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Wirtschaftsverbrechen im Nahen Osten

Vom rechten Weg abgekommen?

Analyse

Noch liegt die Quote für Wirtschaftsverbrechen im Nahen Osten unter dem weltweiten Durchschnitt. Laut einer jüngsten Studie droht sich die Lage aber zu verschlechtern.

Mit dem Aufschwung der Golfregion als Wirtschaftsdrehkreuz sind die Zeiten, in denen das in vielen arabischen Staaten allgegenwärtige und zum globalen Synonym für Misswirtschaft gewordene »Bakschisch« seinen augenzwinkernden Status als Bagatelle verloren. Viele Regierungen haben in den letzten Jahren Aufsichtsbehörden geschaffen, um den Kampf gegen Veruntreuung, Bestechung und andere Wirtschaftsverbrechen entschiedener voranzutreiben: Abu Dhabi 2008, die Provinz Nordirak 2009, 2011 schließlich Saudi-Arabien. Während zunächst das Investitionsklima für ausländische Unternehmen verbessert werden sollte, würden langfristig auch die Binnenwirtschaft und Konsumenten profitieren.

 

Ob diese Bemühungen erste Früchte tragen, analysierte eine im Januar 2012 von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) herausgegebene Studie. Von den 126 befragten Unternehmen gaben jedoch 39 Prozent an, zu befürchten, im kommenden Jahr Opfer von Wirtschaftskriminalität zu werden. Dem gegenüber wurden 2011 lediglich 28 Prozent der interviewten Unternehmer tatsächlich Opfer solcher Verbrechen – der weltweite Durchschnitt liegt bei 34 Prozent aller Firmen. Schon heute liegen das Ausmaß von Veruntreuung, 71 Prozent der Befragten, und Bestechung, 43 Prozent, deutlich über Weltniveau.

 

»Es ist möglich, dass in Zukunft mehr Unternehmen an Wirtschaftskriminalität leiden, ihnen aber gleichzeitig die Mechanismen zur Aufdeckung fehlen«, so PwC Middle East-Kriminalitätsexperte Tareq Haddad. Während global 8 Prozent der Gesetzesübertretungen zufällig entdeckt würden, läge die Quote hierfür im Nahen Osten bei 17 Prozent. »Es braucht deutlich mehr Ermittlungsinstrumente«, so Haddad.

 

»Unruhen und politische Unbeständigkeit haben sich deutlich ausgewirkt«

 

Wie kompliziert die Umsetzung vieler Richtlinien ist, zeigt sich in den Staaten des Arabischen Frühlings. Allein in Ägypten stehen aktuell dutzende millionenschwere Privatisierungs- und Immobilienprojekte im Zentrum der Öffentlichkeit, bei deren Durchführung Bestechungsgelder geflossen sein sollen. Die Justiz steht nur vor dem Dilemma, dutzende der einflussreichsten CEOs des Landes de jure inhaftieren müssten. Schädigt hier entschiedenes Vorgehen die ohnehin darbende ägyptische Wirtschaft?

 

»Korruption ist in der gesamten Region so tief verwurzelt, dass die meisten Menschen für lange Zeit dachten, man könne nichts gegen sie unternehmen«, gibt Ali Lahlou, marokkanischer Mitarbeiter der Organisation Transparency International (TI), zu bedenken. In vielen Staaten sei kein mit Europa vergleichbares Unrechtsbewusstsein bei Korruption vorhanden. Für TI-Nahostchefin Chantal Uwimana sind die direkten Auswirkungen des Arabischen Frühlings auf das Ausmaß der Wirtschaftskriminalität zunächst negativ. »Unruhen und politische Unbeständigkeit haben sich deutlich ausgewirkt.«

 

Ob sich Verhaltensweisen langsam ändern, wird nicht nur durch Gesetzesnovellen, sondern insbesondere durch deren Durchsetzung terminiert. Positive Signale kommen aus Saudi-Arabien. So erließ König Abdullah Ende Dezember ein Dekret (http://arabnews.com/saudiarabia/article559331.ece), dass alle Ministerien und Behörden verpflichtete, mit der im Vorjahr eingerichteten Anti-Korruptionsbehörde zu kooperieren. Mehrere,  nicht namentlich genannte Einrichtungen hatten sich dem zuvor verweigert.

Von: 
Nils Metzger

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