Kurz vor der Rente entdeckt Deutschlands erfahrenster Diplomat die Macht der sozialen Medien. In Pakistan wird er dafür gefeiert.
Vor einigen Jahren nahm der damalige deutsche Botschafter an einem Event für ausgesuchte pakistanische Geschäftsleute im feinen Avari-Hotel in Lahore teil. Wirtschaftsförderung und Deutschland, das zieht rund um den Globus eigentlich immer – ein Heimspiel für den Diplomaten. Nur verspürte der fest als Hauptgast eingeplante Ministerpräsident des Bundesstaats Punjab, Shahbaz Sharif, spontan wenig Lust auf die Zusammenkunft und schickte Sohnemann Hamza vor.
Der Politspross lästerte im kleinen Kreis kräftig über den als dröge empfundenen Deutschen. Und Europa würde doch im 21. Jahrhundert sowie niemanden mehr interessieren. Nonchalant ließ er den Botschafter samt geladener Gäste fast eine Stunde warten. Als sich Hamza Sharifs Entourage aus mehreren Limousinen und Pick-up-Trucks unmittelbar nach dem Event eilig in Bewegung setzte, blieb der erstaunte Diplomat allein auf dem Hotelparkplatz zurück.
Martin Kobler würde das wohl nicht passieren. Kobler, seit August 2017 Deutscher Botschafter in Islamabad, hat sich nämlich mithilfe der sozialen Medien einen Namen im Land gemacht. Ob beim Wandern mit seiner Frau, beim angeregten Plausch mit Studenten oder beim Spaziergang durch die Altstadt von Peschawar – zusammen mit einem Mitarbeiter postet er auf Englisch und Urdu Eindrücke seines Alltags im Land. Fast alle Posts haben einen positiven Grundton.
Über 100.000 Follower hat der Diplomat mittlerweile auf Twitter, mehr als doppelt so viele wie seine oberste Dienstherrin Angela Merkel
Mit Lob über die Schönheit der Natur und die Gastfreundlichkeit der Pakistaner hält sich Kobler nicht zurück. Über 100.000 Follower hat der Diplomat mittlerweile auf Twitter, mehr als doppelt so viele wie seine oberste Dienstherrin Angela Merkel. Viele Pakistaner haben das Gefühl, im Westen ausschließlich negativ dargestellt zu werden.
Ein Gora (etwa: »hellhäutiger Ausländer«), der die Schönheit des Landes in aller Öffentlichkeit würdigt und die harten Themen wie Terrorbekämpfung, Korruption oder die Rolle des pakistanischen Militärs lieber hinter verschlossenen Türen anspricht, das kommt gut an im Land. Der Fernsehsender Dunya TV sendete im März gar ein zweiminütiges Lobvideo zu seinen Ehren.
Auf seinem vorherigen Posten als UN-Sonderbeauftragter in Libyen konnte der ehemalige Büroleiter von Joschka Fischer kaum mal über Nacht im Land bleiben und musste zumeist von Tunis aus zwischen Warlords, Regierung und Gegenregierung vermitteln. Ein Bruder des Attentäters von Manchester plante einen Anschlag auf einen Konvoi Koblers in Tripolis, der aber vereitelt werden konnte. Selbst auf Heimatbesuch in Berlin bepöbelten Exil-Libyer den Sonderbeauftragten regelmäßig.
Auf seiner letzten Station vor der Pensionierung, zuvor war er unter anderem UN-Sonderbeauftragter für den Irak, später Leiter der Friedensmission im Ostkongo, läuft es für den Diplomaten nun ungleich besser. Zahnlos ist Koblers Twitter-Diplomatie indes nicht. Ende September postete er die malerische Szenerie rund um die pakistanische Kapitale, aber prangerte auch die grassierende Umweltverschmutzung durch wilde Müllberge an. Die Stadtverwaltung reagierte umgehend. Nur wenige Stunden später waren die zuständigen Funktionäre der Stadtreinigung ihren Job los.