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General Haftar und der Krieg um Tripolis in Libyen
Foto: Alessio Romenzi
General Haftar und der Krieg um Tripolis in Libyen

So erleben Menschen die Schlacht um Tripolis

Reportage
von Francesca Mannocchi
05.06.2019
Politik

Milizen kämpfen um die Kontrolle über Rohstoffe und Banken. Die Wirtschaft liegt brach, Libyens Bürger sind nach acht Jahren kriegsmüde – und wissen oft nicht, ob der Freund von heute der Feind von morgen wird. Doch viele trotzen der Resignation.

Abdullah läuft über den Märtyrer-Platz und betrachtet die Banner und Flaggen am Straßenrand. »Wir haben schon einmal einen Diktator gestürzt und dessen Ende gefeiert. Wir werden nicht zulassen, dass ein weiterer Diktator unsere Hauptstadt betritt«, sagt er mit Blick auf ein Banner, das ein Bild von Khalifa Haftar ziert. Das Gesicht des Generals ist durchgestrichen. Darunter die Worte: »Lass uns in Ruhe«.

 

Abdullah ist 22 Jahre alt. Den Großteil seines Lebens kannte er diesen Platz unter dem Namen Al-Sahat al-Hadra, der »Grüne Platz«. Der Name war ein Ausdruck der Treue zur Jamahiryia, dem »Staat der Massen« und zum Brüderführer, Generaloberst, Herrscher der Revolution: Muammar Al-Gaddafi, der Beduine, geboren in einem Zelt im Vorort Qasr Abu Hadi.

 

Abdullah erinnert sich an den 2. März. An diesem Tag gingen die Menschen hier früher für das Regime auf die Straße, anlässlich der Ausrufung der Jamahiryia. Er erinnert sich auch an den 1. September, der Tag der Revolution, an dem Gaddafi seine Machtübernahme 1969 feierte.

 

Auf diesem Platz rief Gaddafi zu Beginn der Proteste, am 25. Februar 2011, seinen Unterstützern zu: »Ein Leben ohne Würde hat keinen Wert, ein Leben ohne die grüne Flagge hat keinen Wert. Also tanzt und singt! Wer mich nicht unterstützt, wird sterben.« Einige Monate später feierten die Menschen am selben Ort seinen Tod, tanzten auf den heruntergerissenen Portraits des Diktators. Die Menschen gingen hier gegen das Regime auf die Straße, riefen den Sieg aus und reklamierten den Ort für sich, der jahrelang das Symbol der Herrschaft des »Bruderführers« gewesen war – und nannten ihn in Märtyrer-Platz um.

 

Heute ist er wieder voll mit Menschen. Männer und Kinder auf der einen Seite, Frauen auf der anderen. Auf einem Plakat steht: »Nein zur Militarisierung von Libyen«. Doch das Land ist längst militarisiert: Auf fünf Millionen Menschen kommen hier 20 Millionen Waffen.

 

Die Poster auf dem Märtyrer-Platz sind der Spiegel dieses Krieges in Libyen, der längst eher einem Stellvertreter- als einem Bürgerkrieg gleicht.

 

Eine Gruppe Jugendlicher schleift eine überdimensional große Flagge über den gesamten Platz und ruft: »Nein zu einem weiteren Diktator. Nein zu Haftar, dem Kriegsverbrecher.« Ein älterer Mann sitzt auf einem Schemel. Er rezitiert ein Gedicht, eine Ode an die Wüste und den Mut der Helden Libyens, allen voran Omar Al-Mukhtar, Anführer des Widerstands gegen die italienische Besatzung in den 1920er Jahren. »Ich werde diesen Ort nicht verlassen, bis ich eines der zwei höchsten Ziele erreiche: das Märtyrertum oder den Sieg«, zitiert der alte Mann.

