Während die Türkei weiter versucht, Afrin unter seine Kontrolle zu bringen um den kurdischen Einfluss an der türkisch-syrischen Grenze zurückzudrängen, nähern sich die Kurden in Nordsyrien und das Assad-Regime offiziell an.
Rudaw
Im dem der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) nahestehenden Nachrichtenportal Rudaw mit Sitz in Erbil, meldet sich Jadan Ali zu Wort. Er ist der Leiter des Erbiler Büros des Kurdischen Nationalrates (ENKS), einem 2011 gegründeten Bündnis aus syrisch-kurdischen Parteien. Der ENKS steht in Opposition zur Demokratischen Volkspartei (PYD), deren Angehörige sich in Nordsyrien als »Autorität, Verteidiger, Finanzverwaltung und Herrscher über die Grenzen« gerierten – wie Ali kritisiert. Darüber hinaus sei der PYD mehr daran gelegen, Ruhm und Beachtung zu erfahren, als die Rechte der Kurden zu schützen.
Dass sich nun der von der PYD dominierte Demokratische Rat Syriens (SDC) mit Vertretern der Assad-Regierung getroffen hätten, sei ein Beweis dafür. Ali behauptet, dass die PYD veranlasst hätte, Bilder von Abdullah Öcalan (Kampfname »Apo«) und »Märtyrern« aus den Stadtzentren zu entfernen, um Assad zu imponieren. Indirekt wirft er der PYD also vor, ihre Ideale zu verraten. Für die ENKS hingegen gebe es nur eine Lösung für die Situation der Kurden in Syrien: Ein internationales Arrangement, das darauf besteht, kurdische Minderheitsrechte in einer künftigen syrischen Verfassung zu verankern. Dieses Ziel sei aber nur ohne Assad, dafür aber unter Vermittlung der Türkei, Saudi-Arabien, Russland und des Westens zu erreichen.
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Enab Baladi
Ayham Taha geht in seinem Meinungsstück in der syrischen Oppositionszeitung Enab Baladi der Frage nach, warum sich die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) Russland und dem syrischen Regime zuwenden. Einen Beweggrund für die Annäherung beider Parteien sieht Taha demnach in den Äußerungen Donald Trumps. Der US-amerikanische Präsident hatte angekündigt, die SDF nicht länger zu unterstützen. Die Kurden seien enttäuscht darüber, dass sich die USA nun stattdessen Russland annähere.
Aber auch die amerikanische Übereinkunft mit der Türkei, die Ankara die administrative Verwaltung kurdischer Gebiete, inklusive Manbidsch, zugesteht und den Verlust der kurdischen Kontrolle Afrins in Kauf nimmt, setze die Kurden unter Druck. Deswegen hätten die Kurden in Nordsyrien erkannt, dass ihnen die Zeit weglaufe und sie keine alternativen Bündnispartner haben. Dem syrischen Regime spiele diese Alternativlosigkeit der SDF in die Hände, da es die Verhandlungen mit den Kurden nun zu ihren Konditionen führen könne.
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Basnews
Shofan Ibrahim geht im irakisch-kurdischen Nachrichtenportal Basnews hart mit den SDF ins Gericht. Die geplante Dezentralisierung, so Shofan, sei keinesfalls demokratisch. Einerseits vertreten die SDF nicht alle in Syrien lebenden Kurden. Andererseits fehle es am Willen, wahrhaft demokratische Strukturen in Syrien zu schaffen. Der Begriff »Demokratie« verkomme zu einem Schlagwort, das den Kurden in Syrien keinesfalls eine ernsthaft faire Lösung biete. Weder garantiere die geplante Dezentralisierung die Wahrung von Minderheitenrechten, noch schütze sie die Vielzahl an ethnischen und religiösen Identitäten im Land.
Shofan glaubt: Der Grund für die Gesprächsaufnahme zwischen den SDF und dem syrischen Regime liege entweder in der ausbleibenden Unterstützung für die Kurden in Afrin und die dadurch vereitelten Hoffnungen auf ein föderales Syrien. Ein anderer Beweggrund, vermutet Shofan, könnten SDF-interne Unstimmigkeiten – insbesondere zwischen Arabern und Assyrern – sein. Shofan resümiert: Den SDF sei es nicht gelungen, eine klare Vision für den kurdischen Landesteil zu schaffen. Die Aufnahme von Gesprächen mit Damaskus bringe den Kurden keine Vorteile, sondern ließe sie Teil eines »abgekarteten Spieles« werden.
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Al-Jazeera
Als »profitable Notlösung« beschreibt Zuhair Hamdani im katarischen Nachrichtenportal Al-Jazeera die geplanten Gespräche zwischen Kurden und der syrischen Regierung. Die Kurden sähen sich im Zugzwang, ihre Position gegenüber Assad zu ändern: Während die syrische Armee stetig Landesteile erobere – zuletzt in der südlichen Provinz Daraa – fühlten sich die Kurden zunehmend von ihren Partnern im Stich gelassen. Die Angst vor einer militärischen Niederlage sei insbesondere durch die ausbleibende Unterstützung der USA im Zuge des Truppenabzugs in Manbidsch, der türkischen Operation »Olivenzweig« in Afrin und dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum im Nordirak gewachsen.
Eine Kooperation zwischen Kurden und dem Assad-Regime würde die Selbstverwaltung der kurdischen Gebiete sicherstellen. Assad hingegen erhielte Unterstützung im Kampf gegen die von der Türkei unterstützten Einheiten der Freien Syrische Armee, von der Damaskus besonders bei der Eroberung Idlibs profitieren würde. Den größten Vorteil bringe jedoch der Zugang zu Bodenschätzen, die sich zum Großteil in den kurdisch kontrollierten Landesteilen finden. Hamdani schließt nicht aus, dass das syrische Regime die Kontrolle über die Erdölraffinerien in den kurdischen Landesteilen wieder übernehmen wird.
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