Vor 60 Jahren schlossen Deutschland und die Türkei ein Anwerbeabkommen, das beide Länder für immer verändert hat - zwischenmenschlich, weltpolitisch. Die neue zenith ist da, inklusive 35 Seiten Dossier zu Türken, Deutschen und Deutschtürken.
Es ist 1962 und er der erste Türke in der Stadt, davon ist Gazı A. heute noch überzeugt. »Erst nach sechs Monaten traf ich in einer Eisdiele auf einen Mann mit schwarzen Haaren. Ich sprach ihn an, er war tatsächlich Türke.« Gazi A., den auf dem Titel auf einem Augsburger Gebrauchtwagenmarkt sehen, lebt seit nunmehr fast 60 Jahren in der Fuggerstadt. Wie seine alevitische Heimat Augsburgs türkeistämmige Gemeinschaft bis heute prägt, lesen Sie in der Auftaktreportage des Dossiers.
Das Dossier wirft einen frischen Blick auf ein bekanntes Thema. Über das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei 1961 ist einiges geschrieben worden, doch die Perspektiven ändern sich: Vor 20 Jahren bestimmten die Verhandlungen über einen EU-Beitritt das Bild, zehn Jahre später drängte sich Thilo Sarrazin mit seinen wirren Thesen als Bezugspunkt in den Fokus. Heute dominiert der Blick auf das Verhalten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan den Blick auf das deutsch-türkische Verhältnis und den Platz türkeistämmiger Menschen darin.
Gazi A., der erste Türke Augsburgs, ist mittlerweile Rentner, ebenso wie Tülay und Hatice: Sie kamen einst mit ihren Ehemännern und sind nun verwitwet. Lange blieben sie wie viele Frauen aus der Türkei in Deutschland unsichtbar – erst im Alter finden sie den Mut, ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
Dazu erwarten Sie in dem Dossier Analysen, Zahlen, Karten und Gespräche. Auch in der kommenden Ausgabe und digital werden wir das Thema das ganze Jahr über begleiten – möglich macht das auch die Unterstützung durch die Stiftung Mercator, der wir an dieser Stelle ausdrücklich danken möchten.
Ein Dank geht auch an unser Netzwerk aus Autorinnen und Autoren, Fotografinnen und Fotografen. Wir haben sie gebeten, in dieser Ausgabe Menschen zu zeigen und Geschichten zu erzählen, die Hoffnung machen – keine triviale Aufgabe zu Beginn von Jahr Zwei im Zeichen der Corona-Pandemie.
Im Heft erwarten Sie außerdem folgende Geschichten aus der Region: Die pakistanische Metropole Lahore ist ein hartes Pflaster für junge Künstler. Karin A. Wenger und Philipp Breu haben eine Tanzgruppe begleitet, die dennoch den Nerv der Jugend trifft.
Malek Elmaghrebi, Stipendiat des Candid Journalism Grant 2020, hat eine von Frauen geführte Versöhnungsinitative besucht, die in ganz Libyen Schule machen könnte.
Fotograf Sebastian Backhaus hat im Nordirak dokumentiert, wie der Einsatz von Drohnen den Konflikt zwischen der Türkei und der PKK in das Land trägt.
Sportjournalist Ronny Blaschke beleuchtet, welche Rolle der Fußball in Krisengebieten wie Jemen und Syrien spielt.
Reporterin Christina Heuschen begleitete Aktivistinnen im Libanon, die Mädchen und Frauen inmitten der schweren Wirtschaftskrise mit Hygieneprodukten versorgen.
Ein alawitischer Insider schildert eindrücklich, in welchem Zwiespalt seine Religionsgemeinschaft zehn Jahre nach Kriegsbeginn in Syrien steckt.
Und Islamwissenschaftler Stefan Heidemann hat uns im Interview erklärt, warum nicht nur Raubgrabungen und der IS das Kulturerbe im Nahen Osten bedrohen.