Ob Terroranschlag, Raubüberfall oder sexuelle Belästigung – Sicherheitsexperte Florian Peil bietet in seinem neuen Ratgeber Handlungsanweisungen für den Umgang mit Bedrohungslagen in Krisengebieten und im Alltag.
Bosnien-Herzegowina im August 1992. Ein tiefes Brummen macht sich am Himmel über der Stadt Tuzla breit, wo die junge Journalistin Tatjana Ohm gerade ein Interview führt. Wenige Augenblicke später fallen Bomben vom Himmel und explodieren nur unweit entfernt. Krieg war bis zu diesem Tag etwas abstraktes für die 22-Jährige – nun stand sie mittendrin. An diesem Tag lernte sie, welche Rolle die eigene Aufmerksamkeit zur Wahrung der eigenen Sicherheit spielt. Wie wichtig es ist, die Umgebung genau zu betrachten, um potenzielle Bedrohungen zu erkennen.
Damit bedient sich die Journalistin Tatjana Ohm der »situativen Aufmerksamkeit«, die Autor Florian Peil als eines der wichtigsten Werkzeuge in einem »Werkzeugkasten der Sicherheit« vorstellt. Die Geschichte der jungen Journalistin ist eines von mehreren Beispielen in Peils neuem Ratgeber »Die 5 Ringe der Sicherheit«, die beschreiben, wie die im Buch vorgestellten Tools auf konkrete Situationen adaptiert werden und damit das eigene Sicherheitsempfinden verändert und sensibilisiert werden können.
Das Buch soll vor allem jene Personen für den »Kontext Sicherheit« sensibilisieren, die sich bislang wenig mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Denn manchmal kann es schnell gehen: Ist man zur falschen Zeit am falschen Ort, kann man sich plötzlich und ohne eigenes Zutun inmitten einer Gefahrensituation befinden. »Die 5 Ringe der Sicherheit« schafft einen Spagat zwischen möglichen Bedrohungssituationen in Krisengebieten und ganz alltäglichen Situationen.
Gefahrensituationen frühzeitig erkennen und schnell handeln
Neben realen Begebenheiten beschreibt der Autor mögliche Gefahrensituationen und den Umgang damit auch anhand fiktiver Ereignisse, die der Sicherheitsexperte aus seinem beruflichen Kontext kennt. So wird im Buch beispielsweise der Arbeitsweg der Krankenschwester Anke beschrieben. Die 26-Jährige lebt in einer deutschen Großstadt und arbeitet im Schichtbetrieb. Um zur Arbeit zu gelangen, nutzt sie die U-Bahn, wo sie bereits mehrere Male sexuell belästigt und Zeugin von Gewalttaten wurde.
Doch damit soll Schluss sein. Anhand der im Buch vorgestellten Risikoformel, will die Krankenschwester ihr eigenes Risiko verringern. Dafür passt sie sich mehr ihrem Umfeld an und legt sich einen Notfallplan zurecht. Damit man erst gar nicht zum Opfer wird, sondern sich über seine eigenen Handlungsoptionen bewusst ist, hat Florian Peil fünf »Ringe« definiert.
Im Zentrum der eigenen Sicherheit steht demnach der Mensch selbst. Was Peil in seinem Buch als ersten Ring definiert und als »Psychologie der Stärke« bezeichnet, ist der Grundstein für die eigene Sicherheit. Nur wer sich selbst gut genug kenne, so der Autor, kann ein Bewusstsein entwickeln, auf Bedrohungen zu reagieren und Handlungsoptionen richtig einzuschätzen.
»Es gibt Menschen, die reisen jahrelang durch Risikogebiete. Die haben natürlich ein anderes Selbstverständnis des Themas Sicherheit als Touristen oder Menschen, die noch nie ihr Umfeld verlassen haben«, erläutert Peil seinen Ansatz. Um diesen MenschenWerkzeuge an die Hand zu legen, stellt der Autor im zweiten Ring eine Risikoformel zur Verfügung. Die soll dabei helfen, Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen und schnell zu handeln.
Im dritten Ring geht der Autor auf den persönlichen Gefahrenradar ein und damit auf die situative Aufmerksamkeit. »Observe – Orient – Decide – Act« – der sogenannte OODA-Loop stellt den vierten Ring dar. In diesem Kapitel stellt Peil Möglichkeiten vor, wie man Situationen schneller erfassen kann und Handlungsoptionen analysiert, um letztlich in Bedrohungslagen schnell richtige Entscheidung treffen und umsetzen zu können. Zur Beschreibung des fünften Rings nimmt der Autor die Leserinnen und Leser mit nach Ungarn.
Eine positive Motivation, den eigenen Radius zu erweitern
Fragt man den Autoren, wie er das Thema Sicherheit definiert, dann stellt er eingangs klar: »Sicherheit ist definiert als Abwesenheit existenzieller Bedrohung. Für die meisten Menschen ist es jedoch ein unklarer Begriff, unter dem jeder etwas anderes versteht«, erklärt Peil.
Peil schafft es in seinem Buch, das mitunter trockene und theoretische Thema Sicherheit anschaulich und greifbar zu thematisieren. Der Sicherheitsexperte wählt eine nüchterne, klare Sprache und schafft es damit, Informationen strukturiert und für den Leser verständlich zu formulieren. Darin liegt eine Stärke des Buches. Die Lektüre ist aber auch für diejenigen interessant, die sich bisher nicht oder nur wenig mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
Untermalt werden die jeweiligen »Ringe« sowohl von den Erfahrungen, die der Autor in seiner jahrelangen Arbeit als Sicherheitsberater gesammelt hat, als auch durch Geschichten von Menschen, die sich in unterschiedlichem Kontext in verschiedenen Gefahrensituationen befanden. Es sensibilisiert den Leser auf unterschiedliche Arten von Gefahren und bietet Handlungsoptionen. Damit gelingt dem Buch das, was es in der Einleitung verspricht: Es ist eine positive Motivation, den eigenen Radius zu erweitern.
Eine weitere Stärke des Buches ist es, dass es eine greifbare Nähe zu möglichen Bedrohungslagen schafft und den Leser zur Selbstreflexion darüber bringt, wie man diesen Kontext bisher betrachtet und gelebt hat.
»Die 5 Ringe der Sicherheit« ist ein Nachschlagewerk, das auch in den Bücherregalen junger Individualreisender nicht fehlen sollte, die sich fern von vermeintlich sicheren Pauschalreisen bewegen und auf ihre eigene Intuition und Einschätzung angewiesen sind. Peil schafft es, den Leserinnen und Lesern verständlich zu machen, dass Sicherheit mehr bedeutet als »Bodyguards und Selbstverteidigung« – Sicherheit bedeute, eben auch sich selbst zu verstehen, um in Gefahrensituationen richtig agieren zu können. Denn letztlich sei jeder in einer Bedrohungslage zunächst auf sich selbst gestellt.
Die 5 Ringe der Sicherheit
Florian Peil
tredition, 2021
180 Seiten, 14,90 Euro