Erinnern, aufarbeiten und weitermachen: Was 2011 begann, ist noch längst nicht vorbei. Die neue zenith ist da, mit großem Dossier zu zehn Jahren Arabischer Frühling.
Nicht jeder hinkende Vergleich muss abwegig sein: Was seit 2011 in Nordafrika und dem Nahen Osten geschieht, könnte so etwas wie das 1968 der Arabischen Welt sein, sagte neulich der Staatsrechtler Naseef Naeem, selbst regelmäßig Autor bei zenith. Weniger, weil der Begriff des Arabischen Frühlings auf den Prager Frühling verweist, sondern weil 2011 für ein Lebensgefühl steht. Für einen kulturellen und gesellschaftlichen Aufbruch, dessen Folgen sich wohl erst eine Generation später überblicken lassen.
Hier können Sie die neue zenith-Augabe 02/2020 bestellen.
Er geht einher mit Zerwürfnissen und dem Ruf nach einem neuen Gesellschaftsvertrag. Mit wirtschaftlichen Verteilungskämpfen, Konflikten zwischen Generationen. Mit Angst vor Unruhen und dem Einfluss internationaler Mächte auf das Geschehen. Und vereinzelt auch mit Radikalisierung und terroristischer Gewalt.
Wie auch immer man die Folgen dieses zurückliegenden »Arabischen Jahrzehnts« beurteilt – es ist offenbar ein epochaler Einschnitt in der Zeitgeschichte der Region, der auch die Arbeit von zenith einschneidend veränderte. Von Tunesien ausgehend schwappte 2011 eine Welle des Aufbegehrens in die Region. Die arabische Welt stand plötzlich nicht mehr für Stillstand. In Algerien, Sudan, Libanon und Irak war davon damals weniger zu spüren, dafür erleben sie seit 2019 eine »zweite Welle«. Sie betrifft nicht nur autoritäre Regime, sondern ganz besonders die fragilen Demokratien.
Der Arabische Frühling – Beginn einer Zeitenwende? Diese Frage steckt im Kern dieses Hefts. Wir geben darin den Menschen Raum, die 2011 oder 2019 dabei waren. Sie erinnern sich, reflektieren, wie die Ereignisse von damals aufgearbeitet werden können, und fragen, wie es weitergehen kann. Nicht zuletzt prägten die Kernforderungen der Revolutionen – Freiheit und soziale Gerechtigkeit – im letzten Jahrzehnt auch die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung im Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika. Das Dossier zum zehnjährigen Jubiläum der Umbrüche entstand in Kooperation mit und mit Unterstützung der FES und ihrer zahlreichen regionalen Büros.
Diese Geschichten erwarten Sie unter anderem in dem fast 80-seitigen Dossier:
Wir sind Schmuggler
Kritische Journalisten landen in Ägypten im Gefängnis. Oder bei Mada Masr. Chefredakteurin Lina Attalah weiß, warum.
»Ich fühlte mich wie in einem Computerspiel«
Exklusiv für dieses Dossier hat Aya Tarek eine Serie von Illustrationen entworfen. Hier zeigt die ägyptische Street-Art-Künstlerin, wie sich ihr Blick auf den Arabischen Frühling verändert hat.
»Wir brauchen Frauenquoten«
Analystin Kholood Khair erklärt im Interview, was für Sudans Frauen im Zuge der Revolution auf dem Spiel steht – und wie sie die politische Kultur verändern könnten.
Wir werden es wieder schaffen!
Der Musiker Ray Asery war dabei, als im Jemen 2011 plötzlich radikale Veränderung möglich war. Heute glaubt er, dass die Erfahrung von Repression und Krieg in der nächsten Phase der Revolution von Nutzen sein könnten.
Plan B
Wie das Beirut von morgen aussehen müsste.
Und diese Geschichten lesen Sie außerhalb des Schwerpunkts in der neuen Ausgabe:
Die Freunde der Toten
Ägyptische Leichenhallen sind gefährliche Orte. Wer hier arbeitet riskiert seine Existenz. Über Menschen, die es trotzdem tun.
Narcos: Türkei
Drogenhandel, Waffenschmuggel, Auftragsmorde: Die wichtigsten türkischen Mafiabosse pflegen enge Kontakte in die Politik und erschließen sich neue Geschäftsfelder.
Omid heißt Hoffnung
Wie geht es Menschen mit Behinderung in einem der am schwersten von Corona betroffenen Länder der Welt? Ein Besuch im Behkusch-Zentrum in Iran.