 

Al-Mukhtar siegte nicht. Er wurde gefangen genommen, im Littorio-Palast in Benghazi vor Gericht gestellt und auf dem Vorplatz vor den Augen von 20.000 Menschen gehängt. Heute erinnert der Platz an andere Tote. Sie wird man in Zukunft als die »Märtyrer« der Haftar-Offensive feiern. Um den alten Mann herum rufen Menschen im Chor: »Gott ist groß«. Und immer wieder »Wir werden siegen«.

 

Es gibt kaum eine Wand, die nicht plakatiert ist mit Bildern von Haftar und seinen Verbündeten. Etwa der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman, Ägyptens Präsident Abdulfattah Al-Sisi, Wladimir Putin und der Kronprinz der Vereinten Arabischen Emirate (VAE), Muhammad bin Zayed Al Nahyan. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron lächelt von den Hauswänden herunter. Jedes einzelne Bild ist mit einem roten Stift überkritzelt worden.

 

Die Poster auf dem Märtyrer-Platz sind der Spiegel dieses Krieges in Libyen, der längst eher einem Stellvertreter- als einem Bürgerkrieg gleicht. Die Menschen sind sich einig: Tripolis darf nicht zum neuen Benghazi oder das neue Derna werden – dem Erdboden gleich gemacht durch die Bomben Haftars.

 

»Wir sind müde und viele dieser Demonstranten hier hätten Haftar vor einigen Wochen mit offenen Armen willkommen geheißen«.

 

Ein Mädchen hält ein Banner in der Hand mit der Aufschrift: »Die Vereinten Nationen zerstören unser Land.« Sie erklärt: »Niemand hier vertraut mehr auf Ghassan Salamé. Die Vereinten Nationen haben ihre Glaubwürdigkeit verloren. Sie müssten wissen, dass man mit Kriminellen nicht verhandeln kann. Trotzdem reden sie mit Haftar. Unsere Geduld ist am Ende.«

 

Eine andere Frau kommt mit einer Rose in der Hand auf mich zu. Salma ist 25 Jahre alt, ihre Gesicht ist von einem Niqab verhüllt. »Nein zur Militärregierung. Ja zur zivilen Regierung«, steht auf dem Plakat, das sie trägt. »Libyer sind Brüder, keine Feinde«. Ein Teil ihrer Familie lebt in Benghazi, in dem von Haftar kontrollierten Gebiet. Benghazi – dort, wo die Revolution begann. Für Salma ist die Revolution vom 17. Februar noch lange nicht vorbei: »Es gibt so viele Personen, mit denen wir noch reden und verhandeln könnten. Die Menschen im Osten sind nicht unsere Feinde, sondern unsere Brüder. Wir alle sind Libyer. Wir heißen sie willkommen – aber nur in Frieden. Haftar hat alle bisherigen Bemühungen mit seinem Militär zerstört. Eine diplomatische Lösung kann es aber nur geben, wenn er von den Verhandlungen ausgeschlossen wird.«

 

Es ist fast Abend und Abdullah verlässt den Platz. Jemand verschenkt Baryoush, eine Art Brioche-Brötchen, dass sich bei den Hauptstädtern großer Beliebtheit erfreut. Ein Passant stimmt wieder Protest-Lieder an: »Haftar, Tripolis wird dich niemands hereinlassen«.
Einige stimmen leise mit ein. Die Stadt ist müde.

 

»Es geht nicht darum, optimistisch oder pessimistisch zu sein, was das Ende des Krieges angeht. Es geht darum, zugeben zu können, dass wir letztlich die Wahl zwischen Milizen-Herrschaft und Diktatur haben werden«, sagt ein alter Mann, der eine weiße Jalabia trägt. »Einige derjenigen, die diesen Platz füllen, haben sich vor einem Monat noch über das Vorgehen der Milizen beschwert. Sie wollten die Zeit heraufbeschwören, in der die Menschen in Sicherheit lebten, ein Dach über den Kopf hatten, Arbeit und Strom. Wir sind müde und viele dieser Demonstranten hier hätten Haftar vor einigen Wochen mit offenen Armen willkommen geheißen«.

 

Die Ermüdung der Menschen in Tripolis wollte Haftar nutzen, um einen Konsens zu schaffen. Aber er hat seine Verbündeten in der Stadt überschätzt.

