Sabah Fakhri ist im Alter von 88 Jahren nach langer Krankheit gestorben. Syrien, allen voran Aleppo, verliert weit mehr als eine musikalische Ikone.
Eigentlich wollte Sabah Fakhri Muezzin werden. Zeitweise übernahm er tatsächlich den Gebetsruf in einer Moschee in Aleppo. Mit 13 Jahren war er schon ein kleiner Star: Der Radiofunk Damaskus bewarb Fakhri, der mit bürgerlichem Namen Sabah al-Din Abu Qaws heißt, im Jahr 1946 als »großen Künstler« mit einer »goldenen Stimme«.
Zwei Jahre später sollte er sogar in Anwesenheit zweier syrischer Staatsmänner, Schukri Al-Quwatli und Dschamil Mardam Bey, ein Konzert halten. Es folgten Tourneen quer durch die arabische Welt. Später auch in Europa und in den Vereinigten Staaten.
Fakhris Werke kann man als musikalische Manifestation der alten, stolzen Handelsmetropole verstehen
Fakhris Musikrichtung war der Tarab. Ein Genre, das starke Einflüsse aus dem religiösen Gesang aufweist, aber sich vor allem auch durch seine Weltbezogenheit in den Liedtexten kennzeichnet. Sich dem Tarab hinzugeben, bedeutet in eine Trance zu verfallen; sich seinen Emotionen zu öffnen. Eine Handlung, die vielen Menschen in der durch konservative Verhaltenserwartungen durchnormierten arabischen Welt einen zeitweiligen Ausbruch aus dem starren Alltag ermöglichen kann.
Wer Fakhri zuhört, könnte meinen, religiösen Gesängen zu lauschen. Doch es sind keine Prophetenloblieder, sondern Themen mit irdischem Bezug, die von Fakhri besungen werden: Die Schönheit einer Frau, warme Sommernächte, ein Kühle spendender Springbrunnen oder der Schatten unter einer Palme.
Fakhris Werke kann man auch als musikalische Manifestation der alten, stolzen Handelsmetropole verstehen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Fakhri ein Untergenre des Tarabs praktizierte: Qudud Halabiya – musikalische Takte aus Aleppo. Dabei werden die Gedichtverse, die im Inhalt und der Form von der arabischen Poesie Andalusiens inspiriert sind, mit religiösen Klängen versehen. Eine Musiktradition, die, wie es der Name schon sagt, vor allem in Aleppo praktiziert wird.
Eine Einigkeit, die in Folge der Fragmentierung Syriens eine Seltenheit geworden ist
Sowohl Gegner als auch Unterstützer des Assad-Regimes bekunden im Netz Trauer über Fakhris Tod. Es ist aber nicht so, dass Fakhri sich zu Lebzeiten in politischer Neutralität geübt hätte. Fakhri war zweitweise stellvertretender Vorsitzender der staatsnahen syrischen Künstlervereinigung. 1998 ließ er sich sogar ins syrische Parlament wählen. Als Basel Al-Assad, eigentlich der designierte Nachfolger des Präsidenten, im Jahr 1994 bei einem Autounfall verunglückte, erschien Fakhri bei dessen Trauerfeier und kondolierte Hafiz Al-Assad persönlich.
Zu Beginn des Krieges in Syrien erkrankte Fakhri an altersbedingter Demenz und zeigte sich in der Folge kaum noch in der Öffentlichkeit. Er lebte zurückgezogen im Libanon und äußerte sich nicht zu den Geschehnissen in seinem Heimatland. Auch deswegen betrauern nun Syrer jeglicher politischer Couleur seinen Tod.
Alle Syrer sind im Verlust vereint. Eine Einigkeit, die in Folge der Fragmentierung Syriens eine Seltenheit geworden ist. Ebenso wie das alte Aleppo nahezu verschwunden ist. Mit Fakhri verliert das alte Aleppo nicht nur seinen letzten Repräsentanten, Syrien verliert auch seine letzte große Musikikone.