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Gesetz zu Straßenhunden in der Türkei

Hundstage in der Türkei

Feature
Gesetz zu Straßenhunden in der Türkei
Straßenhunde in Istanbul Foto: Simone Keller

Eine Gesetzesänderung in der Türkei soll streunende Hunde von den Straßen holen. Tierschützer warnen vor Krankheiten in überlasteten Tierheimen und einem Plan zur massenweisen Tiertötung. Der AKP-Regierung geht es wohl vor allem um Kostensenkungen.

Ein Ende Juli verabschiedetes Gesetz zum Umgang mit streunenden Hunden spaltet in der Türkei die Gemüter. Der von der AKP initiierte Gesetzestext sieht das Töten von aggressiven und kranken Tieren vor. Die restlichen Hunde sollen von der Straße geholt und zur Adoption freigegeben werden. Die Gesamtzahl der streunenden Hunde auf türkischen Straßen wird verschiedenen Angaben zufolge auf 1,3 bis vier Millionen Tiere geschätzt. Tierschützer sehen die Rechte von Tieren in Gefahr und auch die größte Oppositionspartei CHP wettert gegen den Vorstoß. »Das neue Gesetz verstößt gegen die Verfassung und schützt das Recht auf Leben nicht«, argumentierte der CHP-Vorsitzende Özgür Özel.

 

Eigentlich hatte das zugrunde liegende Tierschutzgesetz, das nun ergänzt wurde, bereits vor zwanzig Jahren die Probleme mit streunenden Hunden in der Türkei regeln sollen. Die damals eingeführte CNR-Methode – (»Catch, Neuter, Return«, zu Deutsch: Einfangen, Kastrieren und Freilassen) – sollte die Hundepopulation in den Straßen der Türkei eindämmen und kontrollieren. Tierärzte sehen diese CNR-Methode als wirksame Lösung an, sofern sie konsequent umgesetzt werde. Doch noch immer werden vorwiegend Kinder und ältere Personen von Hunden angegriffen und dabei verletzt, in einigen Fällen sogar tödlich. Das türkische Innenministerium listet für den Zeitraum 2022 bis 2024 insgesamt 4.269 Angriffe durch Straßenhunde auf.

 

Doch anstatt die CNR-Methode und deren Implementierung in den zuständigen Kommunen auf den Prüfstand, ergreift die AKP-Regierung Maßnahmen, die vor allem die mit Straßenhunden verbundenen Kosten umlagern sollen. Die Gesetzesänderung schreibt vor, dass sämtliche streunenden Hunde von den Straßen entfernt und in Tierheimen untergebracht werden müssen – letztlich soll es in Zukunft keine streunenden Hunde mehr in der Türkei geben.

 

Der türkische Staat zieht sich aus der Verantwortung zurück, die ihm ursprüngliche Tierschutzgesetz noch auferlegt hatte

 

Eben jene Zielvorgabe brach die Gegner der Initiative auf die Barrikaden. Der Verdacht: Trotz Ankündigung eines massiven Ausbaus könnten die staatlich betriebenen Tierheime die vielen Straßenhunde nicht tiergerecht unterbringen – die Regierung schaffe also bewusst Bedingungen, die etwa den Ausbruch von Krankheiten wie Tollwut begünstigten, um dann die massenwiese Tötung der Tiere zu rechtfertigen. Die AKP weist solche Vorwürfe von sich. Ihr Fraktionsvorsitzender Abdullah Güler erklärte, das Gesetz »sieht kein Töten vor. Hier geht es darum, Anreize zu schaffen, damit mehr «. Die Verantwortung für die Adoption wird den Bürgern übertragen und Adoption wird im Gegensatz zum Kauf gefördert.

 

Tierrechtsorganisationen befürworten eigentlich die Adoption statt den Ankauf, da letzter dem Tierhandel Tür und Tor öffnet. Doch die Betonung der Adoption in der Gesetzesänderung verfolgt ein anderes Ziel. Der Staat zieht sich aus der Verantwortung zurück, die ihm ursprüngliche Tierschutzgesetz noch auferlegt hatte. Das Tierwohl soll künftig gänzlich in den Händen von Privatpersonen liegen.

 

Die Verlagerung der Verantwortung hat wohl auch handfeste finanzielle Gründe, um der anhaltenden Wirtschaftskrise Herr zu werden. Erst im Mai präsentierte Finanzminister Mehmet Şimşek neue Sparmaßnahmen, darunter das Verbot für den Kauf, Bau und die Anmietung neuer Sozialeinrichtungen sowie einen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst. Insbesondere in diesem Licht erscheinen die Argumente der Befürworter des neuen Gesetzes wenig glaubwürdig.

 

Die AKP war darauf bedacht, die Pläne für Tierheime und Adoptionsförderung von Straßenhunden als tierrechtliche und nicht haushaltspolitische Maßnahme zu präsentieren – und hat wohl auch deshalb bislang keine Schätzungen zu möglichen Kosteneinsparungen vorgelegt. Unklar bleibt also weiterhin, wie die Kommunen in der Türkei den Bau neuer Tierheime finanzieren sollen. Und auch für die künftigen Hundebesitzer fehlen bislang jegliche finanziellen Anreize, um sie zur massenwiesen Adoption von Straßenhunden zu bewegen.

Von: 
Nice Şenolan

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