 

Die Müdigkeit Tripolis – man spürt sie in den Warteschlangen vor den Tankstellen und den Banken, die von den Milizen kontrolliert werden. Müdigkeit und Resignation herrschen auch angesichts der großen Widersprüche: Libyen ist das Land mit den größten Ölreserven Afrikas und steht weltweit an neunter Stelle. Die Wirtschaft des Landes basiert vollkommen auf Öl: 95 Prozent der Staatseinnahmen und 96 Prozent des Exportwerts macht der Rohstoff aus. Der durchschnittliche Jahresumsatz beträgt 24 Milliarden Dollar. Der Preis für eine volle Tankfüllung beträgt etwa vier US-Dollar. Trotzdem stehen die Menschen stundenlang vor den Tankstellen Schlange, beladen mit leeren Kanistern, und betteln um Benzin. Der Grund: Milizen halten die Raffinerien des Landes unter Kontrolle – als Druckmittel. Libyen ist ein sehr reiches Land ohne Geld. Selbst die Banken sind in den Händen bewaffneter Gruppen.

 

Die Ermüdung der Menschen in Tripolis wollte Haftar nutzen, um einen Konsens zu schaffen. Aber er hat seine Verbündeten in der Stadt überschätzt. Er hat zu viel gewagt und zu schnell. Er wollte als Held empfangen werden, setzte auf die gleiche Rhetorik, die er schon im Kampf um Benghazi aufgefahren hatte: Im großen Stil wolle er die Stadt von Milizen und Islamisten »reinigen«. Aber in der Rolle als Eroberer wird Tripolis den General nicht akzeptieren. »2014 sagte Haftar, dass Libyen nicht bereit für die Demokratie sei. Jetzt lässt er seine Alternative für das Land erkennen: Eine Diktatur, getarnt als Befreiung«, sagt Abdullah.

 

Fünf Wochen sind seit Beginn der Offensive gegen die Regierung Serraj vergangen. Die Kämpfe haben die südlichen Stadtviertel erreicht: Ain Zara, Khalat al-Ferjan, Salaheddine, das Flüchtlingslager Jarmuk und den Bezirk des alten internationalen Flughafens, der bereits 2014 zerstört wurde. Das Ergebnis: Mehr als 400 Tote, 200 Verletzte, 60.000 Vertriebene. Die Anzahl der Frontlinien wächst und ihr Verlauf verändert sich stetig. Es ist ein tägliches Katz- und Mausspiel, begleitet von ständigem Artilleriebeschuss.

 

Die Wohngebiete in Ain Zara wirken geisterhaft. Die Geschäfte sehen noch genau so aus, wie sie verlassen wurden: Draußen liegen mit Sand und Staub bedecke Früchte und Gemüse in den Verkaufsständen. Meilenweit erstrecken sich Straßen mit Sandblöcken zum Schutz vor feindlichen Geschossen. Die Dächer der Moscheen werden als Positionen für Scharfschützen genutzt. Am Straßenrand sind die Einschläge der Bomben unübersehbar. »Sie haben die neusten Panzer, Drohnen, Raketenwerfer, Flugzeuge und Hubschrauber«, sagt Yasin Salama aus Misrata. »Wir sind gut trainiert, aber wenn es Bomben hagelt, kannst du nichts machen. Dann hilft nur noch beten. Wo sind unserer Verbündeten? Warum schicken sie uns keine Drohnen, während wir hier in Angst vor den Bomben der Emiratis leben?«

 

»Das, was Haftar eine Armee nennt, ist eine Bande wilder Söldner, Sudanesen und Tschader.«

 

Yasin spielt damit auf eine der Raketen an, die gegen Tripolis eingesetzt wurde: Eine chinesische LJ-7, mit denen die unbemannten Flugzeugen der VAE ausgerüstet sind. Laut UN-Angaben haben die VAE Haftar mit Flugzeugen und 100 gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet. Innenminister Fathi Bashagha ist nach Ankara gereist – wohl um militärische Unterstützung anzufragen. Die Türkei ist ebenso wie Katar ein enger Verbündeter der Serraj-Regierung.

