Die einstige Elite-Streitmacht gehört seit Anbeginn zu den Stützen des Assad-Regimes. Seit Ausbruch des Kriegs fallen ihr neue Aufgaben zu – mit ungeplanten Folgen.
Die Republikanische Garde gehört seit über einem halben Jahrhundert zu den Stützpfeilern des Assad-Regimes in Syrien – und spielte schon beim Aufbau der Macht von Hafiz Al-Assad eine Schlüsselrolle. Der damals 40-jährige Luftwaffengeneral rief die Sondereinheit unmittelbar nach dem Novemberputsch 1970 (auch bekannt als »Korrekturbewegung«) ins Leben, vor allem für einen strategischen Zweck: Die Garde sollte als letzter Schutzring in Damaskus jedwedem Versuch verbeugen, militärisch auf die Hauptstadt und den Präsidentenpalast vorzurücken und gegen Assad zu putschen.
Hafiz Al-Assad war vorgewarnt: In den Jahren nach der Unabhängigkeit erlebte Syrien eine Reihe von Staatsstreichen – lange konnten sich die Umstürzler aber nie halten, bevor sie der nächste Putsch wieder von der Macht vertrieb.
Bis heute zeichnet die Republikanische Garde für die Absicherung der Hauptstadt verantwortlich. Mit Ausbruch des Kriegs in Syrien 2011 ist ihr Aufgabenbereich allerdings erheblich ausgeweitet worden. Seitdem ist sie zu einer Art mobilen Eingreiftruppe des Regimes mutiert – mit sektaristischer Schlagseite, denn ihre Struktur trägt den Konflikten der Konfessionsgemeinschaften im Land in besonderer Weise Rechnung. Zudem werfen Berichte über Diebstahl und Erpressung ein Licht auf die zunehmende Disziplinlosigkeit innerhalb der Truppe, von der seit 2011 nahezu alle Einheiten und Bereiche der syrischen Armee betroffen sind.
Die Republikanische Garde ist strukturell ähnlich aufgebaut wie die berüchtigte Vierte (gepanzerte) Division, allerdings leichter ausgestattet. Sie besteht aus sechs Infanteriekampfbrigaden und einem Artillerieregiment. Dabei fungieren die Brigaden 101 und 105 als eine Art Sicherheitsdienst, dessen Aufgabe im unmittelbaren Schutz des Präsidenten und der Regierungspaläste besteht. Diese beiden Brigaden sind die einzigen, die sich im Zuge des Krieges auf ihre Kernaufgaben beschränkt haben. Sie scheinen weder in besonderem Maße in Kampfhandlungen noch in Plünderungen verwickelt.
Die Brigade Nr. 101 ist am Damaszener Stadtberg, dem Qassiun, stationiert, an dessen Fuß im Nordwesten der Hauptstadt auch der Präsidentenpalast liegt. In ihr Portfolio fällt der Personenschutz für die Regimespitze: Präsident Baschar Al-Assad und dessen engste Familienangehörige. Ohnehin rekrutiert sich der Kern dieses Verbands überwiegend aus der alawitischen Gemeinschaft – ein Trend, der sich im Verlauf des Krieges weiter verstärkt hat, nicht zuletzt, weil immer mehr sunnitische Soldaten desertieren.
Auch die Brigade Nr. 105 ist für die Absicherung des Präsidentenpalasts sowie weiterer strategisch bedeutender Einrichtungen verantwortlich. Dazu zählen unter anderem die Stabstelle des Heeres, der Luftwaffe sowie die Hauptquartiere mehrerer Sicherheitsdienste. Demgegenüber agieren die Brigaden 102, 103, 104 und 106 als Kampfeinheiten, die an allen Fronten und in allen Provinzen ins Feld rücken können, sobald andere Divisionen der regulären Armee die militärische Lage nicht unter Kontrolle halten.
Ganz allgemein gesagt handelt es sich bei diesem Teil der Republikanischen Garde um Einheiten, die innerhalb der Streitkräfte am besten für Kampfhandlungen gerüstet sind. Sie sind mit insgesamt rund 500 Panzern verschiedener Bauart ausgestattet, daneben mit 300 BMP-1-Schützenpanzern aus sowjetischer Produktion sowie 600 weiteren Militärfahrzeugen.
