Das rätselhafte Verschwinden Gerhard Schröders aus dem Nah- und Mittelostverein und was dahinter steckt.
Der aus Syrien stammende römische Kaiser Elagabal fiel ihr zum Opfer – ebenso wie der Pharao Echnaton und seine Sippe: Spätere Herrscher empfanden sie als unwürdig und übten posthum Rache, indem sie ihr Andenken, ihre Statuen und Bilder schleiften, ihre Namen aus den Annalen tilgten. Es scheint, dass Altkanzler Gerhard Schröder die Strafe der damnatio memoriae noch zu Lebzeiten erfährt. Und dies ausgerechnet vom Nah- und Mittelostverein (Numov), jener in Berlin ansässigen Wirtschaftsvereinigung, die ihren Ehrenvorsitzenden des Vorstands bis vor kurzem noch wie einen Gottkaiser verehrte.
Jahrelang hatte Schröder Delegationen von Unternehmen in den Nahen Osten angeführt – im Schlepptau deutsche Mittelständler und »Friends of Gerhard«, kurz FroGs, wie die SPD-Hauspost Vorwärts das Unterstützernetzwerk nennt. Als solcher »verhandelte« Schröder laut Presseberichten auch mit Irans Präsident Hassan Ruhani, traf den Vorsitzenden des iranischen Nationalen Sicherheitsrats, General Ali Shamkhani und besuchte regelmäßig die Golfstaaten. Noch im Januar traf Schröder – der »Türöffner« für die Wirtschaft (Manager Magazin) – in Riad den saudischen Außenminister Prinz Faisal bin Farhan.
Numov-Geschäftsführerin Helene Rang war offenbar so stolz auf ihren Ehrenvorsitzenden, dass sie dessen Namen jahrelang wie eine Beschwörungsformel im goldenen Briefkopf beziehungsweise -fuß des Vereins führte. Gleich unter ihrem eigenen.
Wer aber in den ersten Tagen des russischen Überfalls auf die Ukraine auf der Website des Numov nach Schröder suchte, musste sich wundern: Selbst das Konterfei des 2005 verstorbenen Ehrenvorsitzenden Hans-Jürgen Wischnewski – ebenfalls SPD-Politiker und wegen seiner Begeisterung für die Arabische Welt seinerzeit »Ben Wisch« genannt – war dort noch aufgeführt. Von Schröder aber fehlte jede Spur.
Fast jede: Auf einer Bildergalerie zu einem Numov-Empfang war er noch zu sehen; Auch in einer kurzen Mitteilung vom September 2021 ist sein Name noch erwähnt. Da beglückwünschte der Numov den neuen Direktor des dem Verein angeschlossenen »Deutschen Orient Instituts«, Andreas Reinicke, mit einem von Schröder handsignierten Exemplar seines neuen Buches »Letzte Chance: Warum wir jetzt eine neue Weltordnung brauchen«.
Da Schröders Freund Wladimir Putin inzwischen damit begonnen hat, diesen denkwürdigen Buchtitel in die Tat umzusetzen, ist der Altkanzler nicht mehr gut gelitten. Wegen seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat beim russischen Staatskonzern Rosneft schließen deutsche Regierungspolitiker es inzwischen nicht mehr aus, Schröder mit Sanktionen zu belegen. Eine private »Vermittlungsreise« des SPD-Mannes nach Moskau zeitigte allem Anschein nach keinen Erfolg.
Auf seiner eigenen Website gerhard-schroeder.de führt Schröder indes weiterhin den Titel »Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelostvereins«, zumindest bei Redaktionsschluss von zenith. Ist er nun oder ist er nicht?
Gegenüber dem Magazin Wirtschaftswoche hatte Numov-Geschäftsführerin Rang eine merkwürdige Antwort parat: Schröder habe schon Ende 2021 den Ehrenvorsitz des Vereins abgegeben: »aus Zeitgründen«. Merkwürdig deshalb, weil mit diesem Amt weder eine Anwesenheitspflicht im Berliner Büro, noch sonst irgendwelche schweißtreibenden Tätigkeiten verbunden sein dürften. Merkwürdig auch, weil es nach 15 Jahren Ehrenvorsitz offenbar weder eine Mitteilung noch ein Feierstündchen gab. Corona hin oder her – verabschiedet man so einen Doyen?
Der Numov scheint aus Image-Gründen einigermaßen gründlich Schröders Andenken getilgt zu haben – auf der Facebook-Seite des Vereins wurde das allenfalls vergessen. Und im pflichtgemäßen Eintrag in das Lobbyregister des Deutschen Bundestags (Stand 1. März 2022), der vom Numov höchst selbst angelegt werden musste, heißt es am Ende: »Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder ist seit 2005 Ehrenvorsitzender des NUMOV«. Der Satz steht abgesetzt, allein. Wie Schröder. Damit man ihn besser lesen kann.