Im Interview berichtet der Aktivist Basem Fathy über die Stürmung des NGO-Büros von »Freedom House«, Käfighaft im Gerichtssaal – und die Drahtzieherin hinter dem Prozess gegen 43 NGO-Mitarbeiter in Ägypten.
zenith: Am 17. Dezember 2011 waren Sie im Büro der amerikanischen NGO »Freedom House«, als es gestürmt wurde. Wie erinnern Sie sich an diesen Tag?
Basem Fathy: Wir waren gerade bei der Arbeit, plötzlich standen zahlreiche Polizisten im Büro. Einige waren bewaffnet, andere nicht. Zuerst haben sie die Tür aufgeschlagen und unsere Bürohilfe weggeschubst. Dann wurden sie ein wenig friedlicher und sagten uns, dass wir nicht telefonieren und uns nicht wegbewegen dürften. Sie hatten einen Durchsuchungsbefehl vom Staatsanwalt, konfiszierten unsere Handys und schalteten sie aus. Etwa sechs oder sieben Stunden blieben sie dann im Büro. Ich hatte wirklich Angst. Ich wurde zuvor schon dreimal festgenommen. Ich wusste, dass uns etwas angehängt werden soll, sie würden uns stigmatisieren und uns als Agenten beschuldigen. Ein Vertreter der US-Botschaft kam, um sich über die Lage der amerikanischen Staatsbürger zu informieren. Am Abend durften wir schließlich das Gebäude verlassen, das Büro wurde versiegelt und wir gingen nach Hause. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keine Ahnung, was geschehen wird.
Wie ging es nach der Stürmung weiter?
Ich ging nach Hause und verfolgte die Nachrichten zu dem Fall. Unser Büro war zwar erst einmal geschlossen, aber später gaben sie uns die Erlaubnis, den Betrieb wieder aufzunehmen. Im Februar folgte dann aber die böse Überraschung: Der ganze Fall landete vor dem Strafgericht – und ab da wurde es ernst. Ich hatte schon viele Tage im Gefängnis verbracht, aber die ganze Sache wurde zu einem Kriminalfall mit Ermittlungen des Geheimdienstes aufgeblasen – dafür kann man fünf Jahre im Gefängnis landen. Zur selben Zeit begann auch die öffentliche Diffamierungskampagne, angefangen mit der Stürmung des Büros. Das war für mich das Schlimmste.
Warum wird »Freedom House« beschuldigt, illegal Gelder erhalten zu haben?
Es scheint so, als ob der Geheimdienst die Ermittlungen in dem Fall übernehmen sollte – damit wäre es ein Spionagefall. Allerdings sind die Erkenntnisse, die die Geheimdienstler zutage gefördert haben, nicht sehr stichhaltig und man kann uns keine Spionage nachweisen. Aus diesem Grund wurde die Ermittlungsrichtung geändert und wir beschuldigt, ohne Lizenz zu arbeiten und illegal Gelder erhalten zu haben. Vor Gericht kam es dann fast zum Eklat, weil der Richter, kurz bevor er den Fall an jemand anderen übergab, den Nicht-Ägyptern unter den Angeklagten erlaubte, das Land zu verlassen. Nur ein Amerikaner, Robert Baker vom »National Democratic Institute« (NDI), lehnte ab. Er wusste, dass er er sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen hatte und wollte das beweisen. Und er fühlte sich seinen ägyptischen Kollegen gegenüber verantwortlich. Als fast alle Ausländer ausgereist waren, war ich besorgt, weil es dann keinen internationalen Druck mehr gab. Es war gut möglich, dass wir nun zu einer deftigen Haftstrafe verurteilt werden, um die Öffentlichkeit zu besänftigen. Aber das grundsätzliche Problem ist: Der ganze Fall hat keine legale Grundlage und die Justiz arbeitet nicht unabhängig.
Warum wieder der Fall wird immer vertagt?
So ist die ägyptische Justiz. Außerdem soll der Prozess auch möglichst ohne internationalen Druck vonstatten gehen. In Ägypten ist es sehr einfach, einen Fall zu vertagen – die Öffentlichkeit verliert ihn dann bald aus den Augen. Als wir vor einigen Tagen wieder vor Gericht saßen, war es schon seltsam, dass uns nach der Verhandlung niemand angesprochen hat. Vor Monaten lief der Fall in den Medien ja hoch und runter. Heute wissen die meisten Leute gar nicht, dass der Fall noch gar nicht abgeschlossen ist.
Wie empfinden Sie die Bedingungen im Gerichtssaal?
Wir müssen alle zwei oder drei Monate vor Gericht erscheinen – in einem Käfig, 14 Leute, eingeschlossen für rund sechs Stunden, kein Ventilator, keine Toiletten. Das ist einfach nicht angemessen – noch nicht einmal für Kriminelle. Manchmal werden am selben Tag noch andere Fälle verhandelt, deren Angeklagte dann den Käfig mit uns teilen.
Welche Motive vermuten Sie hinter dem Verfahren?
Ich denke, der Militärrat (SCAF) saß in der Zwickmühle. Einerseits brauchte man einen Sündenbock für die Massaker, für die die Armee verantwortlich war. Öffentlichkeit und Medien sollte gezeigt werden, dass wir die Leute sind, die hinter allem Schlechten und Bösen stecken. Immer wieder wurde über die ominöse »dritte Partei« oder die »ausländischen Hände« gesprochen, die alles ausgelöst hätten. Andererseits saß der Militärrat international in der Falle. US-Außenministerin Hillary Clinton muss ja vor dem Kongress Rechenschaft über die Fortschritte des Militärrats beim Demokratisierungsprozess ablegen, damit die Militärhilfen weiter bewilligt werden. Die schienen in Gefahr und der Militärrat spekulierte wohl darauf, dass man mit einem Prozess gegen US-Bürger die Amerikaner unter Druck setzen könnte. Ganz ähnlich lief es auch mit den Verhandlungen über den Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der wurde erst abgelehnt, dann aber verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage so rapide, dass man ihn unbedingt benötigte. Feldmarschall Tantawi soll US-Präsident Obama ein Angebot gemacht haben: Wenn die USA einen Weg finden, Ägypten den IWF-Kredit zu sichern, würde Ägypten einen Weg finden, die US-Bürger aus den Fängen von Justiz und Geheimdienst zu befreien und schnell außer Landes zu bringen. Es ging also um wirtschaftliche Hilfen. Und ich denke, dass Fayza Abou El Naga, die ehemalige Ministerin für Planung und Internationale Kooperation, dahinter steckte.
Falls es in Ihren Händen läge, wen würden Sie vor Gericht stellen lassen?
Fayza Abou El Naga. Jeder weiß, dass sie korrupt ist und sich an den internationalen Hilfsgeldern bereichert hat. Und sie ist diejenige, die das Geld für Demokratie- und Menschenrechtsprojekte zurückhält. Vor Gericht log sie und brachte ständig Anschuldigungen vor, die nicht stimmen. Unsere Anwälte fragten sie schließlich nach ihren Beweisen. Die Antwort: »Meine strategische Politanalyse«.
Basem Fathy, 28, war bereits vor der Revolution in Ägypten zivilgesellschaftlich aktiv, etwa als Mitbegründer der »Bewegung des 6. April«. Er hat als Programmdirektor für mehrere ägyptische und internationale NGOs gearbeitet, 2011 wurde er mit dem »Human Rights First Annual Award« ausgezeichnet. Zurzeit steht er als Angeklagter im NGO-Prozess in Ägypten vor Gericht.