Im Zuge des Krieges ist die Republikanische Garde mit Einheiten aus Freiwilligen und Vertragszivilisten aufgestockt worden, die sich vorwiegend aus der alawitischen Gemeinschaft rekrutieren. Darunter finden sich teils auch »fahnenflüchtige« Rekruten der regulären syrischen Armee, die sich mit dem Dienst in Reihen der Republikanischen Garden rechtlich wieder rehabilitieren können. Auf der anderen Seite hatte die Aufblähung der Garde eine Schwächung ihrer Kampfkraft zur Folge.
Das Trainingszentrum der Republikanischen Garde liegt wenige Kilometer westlich von Damaskus bei Qatana. Gleich daneben ist auch das Hauptquartier der Luftabwehr der Garde zu finden. Diese Einheiten verfügen über Raketensysteme vom Typ S-200, Pantsir und Kobra und sollen eigentlich den gelegentlichen Luftschlägen der israelischen Luftwaffe auf syrischem Territorium Einhalt gebieten. Tatsächlich kommen sie in diesen Fällen aber kaum zum Einsatz – das Regime kann es sich schlicht nicht leisten, seine Raketenvorräte zu verpulvern. Zu wichtig ist deren Bedeutung für den Schutz strategischer Einrichtungen in der Hauptstadt vor Angriffen aus der Luft. Aus militärischer Sicht gehören die Raketen vom Typ S-200 eigentlich nicht ins Inventar der Republikanischen Garde. Trotzdem hat das Regime sie mit diesen strategischen Waffen ausgestattet. Das Kalkül: Die Garde soll als autarke und umfassend ausgerüstete Parallelstreitkraft funktionieren.
Die »Alawisierung« der Streitmacht ist ein Paradox
Trotz der Aufrüstung und Aufwertung hat die Republikanische Garde im bisherigen Kriegsverlauf aus militärischer Sicht eine bislang vergleichsweise geringe Rolle gespielt. So war sie vor allem als Hilfseinheit an der Seite der Vierten Division gegen die bewaffnete Opposition im Einsatz, etwa in Zabadani, Duma und Harasta im Gouvernement Rif Dimaschq nördlich der Hauptstadt. Das hat vor allem taktische Gründe: Meist wurden die reguläre Armee sowie die regimetreuen Paramilitärs der sogenannten Nationalen Verteidigungskräfte (Quwat al-Difaa al-Watani) an die vorderste Linie geschickt – die Republikanischen Garde sollte dagegen als mobiler Ersatz erhalten bleiben, anstatt sich im Fronteinsatz aufzureiben.
Für das Regime ist die Truppe in dieser Funktion von fundamentaler Bedeutung, um die Kontrolle über die wichtigsten urbanen Zentren außerhalb der Hauptstadt aufrechtzuerhalten. So bewachen Einheiten der Garde etwa die Schnellstraße Athriya-Khanaser – das wichtigste Teilstück der Strecke in Richtung der zweitgrößten Stadt des Landes, Aleppo. Schon der sogenannte Islamische Staat (IS) hatte den Knotenpunkt immer wieder unter Beschuss genommen, auch heute steht der Abschnitt weiter im Visier bewaffneter Gruppierungen.
Im Laufe der letzten Jahre waren Einheiten der Republikanischen Garde auch im Osten des Landes stationiert, vor allem außerhalb der Stadt Deir Ezzor: nicht als Stoßtrupp, sondern vielmehr als letzte Verteidigungslinie gegen den IS. Auch die Rolle der Garde bei der Rückeroberung von Aleppo fiel bescheidener aus, als vom Regime offiziell verkündet. Tatsächlich hatte die iranische Revolutionsgarde, beziehungsweise von ihr gesteuerte Milizen, hier die Führung übernommen und die syrische Elitetruppe teilweise zum bloßen Befehlsempfänger degradiert. Trotz der operativen Zurückhaltung im Fronteinsatz hat die Republikanische Garde auch teils beträchtliche Verluste hinnehmen müssen, etwa als der IS 2017 den Militärflugplatz Tiyas zwischen Homs und Palmyra unter Beschuss nahm.
Diese Kriegsbilanz lässt einen paradoxen Schluss zu: Einerseits erscheint die Republikanische Garde als eine der stärksten Streitkräfte Syriens, andererseits wurde sie im Laufe der letzten elf Jahre in militärischer Hinsicht kaum ernsthaft gefordert.
