Zu genaue Ortskenntnisse haben schon manchen Ausländer im Libanon als Spion enttarnt. In Deutschland gilt man wegen eines libanesischen Passes auch mal als Vertragsbrecher. Weiße Kartoffel und Orient Beauty klagen sich gegenseitig ihr Leid.
»Orient Beauty« – Rana Siblini stammt aus Beirut und ist Sprachwissenschaftlerin und Lehrerin von Beruf. 2010 kam sie nach Deutschland. In Münster schreibt sie an ihrer Doktorarbeit über Nostalgie in der mittelalterlichen arabischen Dichtung. »Weiße Kartoffel« – Stanislaw Strasburger ist polnischer Schriftsteller und freiberuflicher Kulturmanager. Er beschäftigt sich immer wieder mit dem facettenreichen Thema Multikulturalität. Seit mehreren Jahren pendelt er zwischen Köln, Beirut und seiner Heimatstadt Warschau. Orient Beauty und Weiße Kartoffel sprechen miteinander Deutsch. Doch manchmal, wenn es hakt ... Hi, kifak, ça va?
Weiße Kartoffel: Sag mal, Beauty, sehe ich aus wie ein Spion? Ich werde dauernd gefragt, ob ich für den Geheimdienst arbeite. Vor ein paar Tagen war ich mit Michel unterwegs. Wir sind nach Dahiye zu einer Kunstausstellung in UMAM gefahren. Und der Verkehr in Beirut ... Kaum ist man losgefahren, steckt man auch schon im Stau. Michel ist in Getawi aufgewachsen und hat sich in Dahiye gleich verfahren. Verzweifelt wandte er sich an mich, was jetzt? Ich zeigte ihm den Weg. Zuerst war er sprachlos, dann platzte er heraus: Nur ein Spion kann sich hier so gut auskennen … Es sollte wohl ein Scherz sein, aber ...
Orient Beauty: Weiße Kartoffel, nimm dich nicht so wichtig. Wenn du ein Spion bist, dann muss ich wohl eine Diebin sein. Neulich habe ich einen Handy-Vertrag abgeschlossen. Dann stellt sich heraus, dass die Verbindungen in den Libanon blockiert sind! Mein supermodernes Ding mit Internet, Bluetooth und Navi nützt mir nichts. Ich kann nicht nach Hause anrufen. Und weißt du, was mir mein Anbieter sagte? Die Verbindungen sind gesperrt, weil die Libanesen ihre Rechnungen nicht bezahlen ...
Weiße Kartoffel: Ach komm, Beauty, wen kümmern schon die Heinis von der Telekom? Für die sind wir bloß eine neunstellige Telefonnummer. Michel dagegen ist mein Freund. Dazu kommt, dass ich Arabisch studiere. Weißt du, manchmal könnte ich heulen. Arabisch ist nicht einfach. Ich stecke da so viel Arbeit rein, und die Leute machen sich über mich lustig. Wozu brauchst du das?, kriege ich häufig zu hören. Kein Schwein interessieren Texte über den Orient, wenn es ausnahmsweise mal nicht um Terrorismus oder die Unterdrückung der Frauen geht. In Beirut spreche ich Arabisch. Und was passiert dann? Ihr wechselt ins Englische. Bleibe ich hartnäckig, werde ich zum Agenten abgestempelt.
Orient Beauty: Jetzt werd nicht gleich melodramatisch, Weiße Kartoffel. Wie du weißt, wachsen wir mehrsprachig auf. Ein Gedanke klingt manchmal auf Englisch besser, manchmal auf Arabisch. In unserer Kultur behandeln wir Ausländer mit großem Respekt. Wir sprechen mit dir Englisch, weil wir dich so besser verstehen können. Nichts gegen dein Arabisch ... Aber jetzt sei mal ehrlich, woher kanntest du den Weg in Dahiye?
Weiße Kartoffel: Meine Liebe, ich habe ein GPS im Kopf. Neuste Technik, frisch eingebaut vom Geheimdienst ...
Orient Beauty: Aber das ist eine ganz andere Geschichte ...
Die Reihe wird parallel auf Polnisch, Arabisch und Deutsch veröffentlicht und wird in den nächsten Woche regelmäßig auf zenithonline erscheinen.
Gefördert durch das Land NRW. Unterstützt durch das Buchinstitut aus Polen und das Goethe-Institut Libanon.