Marokko hat den Anbau von Cannabis für medizinische und industrielle Zwecke legalisiert. Wer wird am Ende die erhofften Exporterlöse einstreichen?
Was ist geschehen?
Am 15. Juni 2021 verabschiedete das marokkanische Parlament ein neues Gesetz, das die Produktion, den Vertrieb und den Konsum von Cannabis für medizinische, kosmetische und industrielle Zwecke legalisiert. Die Einnahme und Inhalation des Kif für Genusszwecke bleiben in Marokko hingegen verboten. Das nordafrikanische Königreich gilt als weltgrößter Cannabis-Produzent. Obwohl der Anbau und Konsum von Hanf seit der Unabhängigkeit Marokkos 1956 verboten ist, wird die THC-haltige Pflanze trotzdem im Rif-Gebirge, im Norden des Landes, angebaut. Das illegale Geschäft mit dem Rauschmittel wird dort von den Behörden seit Jahrzehnten geduldet. Bis zu 90.000 marokkanische Haushalte leben vom Anbau des Kif. In Zukunft soll eine eigens hierfür geschaffene staatliche Agentur Lizenzen für den Anbau vergeben, Qualitätsstandards überwachen und Weiterverarbeitung und Vertrieb beaufsichtigen.
Worum geht es eigentlich?
Mit der Legalisierung von medizinischem und kosmetischem Cannabis will Marokko sich auf dem relativ neuen, rapide wachsenden internationalen Markt für legale Hanf-Produkte positionieren. Bereits heute beläuft sich dieser Markt auf ein Volumen von über 9 Milliarden US-Dollar. Für die kommenden Jahre prognostizieren Experten ein jährliches Wachstum von über 20 Prozent. Bisher wird der Markt vor allem von US-amerikanischen Produzenten bedient – das könnte sich mit der Cannabis-Legalisierung in Marokko und anderen afrikanischen Ländern in absehbarer Zeit grundlegend ändern. Durch den Wegfall von Zwischenhändlern soll die Marge der Kleinbauern steigen. Staatliche Anbau-Lizenzen und Qualitätsstandards sollen in Zukunft den mafiaartig organisierten, illegalen Cannabis-Anbau im Rif zurückdrängen. Der regulierte Anbau von medizinischem Cannabis soll sich zudem positiv auf die Umwelt auswirken. Denn momentan verschlingen die wilden Cannabis-Plantagen im Norden des Landes viel zu viel Wasserressourcen. Darüber hinaus sind sie häufig die Ursache von Waldrodungen.
Wie geht es nun weiter?
Ob es gelingt, die gesteckten Ziele zu erreichen, wird maßgeblich von der Art der Umsetzung abhängen. Deren Details müssen noch in Form von Verordnungen ausbuchstabiert werden. Das künftige Geschäft mit legalen Hanfprodukten soll in der strukturschwachen Rif-Region neue ökonomische Perspektiven eröffnen.eDie Höhe der Besteuerung der legalen Cannabis-Produkte wird mit darüber entscheiden, wie attraktiv die Umwandlung der bereits existierenden Plantagen in legalen Anbau für die lokalen Produzenten ausfallen wird. Die Kriterien der Lizenzvergabe sind ausschlaggebend dafür, ob das legale Geschäft mit dem Hanf am Ende von denselben Akteuren dominiert wird, die bereits jetzt den illegalen Handel steuern, oder ob es gelingt, die Rolle der Kleinbauern zu stärken. Die Art und Weise der Kontrolle von Anbau-Standards wird zeigen, ob die Legalisierung von Cannabis auch eine positive Umweltdividende für die Rif-Region mit sich bringen wird.Doch selbst wenn das neue Gesetz erfolgreich umgesetzt werden sollte, wird es voraussichtlich kaum möglich sein, den illegalen Anbau und Handel mit Hanf vollständig zurückzudrängen. Vielmehr ist ein Szenario wahrscheinlich, in dem legaler und illegaler Anbau künftig nebeneinander existieren.
Bauke Baumann leitet das Auslandsbüro Rabat der Heinrich-Böll-Stiftung.