erschütternd zu sehen, wie die reichen Länder der Welt weiterhin über Emissionsreduzierungen verhandeln, anstatt diese umzusetzen.
Die globale Untätig- und Zögerlichkeit hat dabei katastrophale Auswirkungen, gerade in so stark gefährdeten Staaten wie Pakistan. Das Land ist für weniger als ein Prozent der globalen Emissionen verantwortlich, und unter den zehn am meisten betroffenen Ländern der Erderwärmung. Eine krasse Asymmetrie, der westliche Volkswirtschaften mit leeren Händen begegnen. Während viele politische Akteure immer noch glauben, es gehe darum, die Klimakrise zu entschleunigen, ist sie in Ländern wie Pakistan längst Realität.
Der Klimawandel stellt das Land immer wieder vor neue Herausforderungen. Zu den zahlreichen Hitzewellen und Überschwemmungen kommt das Schmelzen der Eisschilde im Norden des Landes – laut wissenschaftlichen Schätzungen wird bis zum Jahr 2100 ein Drittel der Gletscher in der Region verschwunden sein. Eine große Gefahr, die wenigen Menschen wirklich bewusst ist. Zurzeit kämpft das Land darum, die notwendigen Mittel zu finden, um sich von den beispiellosen Überschwemmungen im Juni dieses Jahres zu erholen.
Für die Klimakonferenz in Kairo ist ebenso klar: Die ärmeren Länder müssen sich verbünden, um gemeinsam auf ihre Notlage hinzuweisen. Und es muss ihnen finanzielle Unterstützung angeboten werden. Dies betrifft nicht nur den Kampf gegen Umweltkatastrophen, für die westliche Akteure die größte Verantwortung tragen, aber vergleichsweise weniger davon betroffen sind. Genauso wichtig ist die langfristige Unterstützung dieser Länder, um sich nachhaltig entwickeln zu können.
Wir können zwar nur hoffen, dass die COP 27-Konferenz erfolgreicher sein wird als ihre Vorgänger. Wird sie scheitern, Fakten zu schaffen, sendet sie für ein Land wie Pakistan vor allem eine Botschaft: Die reichsten Länder der Erde, die auch die größten Verschmutzer sind, weigern sich, Kompromisse zu Lasten des Wirtschaftswachstums einzugehen. Schlafwandler, könnte man sagen, denn auch vor dem Westen macht die Erderwärmung nicht Halt.
Anam Gill ist Aktivistin und Journalistin aus Lahore in Pakistan. Sie ist Gründerin von »Dialogue Café«. Ihre Artikel sind in mehreren renommierten pakistanischen und internationalen Medien erschienen, darunter Dawn, Express Tribune und Deutsche Welle. Sie nahm als Teil der Commonwealth-Jugenddelegation an mehreren Klimagipfeln teil und wohnt derzeit in Erfurt.