Widersprüche begleiten auch die konfessionelle Zusammensetzung der Truppe, der wir eingangs eine sektaristische Schlagseite attestiert haben: Zu Beginn scheint Baschar Al-Assad versucht zu haben, den Einfluss der Alawiten in der Elitetruppe zu beschränken, um ihrem alawitischen Eigenleben entgegenzuwirken und ihr somit den Handlungsspielraum zu nehmen. Tatsächlich regte sich im Laufe des Krieges auch in Reihen der Alawiten in der Republikanischen Garde Kritik an Baschar Al-Assad. Das Schutzschild des Regimes wurde durch die exponierte Stellung von Angehörigen der Religionsgemeinschaft zur Zielscheibe – und damit die Alawiten insgesamt. Das aber spielte dem Regime in die Hände, es führte zu einer stärkeren inneralawitischen Solidarität in der Truppe – einer Art »Alawisierung« – und dazu, dass Kritik aus den eigenen Reihen am Regime als Verrat an der Gemeinschaft wahrgenommen wurde.
In der Führungsriege der Republikanischen Garde finden sich 25 Offiziere, die sämtliche administrativen und operativen Bereiche der Truppe kontrollieren und ausschließlich der alawitischen Gemeinschaft entstammen. Seit Hafiz Al-Assad die Garde in der 1970 Jahren gründete, war ihr mächtigster Kommandeur – anders als bei der regulären Syrischen Arabischen Armee, immer Alawit. Seit 2017 gibt dort etwa Brigadegeneral Malik Alia, ein enger Vertrauter von Baschar Al-Assad aus Tartus, den Ton an.
Die Strukturreform offenbart gefährliche Schwächen
Assads Kurs macht aus der Republikanischen Garde den letzten alawitischen Schutzschild in der Hauptstadt und die letzte Verteidigungslinie des Regimes. Doch auf eben jene Aufgabe ist sie aufgrund ihres strategischen Umbaus im Zuge des Krieges denkbar schlecht vorbereitet. Denn durch die Erweiterung des Einsatzgebietes auf ganz Syrien muss sich die Garde mit lokalen und regionalen Milizen koordinieren. Das führt zu Kompetenzgerangel, insbesondere mit iranischen oder iranisch geführten Verbänden, die in Syrien in eigenen Kommandostrukturen operieren und sich nicht der Befehlskette der syrischen Streitkräfte unterordnen.
In Aleppo wiederum sollte die eigens während des Kriegs ins Leben gerufene 30. Division der Republikanische Garde nach der Einnahme der Stadt als Dachverband die zahlreichen Milizen und Paramilitärs absorbieren. Doch dadurch füllten sich die Reihen der Garde mit Kämpfern, die nicht die reguläre Ausbildung durchlaufen hatten und dementsprechend Profil und Prestige der Truppe verwässern ließen.
Der Reputationsschaden der Republikanischen Garde reicht allerdings viel tiefer: Sie ist mittlerweile integraler Teil der Kriegswirtschaft. Das zeigt sich etwa an den von ihr bemannten Checkpoints: Sie erfüllen weniger eine Sicherheitsfunktion, sondern dienen zuvorderst dafür, sich auf Kosten der eigenen Bürger zu bereichern. Darüber hinaus gerät die Garde so immer häufiger mit Einheiten der Vierten Division aneinander – denn auch die macht mit Schutzgeld und Erpressung Kasse. So hat sich die Republikanische Garde ihren Platz in Syriens neuem Warlord-System gesichert, kann die für sie ursprünglich vorgesehene militärische Rolle aber immer weniger ausfüllen.
Finanzielle Anreize statt ideologischer Loyalität bestimmen heute das Verhalten der Republikanischen Garde – sie ist damit ähnlich ausgehöhlt wie auch andere Teile des syrischen Staatsapparats und insbesondere der Armee. Zudem hat das Assad-Regime in den vergangenen Jahren wenig Interesse gezeigt, die militärische Schlagkraft der Garde tatsächlich zu stärken. Denn für das strategisch wichtigste Ziel, die Rückeroberung der Gebiete unter Kontrolle der bewaffneten Opposition, setzt der Präsident weiterhin auf die Waffenhilfe der Verbündeten Iran und Russland.
Abdullah Al-Ghadawi stammt aus dem syrischen Deir Ezzor und ist Experte für zivil-militärische Beziehungen in Syrien. Er schreibt zudem für internationale arabische Zeitungen.