Ein Minister, eine Teppich-Affäre und viele Fragen – nur leider die falschen. Der zenith-Diwan stellt die richtigen.
Der Sachverhalt selbst ist rasch beschrieben: Da berichten die Medien, ein Minister sei auf Dienstreise in Afghanistan gewesen, habe daselbst einen Teppichhändler in die Botschaft bestellt, sich von diesem mehrere Exponate vorführen lassen, eines davon käuflich erworben, im geheimen Flugzeug des zufällig anwesenden Leiters des geheimen Nachrichtendienstes nach Deutschland transportieren, dort noch am Rollfeld von seinem Fahrer abholen lassen, bei dem ganzen geheimen Hin und Her aber versehentlich vergessen, das gute Stück zu verzollen.
Unter dem Motto »Der fliegende Teppich« wurden in den folgenden Wochen diverse Aspekte der Angelegenheit ausgiebig breitgetreten. Die Opposition brachte es zu einem spektakulären Auftritt mit der Schenkelklopfer-Formulierung, man müsse »auf dem Teppich bleiben«, die Bild brachte ein spektakuläres Foto vom »tappetum delicti« (liegend, von vier kräftigen deutschen Tisch- und einer fallschirmjägerkompaniegroßen Anzahl von Stuhlbeinen fixiert); nur die taz vergaß, von Niebels gescheiterter Teppichverlängerung zu berichten.
Teppichluder Dirk wird sich jedenfalls über die kostengünstige PR rund um den roten Afghanen gefreut haben – 1.400 Dollar für einen niebelnagelneuen Teppich und Medienaufmerksamkeit bis zum Abwinken. Dennoch bleibt beim zenith-Diwan, schon qua Name zum Sturmgeschütz der Berichterstattung über orientalische Innenausstattung berufen, ein Unbehagen. Und das nicht ohne Grund.
Denn nach wie vor sind einige der wichtigsten Fragen offen. Die erste und entscheidende Frage bei einem Orientteppich: Geknüpft oder gewirkt? Die zweite: War der Preis angemessen? Den afghanischen Mittelstand zu fördern, ist ja schön und gut, aber hat sich der Minister möglicherweise von einem gewieften Paschtunen über den Tisch ziehen lassen, der am Ende noch den Taliban zuarbeitet?
1.400 Dollar ist auf jeden Fall weit mehr, als wir letztes Jahr im Ägyptischen Basar in Istanbul gezahlt haben, und unser Teppich war echt persisch, das hat uns der Händler per Handschlag zugesichert. Und dann das Design. Das Foto zeigt’s deutlich: Niebels Teppich ist in abgestuften Rottönen gehalten und wartet mit geometrischen Mustern auf. Quasi Standardware.
Gab es niemanden, der dem Entwicklungshilfeminister von der berühmten afghanischen Teppichkunst hätte berichten können, die historische Ereignisse motivisch verarbeitet? Ein Teppich, auf dem ein »Provincial Reconstruction Team« der Bundeswehr einen Brunnen bohrt oder ein deutscher GIZ-Projektleiter gerade zwei Stammesälteste besticht, um eine Mädchenschule gründen zu dürfen – hätte das der Völkerverständigung nicht viel besser gedient?
Sicherlich wäre auch eine Auftragsarbeit möglich gewesen, die etwa Dirk Niebel, deutschen Politiker, in Ahmad-Schah-Massoud-Pose zeigt. Der »Löwe vom Süllberg« hätten sie ihn am Hindukusch bald gerufen. Stattdessen: Rosetten und Arabesken, und das auch noch überteuert. Man kann nur hoffen, dass der Teppich wenigstens zum Einrollen taugt. Für den Fall, dass Dirk, der Ägypter unter Deutschlands Ministern, sich einmal rasch und unbeobachtet Zugang zu Cäsarin Angela verschaffen muss.