Die Graphic Novel »Metro« ist in Ägypten immer noch verboten und kommt nun in Europa auf den Markt. Die deutsche Ausgabe vermag die gesellschaftspolitische Brisanz des Buches allerdings nur bedingt herauszuarbeiten.
Hauptprotagonist der Graphic Novel »Metro« ist der junge innovative Softwareentwickler Shehab. Trotz seines Talents gelingt es ihm nicht, mit seiner Firma Fuß zu fassen. Grund für seinen beruflichen Misserfolg ist die in Ägypten allgegenwärtige Korruption. Im Fall Shehabs wird sie durch die staatlichen Institutionen und internationale Banken verkörpert, die es ihm unmöglich machen sich zu etablieren.
Finanziell unter Druck sowie politisch und gesellschaftlich desillusioniert, beschließt er, mit seinem Freund und früheren Mitarbeiter Mustafa eine Bank auszurauben. Als er auch noch Zeuge am Mord eines Bauunternehmers wird, für den korrupte Finanziers verantwortlich sind, spitzen sich die Ereignisse zu. An seiner Seite stehen Mustafa sowie die engagierte und idealistische Journalistin Dina.
Dinas Idealismus steht Shehabs individualistische Abgeklärtheit gegenüber. Während Shehab sich als Einzelkämpfer sieht, nimmt Dina an Protesten gegen die Regierung teil. Dinas politischer Aktivismus ist eine Anspielung auf die Protestbewegung »Kefaya – Genug« die 2005 begann, mit öffentlichen Demonstrationen das Ende der Regierung Mubaraks zu fordern und bestrebt war, eine Weitergabe der Präsidentschaft an seinen Sohn Gamal zu verhindern.
Kefaya versammelte im Wesentlichen die urbane Intelligenzija verschiedenster politischer Tendenzen, darunter auch einen großen Teil der kritischen Blogger und Journalisten und wird gemeinhin als eine der sozialen Bewegungen gesehen, die den Weg für die Revolution ebneten.
El-Shafee führt uns aber auch an Orte, zu denen keine Metro fährt und die auf keinem Stadtplan vermerkt sind
Und obwohl El Shafee ein äußerst düsteres Bild der Lage Ägyptens am Vorabend der Revolution zeichnet, gib er dem Leser aber auch immer wieder die Botschaft mit, dass es einen Weg aus dem »Käfig« gibt, man müsse die Tür nur aufmachen und hindurchgehen.
Shehab, der wenig politisch interessiert ist sondern die Situation auf einer persönlichen Ebene wahrnimmt – trotz Talent keine berufliche Perspektive, die allgegenwärtige Polizeigewalt und Korruption aber auch eine Gesellschaft, die zusehends abstumpft und Menschen voneinander isoliert – und am Ende sogar alles Geld aus dem Bankraub verliert, gewinnt zum Schluss jedoch eine andere Haltung, gesellschaftlichen Mut, Einsicht und die Zuneigung Dinas.
Die Stationen der Kairener Metro sind die Eckpfeiler an denen die Handlung entlang läuft. Die Geschichte beginnt an der Station Muhammed Naguib in der Kairener Innenstadt – benannt nach dem ersten Präsident der Republik, anfänglicher politischer Weggefährte Gamal Abdel Nassers, dann jedoch vom letzteren aufgrund politischer Differenzen 1954 abgesetzt und unter Hausarrest gestellt.
Von Muhammad Naguib führ uns die Erzählung unter anderem nach Maadi und Sayyida Zeinab – Stadtteile mit sehr unterschiedlichem sozialen Profil – während Maadi in Teilen die städtische Elite und westlichen Ausländer beherbergt, wird Sayyida Zeinab ausschließlich von einkommens-schwächeren Teilen der Bevölkerung bewohnt, teure Boutiquen und Cafés sucht man dort vergeblich.
El-Shafee führt uns aber auch an Orte, zu denen keine Metro fährt und die auf keinem Stadtplan vermerkt sind, in eine der zahllosen informellen Siedlungen Kairos – und versucht dem Leser ein Stück der dortigen Lebensrealität zu zeigen. »Metro« ist im ägyptischen Kontext ein wichtiges Werk.
Es ist zum einen die erste Graphic Novel Ägyptens überhaupt und zum anderen ein forsches politisches Statement gegen das politische System des früheren Präsidenten Mubaraks, dass tatsächlich nie wirklich gestürzt wurde, da es viel mehr verkörpert als nur Regierungsämter. Die Verbindung des Mediums Comic mit politischer Kritik waren in Ägypten ein Novum.
Leider kann die deutsche Übersetzung nicht wirklich überzeugen
Immer wieder greift El Shafee allgegenwärtige politische Themen und Symbole auf. So wird beispielsweise eine der Demonstrationen, an der Dina teilnimmt, von »Baltageyya« angegriffen, bezahlten Schlägern, die geschickt werden, um Unruhe zu stiften, Gewalt anzuwenden sowie Angst und Unsicherheit zu säen.
Eine bis in die Gegenwart reichende Praxis des Regimes, durch eine Strategie der Spannung Kritik und politische Organisation zu verhindern, unter anderem auch dadurch, dass ganz gezielt Frauen angegriffen und sexuell belästigt werden.
Metro glänzt nicht durch seine perfekte Erzählstruktur, ausgefeilten Dialoge oder besonders innovative Zeichnungen, sondern durch den Mut des Erzählers, die gesellschaftlichen und politischen Missstände zu bedeuten und dem Leser an vielen Stellen die Botschaft zu vermitteln, dass es einen gemeinsamen Weg zu Veränderungen gibt, der die Angst und Isolation hinter sich lässt.
Die Tatsache, dass dies durch ein leichter zugängliches literarisches Medium als die gängige Hochkultur der Regimekritik und eine alltägliche Sprache geschah und somit theoretisch eine viel breitere Leserschaft erreichen konnte, wurde von der Regierung sehr schnell als Bedrohung erkannt und führte zum Verbot von Metro.
Was der deutschsprachigen Ausgabe leider Qualität nimmt, ist die an vielen Stellen etwas zu schwerfällige Übersetzung, die gezwungen versucht, den Kairener Jargon der Protagonisten in der Übersetzung in einen gedachten deutschen Slang zu pressen. Heraus kommt sprachlich leider an vielen Stellen nicht mehr als biedere Lässigkeit, die der Lebhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Erzählung abträglich ist.
Auch kann bezweifelt werden, dass der deutschsprachige Leser, der wenig über die Situation im Land weiß, die vielen politischen und gesellschaftlichen Anspielungen und Aussagen richtig einordnen kann.
Gewünscht hätte man sich mehr Kreativität in der Übersetzung, teilweise auch durch Fußnoten, die gegebenenfalls Begriffe erklären und interpretieren, mehr Erläuterungen und eine fundiertere Einleitung, auch wenn diese möglicherweise den Lesefluss etwas hemmen. Diese würden dem deutschsprachigen Leser sicherlich helfen, Metro besser zu verstehen und damit auch mehr zu schätzen zu können.