Das Kurzfilmfestival »Arab Shorts« zeigt arabisch kuratierte arabische Kurzfilme von arabischen Künstlern, was nicht heißt, dass es um den arabischen Frühling geht, wie Kuratorin Ala Younis im Interview erklärt.
zenith: Frau Younis, können Sie uns kurz die Kurzgeschichte des arabischen Films seit Anfang 2011 erzählen?
Ala Younis: Es hat sich schon ein bisschen etwas verändert. Weil nun viele Macher auf wenige Dinge fokussiert sind. Es wurde zum Beispiel sehr viel zur Ägyptischen Revolution gearbeitet. Vor allem aus Kairo, Kunstschaffende kamen auch von außerhalb und haben dort vor allem auf dem Tahrir sehr viel zu diesem Thema produziert. Dazu kommen auch die vielen Menschen, die selbst Filme drehen und sie auf Youtube, Facebook und so weiter hochladen. Die Menschen dokumentieren das Erlebte im Film- und Kurzfilmformat.
Aber zum arabischen Film gibt es bestimmt auch eine lange Geschichte, oder?
Ja, einige Filmemacher haben sich nicht verändert. Sie arbeiten an ihren Werken wie gehabt. Einige Filme beim »Arab Shorts«-Festival habe ich ja schon 2009 kuratiert. Alles hatte auch irgendwo einen Anfang lange vor den Aufständen.
Ala Younis, 38,
ist jordanisch-palästinensische Künstlerin und Filmkuratorin aus Amman. Zurzeit ist sie Fellow am Berliner Kino Arsenal mit einem Stipendium des Goethe Instituts.
Seit 2011 geht es darum, dass die Menschen verstehen wollen, was dort passiert. Viele Antworten können über den Film transportiert werden. Es geht um die Frage: Was ist da bloß los? Und der Film bietet Erklärungen zu den aktuellen Zuständen, aber auch zu der Situation vor den Revolutionen.
Wo liegt dieser spezielle Erklärungseffekt? Was macht den arabischen Film aus?
Er ist nah und ungefiltert. Die Macher sind meistens nah am Geschehen dran. Sie dokumentieren oder stellen die Verhältnisse künstlerisch dar, die sie miterleben. Da spielen Stereotype, Klischees oder Kulturaustausch keine vordergründige Rolle. Ein arabischer Künstler muss das erstmal nicht alles verstehen, weil er Teil des Ganzen ist. Ein arabischer Film von einem arabischen Künstler erklärt die aktuellen Verhältnisse besser und effizienter.
Ihnen geht es darum, dass die Menschen verstehen können. Gibt es einen Unterschied zwischen ihrem Publikum beim Festival in Kairo und dem Publikum hier in Berlin?
Publikum ist so ein Wort.
Bei der Podiumsdiskussion zum Festivalauftakt in Berlin wurde dieser Unterschied zwischen arabischem und westlichem Publikum jedenfalls gemacht.
Das stimmt, wir haben zum Beispiel einen Film, der voll von diesen Klischees ist: Esel, Wüste, Krieg und ein Mann im Jesusgewand. Die Menschen in der arabischen Welt schauen sich das mit anderen Augen an, hier interpretieren einige Zuschauer andere Dinge hinein. Ich habe auch einige Filme zum Thema Migration kuratiert. Was ist arabisch? Was nicht mehr? Das bleibt dem jeweiligen Publikum überlassen.
Haben Sie einen Lieblingsfilm?
Ich habe keinen Lieblingsfilm, ich habe viele Favoriten.
Knapp wie beim Kurzfilm, bitte.
Ich mag das aber nicht besonders, diese ganze Sache mit Lieblingsfilmen oder Lieblingsgenres. Das gilt nicht nur für den Film, auch für die Literatur. Ich mag es daher nicht besonders, zu sagen, das ist das Buch der Bücher, das ist der Filmemacher des Jahrhunderts etc. Und so habe ich auch die Filmprogramme zusammengestellt, die wir hier unter anderem präsentieren.
Diese Einstellung erinnert mich wieder an die aktuelle Situation in manchen arabischen Ländern.
Wir sind gerade so verwirrt, ausgelaugt, dass wir nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden können. Wir können nicht ohne weiteres Farbe bekennen, was wir wollen und was nicht. Wir müssen erstmal verstehen, warum einige Dinge gut für die einen und schlecht für die anderen sind. Unter anderem über Filme können wir uns eine Meinung bilden.
Arab Shorts
Noch bis zum 5. Juli ist eine Auswahl der im Kairoer Goethe Institut gesammelten und gezeigten Kurzfilme aus verschiedenen arabischen Ländern im Berliner Kino Arsenal am Potsdamer Platz zu sehen. Danach gehen die 61 – mal wunderlichen, mal uneindeutigen, mal spielerischen – Kunstwerke auf Deutschlandtour. Termine und weitere Infos finden sich unter
www.arsenal-berlin.de