 

Am Eingang des Wohnbezirks steht eine Papierfabrik, ebenfalls zerbombt. Das Geräusch der vom Wind bewegten Blechstapel geht in den immer näherkommenden Schüssen unter. Alle Zivilisten sind von hier geflohen. Ein Auto, vollgeladen mit Kisten, hält an der Straße, gefolgt von einem Krankenwagen. Osama Oshah ist der letzte, der die Gegend gemeinsam mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern verlässt. »Die Zerstörung von Ain Zara ist nichts verglichen mit Benghazi und Derna. Das, was Haftar eine Armee nennt, ist eine Bande wilder Söldner, Sudanesen und Tschader. Diejenigen, die er Terroristen nennt, um seinen Krieg zu rechtfertigen, sind letztlich politische Gegner. Diktatoren machen das so: Sie spielen mit Worten. Den Krieg gegen den Terror nutzen sie als Rechtfertigung ihrer eigene Brutalität.«

 

Der Krankenwagen transportiert einen Mann. Er ist abgemagert, als hätte er seit Tagen nichts gegessen. Wochenlang war es nicht möglich gewesen, ihn zu evakuieren. Die Soldaten schauen zum Himmel, jedes Geräusch könnte eine Drohne im Anflug oder einen plötzlichen Bombeneinschlag zeitigen.

 

Einer der Soldaten der Brigade ist Khaled Mansour. Er kommt aus Misrata, sein Gesicht ist hinter einer Sturmhaube verborgen. Ein Teil seiner Familie lebe immer noch in Benghazi, in der Nähe der Frontlinie. Er sagt, es sei besser, niemandem zu vertrauen. In der vergangenen Woche seien zwei Männer mit einer weißen Flagge in der Hand auf ihn zugekommen. Ein Hinterhalt: Als Khaleds Männer zu Hilfe eilten, wurden sie von Haftars Soldaten von zwei Seiten aus angegriffen. Er verlor drei seiner Kämpfer. Nur ein paar Hundert Meter trennen die Scharfschützen hier: Libyer auf der einen Seite, Libyer auf der anderen.

 

Haftar hält Misrata für eine Hochburg der Muslimbruderschaft. Die Kämpfer wissen: Sobald Tripolis fällt, ist Misrata als nächstes an der Reihe.

 

Der Kommandant trägt eine AK-47 und steigt schnell drei Treppenstufen hoch. Einer seiner Männer, bewaffnet mit einem Maschinengewehr, eröffnet das Feuer in Richtung des Feindes. Diese Männer haben schon 2016 gekämpft, als der sogenannte Islamische Staat aus Sirte vertrieben wurde. Ein Krieg, der sechs Monate andauerte und die Stadt 700 Tote und 3.000 Verletzte kostete. »Ich kann es nicht akzeptieren, von einem Diktatoren Terrorist genannt zu werden. Wenn jemand in Libyen Dschihadisten bekämpf hat, dann sind das die Soldaten aus Misrata.«

 

Die erfahrensten Streitkräfte im Gebiet stammen aus Misrata. Die Truppen aus der Küstenstadt zwischen Tripolis und Benghazi sind am besten ausgerüstet. Sie sind hier, um ihre Hauptstadt zu schützen, aber auch sich selbst: Haftar hält Misrata für eine Hochburg der Muslimbruderschaft. Die Kämpfer wissen: Sobald Tripolis fällt, ist Misrata als nächstes an der Reihe.

