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Mitarbeiter-Mittwoch: Christian Meier, Mitgründer und Herausgeber von zenith

»Spontane, komplett bizarre Ideen – freilich grandios«

Portrait
Christian Meier
Foto: Elisabed Abralava

Aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums von zenith stellen wir jeden Mittwoch einen Mitarbeiter vor. Diese Woche: Christian Meier, Mitgründer und Herausgeber von zenith.

Über Christian: 

Er ist wohl das, was man zenith-Urgestein nennt: Seit der Gründung der Zeitschrift in Hamburg, wo er Islamwissenschaft und Nahostgeschichte studiert hat, war er viele Jahre Teil des Teams, unter anderem als Chefredakteur. Seit 2016 arbeitet er für die FAZ – und gibt zu: Manchmal vermisst er das kreative Chaos im zenith-Büro und den intensiven Austausch über Orient-Themen, der für Außenstehende (so jedenfalls seine Befürchtung) bisweilen ans komplett Unverständliche grenzt.

 

Wofür warst du in der Redaktion berühmt bzw. berüchtigt? 

Hmm, vermutlich für Kommapedanterie.

 

Wie sah Dein »perfekter« Arbeitstag bei zenith aus?

Wenn mal nicht alles, was man bislang geplant hatte, über den Haufen geworfen wurde zugunsten einer spontanen, komplett bizarren Idee – die sich manchmal im Nachhinein freilich als grandios herausstellte.

 

»Den Nahen Osten näherbringen« - Was bedeutet das für Dich?

Laut einem Bonmot von Karl ReMarks ist der Nahe Osten die Region, die irgendwo zwischen Ägypten, Iran, der Türkei, dem Jemen und dem British Museum liegt. Was er meint: Der »Orient« befindet sich auch in unseren Köpfen – und auch aus dem Grund trug zenith lange den Untertitel »Zeitschrift für den Orient«: weil es sich sowohl mit der real existierenden Region und ihren Menschen beschäftigt als auch mit den Bildern, die wir uns von ihr machen. Und mit den Wechselwirkungen zwischen beidem. Denn so vieles, was dort geschieht, hat oft eine Menge mit Europa oder dem »Westen« zu tun.

 

Welche zenith-Ausgabe ist dir am meisten in Erinnerung geblieben? (Warum?)

Das dürfte das Heft sein, das bei uns während der Produktion damals KUMDI hieß: »Kampf um den Islam«. Ich glaube, zumindest in meiner Zeit gab es keinen anderen Themenschwerpunkt, an dem wir so lange, so intensiv und auf so hohem Niveau gearbeitet haben. Es hat sich gelohnt.

Christian Meier
Foto: Elisabed Abralava

Welches Buch würdest du jedem weiterempfehlen?

»Baghdad without a Map and Other Misadventures in Arabia« von Tony Horwitz. Das Buch muss irgendwann Anfang der neunziger Jahre erschienen sein. Es ist der Erfahrungsbericht eines freien Journalisten im Nahen Osten. Nicht nur schreibt Horwitz unfassbar komisch, man erfährt auch viel über die politischen Verhältnisse in den achtziger Jahren und lernt einiges über (Nahost)-Journalismus. Ein moderner Klassiker.

 

Welches Gericht kochst du gut und gerne?

Ich habe das Glück, dass es Leute um mich herum gibt, die mehr Freude als ich daran haben, aufwendig zu kochen, und vielleicht auch mehr Talent dazu.

 

Wen wolltest du schon immer einmal interviewen?

Orhan Pamuk. Ich rief früher gelegentlich bei seinem deutschen Verlag an und fragte, ob er Interviews gibt, aber die lachen einen dann immer nur aus.

 

Ein Ort, den du niemals vergessen wirst?

Das Dorf Ibillin im Norden Israels, wo ich zum ersten Mal meinen Fuß in die Region setzte.

 

Ein Ereignis, das du niemals vergessen wirst?

Als ich vor vielen Jahren einmal von Damaskus nach Beirut wollte, aber vorher zur jordanischen Grenze und zurück fahren musste, nur damit ich Syrien formal kurz verlasse. Der Grund war, dass ich mir das falsche Visum besorgt hatte, ein Transitvisum. Ich wäre sonst nicht zurück in den Libanon gekommen, wo ich wohnte. Mir ging dann unterwegs aber das Geld aus, und am späten Nachmittag war ich an der syrisch-jordanischen Grenze gestrandet. Ein Mobiltelefonnetz gab es damals dort noch nicht, und mein Visum war nur noch bis Mitternacht gültig. Ein syrischer Taxifahrer auf dem Rückweg aus Amman nahm mich schließlich mit; er hielt die ganze Geschichte für einen Scherz, bis er irgendwann begriff, dass ich ihn wirklich nicht bezahlen kann – da wurde er richtig sauer. Ich habe später alles aufgeschrieben und der zenith-Redaktion in Hamburg geschickt, aber die fanden es zu konfus, um es zu veröffentlichen, glaube ich. Auch heute klingt es kaum verständlich. Und das ist nur die Kurzfassung, ohne die ganzen Stunden, die ich ergebnislos in irgendwelchen Ministerien in Damaskus verbrachte.

 

Warum würdest du Anderen empfehlen, zenith Club-Mitglied zu werden?

Weil wir mehr denn je guten Nahostjournalismus brauchen.

Von: 
zenith-Redaktion
Fotografien von: 
Elisabed Abralava

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