Schawarma, Kebab und Döner – was Leckeres für zwischendurch. Aber daraus gleich eine Gesellschaftstheorie abzuleiten ... Weiße Kartoffel und Orient Beauty entdecken den verborgenen Sinn des Sandwichs.
»Orient Beauty« – Rana Siblini stammt aus Beirut und ist Sprachwissenschaftlerin und Lehrerin von Beruf. 2010 kam sie nach Deutschland. In Münster schreibt sie an ihrer Doktorarbeit über Nostalgie in der mittelalterlichen arabischen Dichtung. »Weiße Kartoffel« – Stanislaw Strasburger ist polnischer Schriftsteller und freiberuflicher Kulturmanager. Er beschäftigt sich immer wieder mit dem facettenreichen Thema Multikulturalität. Seit mehreren Jahren pendelt er zwischen Köln, Beirut und seiner Heimatstadt Warschau. Orient Beauty und Weiße Kartoffel sprechen miteinander Deutsch. Doch manchmal, wenn es hakt ... Hi, kifak, ça va?
Weiße Kartoffel: Vor einiger Zeit hat der britische Premier David Cameron den Multikulti-Ansatz für gescheitert erklärt. Auch Kanzlerin Merkel hat sich ähnlich dazu geäußert. Cameron rief zu einem »aktiveren, muskulöseren Liberalismus« auf ... Was hältst du davon, Beauty? Du müsstest doch eigentlich für den Charme des Muskelspiels empfänglich sein ...
Orient Beauty: Weiße Kartoffel, Muskeln sind doch eher Männersache. Ich bin da eher von sanfter Natur.
Weiße Kartoffel: Wie steht es also um Multikulti?
Orient Beauty: In Deutschland? Du meinst sicher die unzähligen Döner-Läden: ein Sandwich mit orientalisch gewürztem Fleisch und heimischem Salat. Perfektes Symbol eines kulturellen Schmelztiegels. Die kulinarischen Geschmäcker mehrerer Kulturen in einem Sandwich vermischt, um sie dann dem vorherrschenden Geschmack anzugleichen. Aber versteh mich nicht falsch, ich mag das Döner-Sandwich auch sehr gerne!
Weiße Kartoffel: Ach ja, Schawarma mit deutschem Krautsalat. Ein echter Verkaufsschlager! Aber du hast bestimmt auch bemerkt, dass es keine deutschen Döner-Verkäufer gibt. Das scheint Camerons These zu bestätigen: »Wir haben verschiedene Kulturen dazu ermutigt, unabhängig voneinander und von der Mehrheitsgesellschaft abgetrennte Leben zu führen.«
Orient Beauty: Aber ist es wirklich ein Problem, dass die verschiedenen Kulturen unabhängig voneinander ihr Leben führen?
Weiße Kartoffel: Das glaube ich nicht. Schließlich gibt es zum deutschen Döner-Modell Alternativen. Nehmen wir zum Beispiel Beirut und die Sucuk-Schawarma im armenischen Viertel Burj Hammud. Das ist ein völlig anderes Sandwich als die Hähnchen-Schawarma bei den maronitischen Libanesen im Stadtteil Mar Mikhayel. Das ist für mich echtes Multikulti: unterschiedliche Sandwichs an unterschiedlichen Orten in der gleichen Stadt. Jeder bereitet die Schawarma so zu, wie er sie am liebsten isst. Nicht das Abgrenzen voneinander ist das Problem, sondern die fehlende Chancengleichheit. Die Armenier haben im Libanon ihre eigenen Stadtteile, Schulen und Geschäfte. Sie benutzen ihre Sprache, sogar die Werbeschilder sind armenisch beschriftet. Wenn sie wollen, können sie sich an der »Mehrheitsgesellschaft« beteiligen, müssen sich dann aber natürlich der arabischen Sprache bedienen. Wenn sie nicht wollen, lassen sie es eben bleiben. So einfach ist das.
Orient Beauty: Richtig. Unser Liberalismus ist eher sanfter Natur ...
Weiße Kartoffel: Davon könnte man sich in Deutschland eine Scheibe abschneiden!
Orient Beauty: Weiße Kartoffel, du wirst noch zu einem echten libanesischen Patrioten! Ich muss zugeben, ich war erstaunt, als Kanzlerin Merkel den Multikulti-Ansatz für gescheitert erklärte. Niemand in Deutschland hat doch ernsthaft versucht, ihn in die Tat umzusetzen. Hier wird man eher dazu angehalten, sich der deutschen Leitkultur anzupassen. Mehr Kraut in den Döner! Nur, vom Salat mal abgesehen, wer weiß denn schon, woraus diese Leitkultur überhaupt besteht ... Aber das ist eine ganz andere Geschichte ...
Die Reihe wird parallel auf Polnisch, Arabisch und Deutsch veröffentlicht.
Gefördert durch das Land NRW. Unterstützt durch das Buchinstitut aus Polen und das Goethe-Institut Libanon.