 

An der Front kämpfen Milizen aus Zawia, Zuwwara, und Janzour, den angrenzenden Küstenstädten im Westen. Doch es fällt eher ins Auge, wer fehlt. Und das sind vor allem die von Salafisten dominierten Milizen, die an der Seite und im Sold der Serraj-Regierung stehen. Allen voran die »Spezielle Abschreckungseinheit« (RADA), bestehend aus 1.500 Mann. Sie kontrolliert den Flughafen Mitiga sowie das gleichnamige Gefängnis auf dem Gelände. Mit den Salafisten in den Reihen dieser Elite-Truppe haben Haftars Abgesandte in den letzten Jahren immer wieder verhandelt – vermittelt durch die Madkhalisten, Anhänger des saudischen Gelehrten Rabee Al-Madkhali. Die Madkhalisten sind besonders in der Cyrenaika im Osten des Landes präsent und sind Teil von Haftars Milizenbündnis. Wer die salafistischen Milizen auf seine Seite ziehen kann, könnte das militärische Patt brechen.

 

Atiya ist um die zwanzig, trägt Shorts und eine Jacke mit Camouflage-Muster. Er lächelt die ganze Zeit. »Das ist meine Art«, sagt er. »Ich habe keine Angst davor, als Märtyrer zu sterben, wenn ich damit die Hauptstadt vor den Eroberern beschützen kann.«

 

Die hartnäckigsten Kämpfer werden am Ende ihre Rechnung ausstellen: politische Posten, Sonderrechte, Geld, Raffinerien, Öl.

 

Er kämpft in dem Bereich rund um den alten internationalen Flughafen, eine der gefährlichsten Frontlinien – hier toben die Kämpfe auf den Feldern der Bauernhöfe. Gepanzerte Fahrzeuge rollen Richtung Süden. Plötzlich trifft ein Granatengeschoss das gepanzerte Fahrzeug, gefolgt von einem Kugelhagel. Das dumpfe Geräusch der abgefeuerten Schüsse wird durch das zischende Geräusch der feindlichen Schüsse unterbrochen. »Das ist der vierte Krieg in acht Jahren», sagt Atiya. »Die Revolution, der Bürgerkrieg, dann der Septemberkrieg. Milizen in Tripolis gegen Milizen, die Tripolis angreifen. Die Feinde von gestern sind die Verbündeten von heute. Und die Verbündeten von heute können die Feinde von morgen sein.«

 

Im Durcheinander der Brigaden und bewaffneten Gruppen steht Salah Badi, einer der führenden Warlords aus Misrata, auf Seiten der Allianz, die die Hauptstadt gegen Haftars Offensive verteidigen soll. Vor gerade einmal sieben Monaten, während des Septemberkrieges, hatte er noch die Siebte Brigade von Tarhuna im Kampf gegen die Hauptstadt-Milizen unterstützt. Heute kämpft die Siebte Brigade an der Seite Haftars gegen die Verbündeten von damals.

 

Die Soldaten sind nicht nur erschöpft, sie sind enttäuscht. Sie wissen, dass im Falle einer Niederlage Haftars die heutigen Verbündeten in Zukunft Rivalen sein werden. Und die hartnäckigsten Kämpfer werden am Ende ihre Rechnung ausstellen: politische Posten, Sonderrechte, Geld, Raffinerien, Öl. Schwer vorstellbar, dass die Soldaten aus Misrata im Fall einer erfolgreichen Verteidigung von Tripolis danach die Stadt einfach räumen werden. Und wieder: Die Freunde von heute sind die Feinde von morgen.

 

»Der Opportunismus hat den Geist der Revolution getötet« sagt Atiya. »Die Jungen sterben für die Freiheit und die Alten stehlen die Beute.« Atiya hat während der Revolution seinen Vater verloren, »ein Märtyrer von 2011«, wie er ihn nennt. Sein Blick richtet sich aus dem Fenster des gepanzerten Fahrzeugs hinaus auf die zerstörten Häuser am Straßenrand. Er sagt, er könne nicht aufhören, an den »Geist vom 17. Februar« zu glauben, den Beginn der Revolution. Es sei schwer zu töten, schließlich seien die Anderen ja Libyer, genau wie er selbst. Aber anders ginge es eben nicht. »Wenn ich nicht schieße, bin ich der erste, der stirbt«. Er schreit »Hurria, Hurria – Freiheit, Freiheit«, als er aus dem Fahrzeug steigt.

By: 
Francesca Mannocchi
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