Die führenden Muslimbrüder schmoren in Kairener Kerkern, Hosni Mubarak genießt das savoir vivre – und Saudi-Arabien lobpreist den status quo ante am Nil und den Punktsieg gegen Katar. Der Mann dahinter: Bandar bin Sultan.
Weiße Lederslipper und schwarze Sonnenbrille – Hosni Mubarak, der ägyptische Diktator a.D., hat sich am gestrigen Donnerstag in sein bestes »Miami Vice«-Outfit geworfen, als er in einem Armee-Helikopter sein Gefängnis in Richtung eines Militärkrankenhauses in Maadi verließ. Man kann dem 85-Jährigen schlechten Geschmack attestieren – oder ihn als Trendsetter sehen, der wie seine Kleider »retro« daherkommt.
Unabhängig davon steht fest: Dass Mubarak allen Ernstes noch einmal in seinem Leben in Freiheit das savoir vivre genießen werden würde, während die führenden Muslimbrüder bei dreimal täglich Ful in Kairener Kerkern schmoren, das hätte vor einem Monat noch kein Mensch geglaubt. Was der gestürzte und nun zu Hausarrest begnadigte Raïs in den kommenden Tagen machen wird, ist nicht bekannt. Vielleicht kommen ein paar greise Generäle auf eine Partie Backgammon vorbei, vielleicht die Familie.
In jedem Fall wird er sich bedanken müssen. Beim ägyptischen Militär – und telefonisch in Riad. Denn das saudische Königshaus hat eine maßgebliche Rolle in dem Restaurationsprozess am Nil gespielt. Vor allem: Bandar bin Sultan. Auch seine Geschichte klingt unglaublich.
Vom Sohn einer Sklavin zum Intimus von George W. Bush
Bandar bin Sultan bin Abdul Aziz Al Saud wurde als Sohn einer sudanesischen Sklavin und eines saudischen Prinzen 1949 in Taif geboren, später von der Royal Air Force zum Kampfpiloten ausgebildet und studierte an der John-Hopkins-Universität in Boston.
Anfang der 1980er Jahre ergatterte der Vater von acht Kindern den Prestigeposten des Botschafters in Washington, wo er vor allem in der Ära von George W. Bush reüssierte; der US-Journalist Craig Unger hat über das Verhältnis zwischen dem Bush-Clan und den Al Saud das 2006 auf Deutsch erschienene Buch »Die Bushs und die Sauds. Öl, Macht und Terror« verfasst. Vor acht Jahren endete die »Bandar-Ära« in Washington. Seit einem Jahr leitet der über die Landesgrenzen für seinen Hass auf Schiiten bekannte Besitzer eines luxuriösen Feriendomizils im mondänen Skiort Aspen den saudi-arabischen Geheimdienst. In dieser Funktion ist er zu einem der wichtigsten Ansprechpartner von General Abdel-Fattah al-Sisi avanciert.
Saudi-Arabien weist Katar in die Schranken
Prinz Bandar gilt – wie König Abdullah und der Rest des Hauses Saud – als Gegner der Muslimbrüder, stellten diese doch ein Alternativmodell zum wahhabitischen Machtkonstrukt dar. In Riad blickt man nun mit Genugtuung auf das Wiedererstarken des Ancien Régime und überweist eifrig Petrodollars nach Kairo. Bandar hat jedoch nicht nur beim Sturz der Muslimbruderschaft und der Qasi-Freilassung Hosni Mubaraks im Hintergrund die Fäden gesponnen, sondern auch in Syrien – in beiden Fällen sehr zum Leidwesen Katars.
Das kleine Emirat hat in den vergangenen zwei Jahren versucht, als neue politische Kraft im geopolitischen Ränkespiel des Nahen Ostens wahrgenommen zu werden und mit seiner offenen Unterstützung der »Ikhwan Muslimin« sowie der Berichterstattung seines Satellitensenders Al-Jazeera die Hüter der heiligen Stätten alt aussehen lassen.
Auf den Punkt gebracht: Der saudische Strippenzieher Bandar bin Sultan bin Abdul Aziz Al Saud hat binnen eines Jahres ganze Arbeit geleistet. Saudi-Arabien hat Katar in die Schranken gewiesen, in Ägypten eine Konterrevolution mitorganisiert und seine Stellung innerhalb der – wenngleich zwischen Damaskus und Aleppo verspotteten – syrischen Oppositionsbewegung mit Ahmed al-Jarba als neuem Oppositionschef gestärkt. Doch der wahhabitische Autokratenprinz mit der westlichen (Hoch)schul-Bildung sollte eines nicht vergessen: Iniqua numquam regna perpetuo manent.